Psychologie Schnelles Antworten macht Sie glaubhafter!

16. Februar 2021, 15:00 Uhr

Wenn wir mit Menschen sprechen, überprüfen wir automatisch, wie aufrichtig unser Gegenüber ist. Aktuelle Forschung zeigt: Dabei spielt es auch eine Rolle, wie schnell die Person auf einfache Fragen antwortet.

Vater und Tochter sitzen an einem Küchentisch. Tochter blickt Vater an, als argumenteire sie, Vater stützt Kinn auf Hand und blickt skeptisch.
Wenn die Kids erstmal den Dreh raus haben, mit dem schnellen Antworten … Bildrechte: imago images/Westend61

Antworten Sie! Egal was, antworten Sie einfach. Zumindest dann, wenn Ihnen daran gelegen ist, dass Ihr Gesagtes für bare Münze gehalten wird. Und wenn Sie ohnehin immer nur die Wahrheit sagen, sollten Sie das Tagträumen unterlassen und stets eine unverzügliche Antwort parat haben. Dann gelten Sie als aufrichtig.

Dass die Schnelligkeit beim Beantworten von Fragen sich maßgeblich auf die Glaubwürdigkeit der Antworten auswirkt, haben jetzt Forschende der American Psychological Association (Amerikanische Gesellschaft für Psychologie, APA) herausgefunden. Das Ding ist: Eigentlich wussten wir das sowieso schon immer. Zumindest scheint es tief in uns verankert zu sein: "Die Aufrichtigkeit anderer Menschen zu überprüfen, ist ein wichtiger Bestandteil unserer sozialen Interaktion", sagt Studienhauptautor Ignazio Ziano von der wirtschaftswissenschaftlichen Hochschule GEM im französischen Grenoble. Und wie schnell Menschen eine Frage beantworten, sei für das Wahrheitsgefühl ganz wesentlich, so der Forscher.

Tausende Proband/-innen in 14 Experimenten

Damit die gefühlte Wahrheit nicht nur eine gefühlte Wahrheit ist, hat das Forschungsteam 7500 Probandinnen und Probanden aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich in 14 verschiedenen Experimenten beobachtet. Das Ausgangsmaterial dabei waren Stellungnahmen zu einfachen Fragen wie "Schmeckt dir der Kuchen?" oder "Hast du mal was auf Arbeit geklaut?". Die Antworten standen als Audio, Video oder Text zur Verfügung – die Verzögerung bis zur Antwort reichte von unverzüglich bis zehn Sekunden.

Zwei Männer – links mit kahl geschorenen Haaren und Drei-Tage-Bart, rechts mit vollem Haar und Bart, beide mit Hemd – stehen sich gegenüber im Büroumfeld. Linker Mann argumentiert, rechter Mann mit verschränkten Händen und skeptischem Blick.
Überzeugungsarbeit im Job? Wer wenig zögert erntet Glaubwürdigkeit. Bildrechte: imago/Westend61

In allen Experimenten wurden Antworten mit Verzögerung konsequent als weniger aufrichtig eingestuft, ganz egal, ob es eine harmlose Kuchen-Frage oder eine nach einem Verbrechen war. In einem Experiment, in dem die Teilnehmenden aufgefordert wurden, die Verzögerung zu ignorieren, reduzierte sich dieser Effekt zwar, war jedoch nicht komplett beseitigt.

Unerwünschte Antworten auch mit Verzögerung glaubhaft

Wenn eine Antwort als gesellschaftlich unerwünscht galt, war der Aufrichtigskeitseffekt weniger stark ausgeprägt. Wenn eine Freundin oder ein Freund fragt, ob man einen Kuchen möge, und man sagt, dass dies nicht der Fall sei, spielt die Antwortzeit keine große Rolle – die Antwort wurde immer als aufrichtig betrachtet. Das gilt auch bei Fragen, die erst einmal Nachdenken erfordern, zum Beispiel, ob man vor etwa zehn Jahren Süßigkeiten gestohlen habe. Auch hier hatte die Antwortzeit eine geringere Auswirkung auf die Glaubhaftigkeit.

Szenario Bewerbungsgespräch an Schreibtisch. Eine Frau, mittig im Bild, frontal zu sehen, sitzt in einem Büro einer Person gegenüber. Person unscharf im Vordergrund, Blick über Schulter von hinten.
Langes Zögern bei einfachen Fragen könnte bei einem Bewerbungsgespräch nicht so gut ankommen. Bildrechte: imago images/Westend61

Die Forschungsergbnisse würden sich auf eine Vielzahl von Lebensbereichen anwenden lassen, so Ignazio Ziano, "von einer Plauderei am Arbeitsplatz bis hin zu einer Zankerei mit Freunden". Aber auch in brisanten Momenten spielten sie eine Rolle, z.B. bei einem Vorstellungsgespräch oder vor Gericht. Beispiel: Für einen Job sind Schwedischkenntnisse wünschenswert. Bei einem Einstellungsgespräch werden die Kandidatinnen Katrin und Marie gefragt, ob sie denn wirklich Schwedisch sprechen können, so wie in den Bewerbungsunterlagen angegeben. Katrin antwortet sofort, Marie zögert drei Sekunden. Katrin würde glaubwürdiger erscheinen und hätte eine bessere Chance auf den Job.

Nicht Lügen muss die Ursache für Verzögerung sein

Vielleicht liegt es aber auch in unserer Verantwortung, dieser Intuition mit Verstand zu begegnen. Nehmen Sie eine Gerichtsverhandlung: Es wäre nicht fair einer angeklagten Person gegenüber, eine Antwortverzögerung automatisch darauf zurückzuführen, dass die Person etwas verheimlichen möchte oder sich eine Antwort zurechtlegt, so Ignazio Ziano. Die Ursache könne schließlich auch eine andere sein, z.B. einfache Ablenkung oder Nachdenklichkeit.

Unterm Strich ist es also förderlich, stets schnelle und präzise Antworten geben zu können. Im Zweifelsfall gilt aber: Lieber ehrlich als hastig. Denn ein bisschen aufrichtig wollen wir ja nicht nur vor anderen, sondern auch vor uns selbst sein.

flo

Link zur Studie

Die Studie Slow Lies: Response Delays Promote Perceptions of Insincerity erschien im Journal of Personality and Social Psychology.

DOI: 10.1037/pspa0000250

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