Vanessa Hayes diskutiert mit San-Häupttling ǀkun ǀkunta
Die Genforscherin Vanessa Hayes diskutiert mit ǀkun ǀkunta, einem Oberhaupt einer San-Familie. Ikunta war einer von über 1.000 Afrikanern, die ihr Genom für die Studie von Hayes und Kollegen zur Verfügung stellten. Bildrechte: Chris Bennett, Evolving Picture, Sydney, Australia

Neue Studie Moderner Mensch entstand im Süden Afrikas

29. Oktober 2019, 17:14 Uhr

Die Wiege des modernen Menschen befand sich vor rund 200.000 Jahren im heutigen Botswana. Von dort trat Homo sapiens sapiens 70.000 Jahre später seinen Siegeszug an. Das zumindest ist das Ergebnis einer neuen Studie, für die das Erbgut von über tausend Afrikanern ausgewertet wurde.

Dass die ersten anatomisch modernen Menschen Afrikaner waren, ist in der Wissenschaft unstrittig. Homo sapiens sapiens tauchte vor etwa 200.000 Jahren erstmals auf dem afrikanischen Kontinent auf. Wo aber genau der Entstehungsort des modernen Menschen lag, war bislang ungewiss.

Wiege südlich des Sambesi

Einem internationalen Forscherteam um die Genforscherin Vanessa Hayes von der Universität Sydney soll es nun mithilfe von DNA-Analysen, linguistischen und geografischen Daten sowie Klima-Modellen gelungen sein, die Wiege des modernen Menschen im südlichen Afrika südlich des Sambesi-Flusses zu verorten. Aufgrund fossiler Funde war bislang ein ostafrikanischer Ursprung von Homo sapiens sapiens vermutet worden.

Gigantisches Paläo-Feuchtgebiet

Makgadikgadi Salzpfanne im Nordosten von Botswana
Makgadikgadi-Salzpfannen im Nordosten Botswanas. Früher lagen hier ein gigantischer See und ein riesiges Feuchtgebiet. Bildrechte: imago images / Nature Picture Library

Nach der von Hayes und Kollegen im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie, liegt die angestammte Heimat des modernen Menschen möglicherweise im Makgadikgadi-Okavango-Paläo-Feuchtgebiet im heutigen Nordosten Botswanas. Das südöstlich des Okawango-Deltas im Nordwesten der Kalahari liegende Gebiet wird heutzutage von Wüsten- und Salzpfannen dominiert.

Vor hunderttausenden Jahren befand sich dort aber ein gigantischer See, der mit etwa 60.000 Quadratkilometern etwa doppelt so groß war wie der heutige Viktoriasee. Vor ungefähr 200.000 Jahren begann sich dieser See aufzulösen. Es entstand ein riesiges Feuchtgebiet. Der Studie zufolge siedelten sich moderne Menschen in dieser üppigen, grünen Region an.

Abwanderung nach Klimaänderung

Sie lebten etwa 70.000 Jahre in dieser Gegend, bevor sie durch klimatische Veränderungen gezwungen wurden, in andere Gebiete abzuwandern. Zunehmende Luftfeuchtigkeit hätte dafür gesorgt, dass in den trockenen Regionen im Umfeld des Sees grüne Korridore entstanden, durch die die Menschen zuerst nach Nordosten und später nach Südwesten abwandern konnten. Erst dadurch sei die Ausbreitung des modernen Menschen über Afrika und die ganze Welt möglich geworden.

Erbgut von über tausend Afrikanern analysiert

Vanessa Hayes unter Familie von San-Jägern in Kalahari Namibia
Haupt-Studienautorin Hayes lässt sich von San-Jägern das Feuermachen erklären. Bildrechte: Chris Bennett, Evolving Picture, Sydney, Australia

Für ihre Studie analysierten Hayes und Kollegen die mitochondriale DNA von mehr als 1.000 heute im südlichen Afrika lebenden Menschen. Die mitochondriale DNA wird ausschließlich von Mutter zu Kind weitergegeben. Über die Daten zur zeitlichen, ethno-linguistischen und geografischen Häufigkeitsverteilung der Mitogenome, kombiniert mit klimatischen Rekonstruktionen, kamen die Forscher auf eine ungefähre Herkunftsregion des modernen Menschen, die von der namibischen Grenze über den Norden Botswanas bis nach Simbabwe reicht.

Fachwelt ist skeptisch

Allerdings stößt die neue Studie auch auf Skepsis in der Fachwelt. Der Paläoanthropologe Chris Stringer vom Londoner Natural History Museum etwa sagte der britischen Zeitung "The Guardian", weil die Studie nur einen Bruchteil des menschlichen Erbgutes betrachte, könne sie keine verallgemeinerbare Aussage über die komplexe genetische Herkunft treffen. Die US-amerikanische Genetikerin Sarah Tishkoff von der Universität Pennsylvania kritisierte, es sei nicht möglich, Rückschlüsse auf die geografische Herkunft des modernen Menschen in Afrika zu ziehen, wenn man ausschließlich die Variationsmuster moderner Populationen analysiere.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. Oktober 2019 | 07:30 Uhr

1 Kommentar

Wachtmeister Dimpfelmoser am 30.10.2019

Da können wir ja von Glück reden, dass dies nicht in Europa passiert ist. Sonst wäre die ganze Anthropologie und Ethnologie rassistisch. Man fragt sich nur, warum der Homo originus dann so wenig draus gemacht hat.