Aufschieberitis Prokrastination: Der Dopaminspiegel ist schuld

22. Juli 2019, 10:52 Uhr

Noch schnell putzen vor der Diplomarbeit oder Reifenwechsel vor der Steuererklärung? Ein Hang zur Aufschieberitis (Fachbegriff Prokrastination) hat offenbar viel mit unseren Genen zu tun, zeigen Forscher.

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Lassen Sie sich auch so leicht ablenken? Dann könnten auch Ihre Gene eine Mitschuld daran haben, zumindest wenn Sie eine Frau sind. Das zeigen jetzt Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden in einer neuen Studie. Denn es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen der genetischen Veranlagung für einen höheren Dopaminspiegel im Gehirn und dem Hang zum Aufschieben, sagt Biopsychologin Caroline Schlüter. "Wir konnten beobachten, dass bei Frauen, die genetisch bedingt einen höheren Dopamin-Spiegel im Gehirn haben, tendenziell eine stärkere Neigung zur Prokrastination vorliegt."

Funktionen von Dopamin

Aber warum Dopamin? Ist das nicht eigentlich das Glückshormon? Nicht nur: Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff im Gehirn, der noch viel mehr Aufgaben hat, sagt Christian Beste, Professor für Kognitive Neurophysiologie an der Technischen Universität Dresden. Bei der Prokrastination sei es ja so, dass man ein Ziel verfolgen soll, aber dann andere Dinge dazwischen kämen.

Die Frage ist: Wie sehr lasse ich andere Handlungsoptionen zwischen mich und meine Ziele kommen? Wie sehr kann ich meine Handlungsziele von anderen störenden Optionen abschirmen? Denn viele neurobiologische Studien zeigen, dass bei diesem Abschirmungsprozess das Dopamin-System eine wesentliche Rolle spielt.

Christian Beste, TU Dresden

Weniger Dopamin bewirkt kurz gesagt weniger Ablenkung im Gehirn. Es beeinflusst, wie stringent man Handlungsziele verfolgen kann.

Überraschender Geschlechts-Unterschied

Für die Studie haben die Forscher fast 300 Probanden untersucht. Sie interessierten sich vor allem für ein bestimmtes Gen, das unter anderem den Dopamin-Haushalt im Körper regelt, sagt Erstautorin Schlüter von der Ruhr-Universität Bochum. Damit, dass es einen Effekt geben könnte, haben die Forscher also durchaus gerechnet. Eine Überraschung gab es trotzdem.

"Mit dem Geschlechtseffekt haben wir aber nicht gerechnet. Wir haben nicht erwartet, dass es ein für Frauen oder Männer spezifischer Effekt ist", sagt die Wissenschaftlerin. Bei der Suche nach dem Grund dafür, habe sich gezeigt, dass da das weibliche Sexualhormon Östrogen eine Rolle spiele.

Dopamin nur ein Einflussfaktor unter vielen

Also können manche Frauen gar nichts für ihre Aufschieberitis? Ganz so ist es natürlich nicht, sagt Schlüter. Diese genetische Veranlagung sei natürlich nur ein Einflussfaktor. "Es ist immer eine Mischung. Als Menschen bringen wir häufig genetisch bedingte Eigenschaften mit in unser Leben, die dann aber mit der Umwelt interagieren."

Und so spielen etwa auch Erziehung oder Sozialisation eine Rolle. Das alles auseinander zu dröseln ist manchmal gar nicht so einfach, sagt Biopsychologin Schlüter. Um das genau zu erfahren, wird sie weiter forschen und sich hoffentlich nicht ganz so leicht ablenken lassen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. Juli 2019 | 16:50 Uhr