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GesundheitsrisikenSchichtarbeiter bekommen leichter Asthma

01. Dezember 2020, 16:35 Uhr

Schichtarbeit schadet der Gesundheit. Wie Forscher jetzt herausfanden, bergen vor allem Nachtschichten das Risiko, an mittelschwerem bis schwerem Asthma zu erkranken.

von Katrin Tominski

Die Nacht ist zum Schlafen da - so Unrecht hatten die Großeltern doch nicht. Denn Nachtarbeit birgt viele Risiken. Bildrechte: imago images / photothek

Schichtarbeit ist keine Quelle der Vitalität, sondern ein Risikofaktor für physische und psychische Gesundheit. Das belegen Forscher seit vielen Jahren, das erklären Ärzte und Arbeitsrechtler regelmäßig. Schichtarbeit kann zu Schlafstörungen, Depressionen, Einsamkeit aber auch zu Magen-Darm-Beschwerden und Herz-Kreislauferkrankungen führen. Doch nicht genug: Schichtarbeit – insbesondere ständige Nachtschichten – kann auch das Risiko für mittelschweres bis schweres Asthma gravierend erhöhen. Das haben jetzt Forscher von Universitäten in den USA und Großbritannien in einer gemeinsamen Studie herausgefunden.

Weltweilt über 300 Millionen Menschen mit Asthma

Asthma ist eine chronische Erkrankung, bei der die Atemwege entzündet und somit verengt sind. Die Folge sind trockener Husten, Kurzatmigkeit oder Atemnot. Weltweit sind etwa 339 Millionen Menschen an Asthma erkrankt, manche von ihnen sterben. In Deutschland betrifft Asthma etwa acht Millionen Patienten. "Die Auswirkungen unserer Ergebnisse auf die öffentliche Gesundheit sind potentiell weitreichend, da sowohl Schichtarbeit als auch Asthma in der industrialisierten Welt weitverbreitet sind", warnen die Forscher in ihrer Studie. Etwa ein Fünftel der Beschäftigten würde in permanenten oder rotierenden Nachtschichten arbeiten.

Schichtarbeit führt dazu, dass die innere Körperuhr eines Menschen - zirkadianer Rhythmus genannt - nicht mit dem äußeren Hell-Dunkel-Zyklus Schritt hält.

Maidstone R, Turner J, Vetter C, et al | University of Oxford & andere

Kurzum, die innere Uhr spielt verrückt. Das hat immense Auswirkungen auf Körper und Seele.

Wie einflussreich ist die innere Uhr der Menschen?

Etwa ein Fünftel der Beschäftigten in Industrieländern arbeiten in Nachtschichten. Bildrechte: imago images / Future Image

Für ihre Studie wollten die Wissenschaftler herausfinden, wie einflussreich der Chronotyp, die individuelle Körperuhr, für die genetische Veranlagung zu Asthma sein könnte. Sie analysierten dafür Angaben zu Medizin, Lebensstil und Beschäftigung, die zwischen 2007 und 2010 von knapp 287.000 Teilnehmern der britischen Biobank zur Verfügung gestellt wurden.

Alle Teilnehmer waren zwischen 37 und 72 Jahre alt. Die meisten von ihnen (83 Prozent) arbeiteten zu regulären Zeiten, demgegenüber waren 17 Prozent der Studienteilnehmer im Schichtbetrieb beschäftigt. Etwa die Hälfte aller Schichtarbeiter wiederum hatte Nachtschichten in unterschiedlichem Ausmaß (nie/gelegentlich, unregelmäßig/rotierend, ständig). Insgesamt gaben zudem knapp 14.300 Teilnehmer (etwa fünf Prozent) an, an Asthma erkrankt zu sein, knapp 4.800  (zwei Prozent) zeigten mäßige bis schwerwiegende Symptome.

Das Arbeiten im Dunkeln wirkt unserer inneren Uhr entgegen - und begünstigt somit Krankheiten. Bildrechte: imago images / photothek

Asthma-Risiko steigt durch Schichtarbeit um ein Drittel

In einem zweiten Schritt analysierten die Forscher die Auswirkungen von Büro- und Schichtarbeit auf die Asthma-Diagnose, die Lungenfunktion und die Asthma-Symptome. Dafür untersuchten sie die Daten der Teilnehmer auf Risikofaktoren und Diagnosen. Das Ergebnis: Unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht sowie anderer potenziell einflussreicher Risikofaktoren stieg die Wahrscheinlichkeit für mäßiges bis schweres Asthma bei Nachtschichtarbeitern um über ein Drittel (36 Prozent) im Vergleich zu Angestellten mit normalen Bürozeiten arbeiten.

Je mehr Nachtschichten, desto höheres Risiko

Zusätzlich stieg das Risiko für Asthma mit der Anzahl der Nachtschichten. Die Forscher analysierten bei rotierenden Nachtschichten ein bis zu 18 Prozent höheres Risiko gegenüber seltenen Nachtschichten. Mitarbeiter mit permanenten Nachtschichten haben sogar ein 20 Prozent höheres Risiko als Angestellte, die nur gelegentlich in Nachtschichten arbeiten.

Kein Einfluss der Gene

Dabei, auch das haben die Wissenschaftler herausgefunden, spielt die genetische Vorbelastung keine Rolle bei der Entwicklung von Asthma durch Schichtarbeit. Weil es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, konnte die Ursache allerdings nicht direkt festgestellt werden. "Es ist jedoch plausibel, dass eine zirkadiane Verlagerung zur Entwicklung von Asthma führt", erklärten sie.

Nachtschichten für ältere Menschen schwieriger

Allerdings sind innere Uhr und der Biorhythmus nicht komplett in Stein gemeißelt. Zwar gibt es eine grundsätzliche genetische Veranlagung zum Frühaufsteher (Lerche) oder Nachtschwärmer (Eule). Doch mit dem Alter kann es zu einer Verschiebung des Biorhythmus kommen. "Interessanterweise verändert sich der Chronotyp mit dem Alter", heißt es in der Studie. "Das erklärt, dass es für ältere Personen schwieriger ist, sich an Nachtschichten anzupassen".

Schichtarbeit an Biorhythmus anpassen

Bislang gibt es keine spezifischen klinischen Richtlinien für die Behandlung von Asthma bei Schichtarbeitern. Die Forscher fordern jedoch, über die Anpassung der Schichtarbeit an den Biorhythmus nachzudenken.

Die Anpassung von Schichtarbeitszeitplänen an den individuellen Chronotyp könnte eine lohnende Maßnahme im Bereich der öffentlichen Gesundheit sein, die es wert ist, weiter untersucht zu werden.

Maidstone R, Turner J, Vetter C, et al | University of Oxford & andere

ChronobiologieDie relativ junge Wissenschaft der Chronobiologie beschäftigt sich mit der Wirkweise der inneren Uhr und des Tag-Nacht-Zyklus. Der wichtigste Zeitgeber für den Biorhythmus ist das Licht. Über Rezeptoren auf unserer Netzhaut wird die Information über die Helligkeit an unser Gehirn weitergegeben.

Diese innere Uhr steuert unter anderem die Körpertemperatur, den Blutdruck und den Stoffwechsel. Sie lässt physiologische und biochemische Prozesse in Zyklen ablaufen und sorgt für die Ausschüttung des Hormons Melatonin – auch als Schlafhormon bekannt. Die Biorhythmen sind genetisch festgelegt. Chronobiologen unterscheiden in Lerchen (Frühaufsteher) und Eulen (Langschläfer).

Für ihre Entdeckung der inneren Uhr von Zellen sowie deren Folgen für molekulare Mechanismen erhielten die Wissenschaftler Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young im Jahr 2017 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift "Thorax" veröffentlicht worden: Maidstone R, Turner J, Vetter C, et al: Night shift work is associated with an increased risk of asthma.

Hilfe und Selbsthilfe bei Asthma
Hilfe und Ansprechpartner sowie Selbsthilfegruppen finden Asthmatiker auf der Webseite: https://asthma-selbsthilfe.org

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