Arzneimittelentsorgung Studie: Medikamente landen häufig im Müll

17. November 2020, 16:58 Uhr

Medikamente im Müll können Gewässer verseuchen. Ihre Wirkstoffe landen in Wasser- und Stoffkreisläufen und damit wieder beim Menschen. Schon seit vielen Jahren warnen Ärzte vor hormonaktiven Substanzen, die beispielsweise durch Reste von Antibaby-Pillen und Ibuprofen in das Grundwasser gelangen. Doch das Bewusstsein für eine sichere Entsorgung von Arzneimitteln ist gering.

Wie Forscher der Portland State University (PSU)in Kanada herausfanden, lagern über ein Drittel der Befragten ihre ungebrauchten und alten Medikamente einfach zu Hause. Werden sie dennoch entsorgt, werfen über 27,5 Prozent der Menschen die Arzneimittel einfach in den Müll. Knapp 16 Prozent spülen sie die Toilette herunter. Nur 8,3 Prozent der Befragten nutzen eine Abgabemöglichkeit in der Apotheke. "Medikamente im Müll sind die häufigste Entsorgungsmethode", erklären die Forscher des "Institute for Sustainable Solutions".

Tabletten und eine Ampulle liegen auf einem Tisch.
Viele alte Medikamente landen im Müll - das haben Forscher in einer Studie nachgewiesen. Bildrechte: Colourbox.de

Forderung für mehr Verantwortung von Gesetzgeber und Pharmaunternehmen

Eine in der Apotheke bereitgestellte Box für Altmedikamente wird den Wissenschaftlern zufolge mit einem größeren Bewusstsein für eine ordnungsgemäße Entsorgung und mit sicheren Empfehlungen der Apotheker in Verbindung gebracht.

Die Forscher forderten mehr Verantwortung des Gesetzgebers und der pharmazeutischen Industrie. Um die unsachgemäße Entsorgung der Medikamente zu verringern, sollten die Gesetzgeber Behälter in den Apotheken vorschreiben sowie deren Finanzierung von der pharmazeutischen Industrie einfordern, erklärte Amy Ehrhart Hauptautorin der Studie und Doktorandin im Programm "Erde, Umwelt und Gesellschaft" der PSU. "Die Ergebnisse der Fokusgruppe verdeutlichen, dass die Aufklärung der Verbraucher erst dann erfolgreich sein würde, wenn wir mehr Dropboxen zur Verfügung hätten", sagte Ehrhart.

Viele Boxen waren zu schnell voll

Forscherin Erhardt erklärte, dass in der Erinnerung vieler Probanden die Medikamenten-Boxen schnell voll waren und nicht benutzt werden konnten. Zudem hätten viele Befragte auf die Kosten als ein Haupthindernis für Dropboxen hingewiesen und betont, dass die pharmazeutische Industrie mit an den Kosten der Entsorgung beteiligt werden sollte. Die Studie der kanadischen Universität untersuchte sowohl das Entsorgungsverhalten der Kunden als auch die Empfehlungen der Apotheker und deren Einstellung zur Entsorgung von Medikamentenresten. Im Fokus lagen auch die Herausforderungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Entsorgung.

Auch in Deutschland landen viele Medikamente im Müll und der Toilette

Die Ergebnisse der kanadischen Forscher decken sich mit Zahlen aus Deutschland. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe entsorgen rund 43 Prozent der Deutschen gelegentlich flüssige Arzneimittel in der Toilette oder im Waschbecken. Bei Tabletten nutzten rund 15 Prozent gelegentlich die Toilette zur Entsorgung. "Ein in höchstem Maße besorgniserregender Zustand. Viele Verbraucher sind sich nicht darüber bewusst, dass die Wirksubstanzen über das Abwasser den Weg in den Wasserkreislauf finden und negative Folgen haben können", erklärt die Umwelthilfe. Folgen seien ansteigende Resistenzen gegen Antibiotika, Tuberkulose-Erreger oder Salmonellen.

Ibuprofen Tabletten
Auch in Deutschland landen viele Tabletten im Müll. Besonders Iboprofen gilt als problematisch, weil es eine hormonaktive Substanz ist. Bildrechte: imago/Joko

Umwelthilfe fordert Entsorgungssystem in Deutschland

Um die Gefahren durch Altmedikamente zu minimieren, fordert die Deutsche Umwelthilfe die Einführung eines bundesweit einheitlichen Medikamenten-Sammelsystems in Apotheken. Dazu sei Deutschland nach der europäische Richtlinie 2004/27/EG (Artikel 127B) aus dem Jahr 2004 verpflichtet. Doch auch 2020 – 16 Jahre später – gibt es kein einheitliches Sammelsystem. Der Sächsische Apothekerverband hatte etwa vor einem Jahr die Einführung eines solchen gefordert. Doch auch dies blieb ohne Folgen.

Rücknahmesysteme in Spanien, Frankreich und Portugal

Andere EU-Länder zeigen wie es geht: in Spanien gibt es laut Umwelthilfe seit 2001 die Organisation Sigre, die für die Sammlung und Verwertung von Altmedikamenten verantwortlich ist. Finanziert werde das Rücknahmesystem durch den Apothekerverband, den Verband der pharmazeutischen Hersteller und den Dachverband der Pharmagroßhändler. Ähnliche Sammelsysteme würden auch in Frankreich und Portugal benutzt.

(kt)

1 Kommentar

MDR-Team am 17.11.2020

Hallo Saxe, da haben Sie recht. Auf der Website ist allerdings auch dieser Hinweis zu finden: "Es ist wichtig, nicht verbrauchte Arzneimittel so zu entsorgen, dass sie nicht die Umwelt belasten. Die wirksamen Bestandteile eines Arzneimittels können in der Umwelt aktiv sein und zum Beispiel unerwünschte Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt haben. [...]

Künftig soll es auch folgenden Hinweis in Beipackzetteln geben:

"Entsorgen Sie Arzneimittel niemals über das Abwasser (z.B. nicht über die Toilette oder das Waschbecken). Fragen Sie in Ihrer Apotheke, wie das Arzneimittel zu entsorgen ist, wenn Sie es nicht mehr verwenden. Sie tragen damit zum Schutz der Umwelt bei."