Verkehrsstudie Geschlechtervergleich im Straßenverkehr: Männer sind gefährlicher als Frauen

14. April 2020, 08:32 Uhr

Wer fährt sicherer Auto, Bus, Lkw, Motorrad, Fahrrad oder Auto? Wer ist also für die anderen Verkehrsteilnehmer weniger gefährlich? Englische Forscher wollten diese ewige Frage beantworten. Dazu haben sie Daten aus zehn Jahren Verkehr ausgewertet. Ergebnis: Männer sind gefährlicher für andere Verkehrsteilnehmer.

Wussten Sie eigentlich, dass es eine Frau war, die dem Automobil in Deutschland zu seinem Siegeszug verhalf? Erst als Bertha Benz 1888 mit der Erfindung ihres Mannes eine Fahrt von Mannheim nach Pforzheim und zurück unternahm, verstummten die Skeptiker. Den Frauen am Steuer half das lange wenig. Bis 1958 durften Frauen in der Bundesrepublik den Führerschein nur erwerben, wenn der Ehemann oder Vater es erlaubten. Für die Fahrerlaubnis in der DDR galt das zwar schon mit Gründung des Staates, also neun Jahre länger. Aber die Vorurteile gegen Frauen am Steuer gab es in Ost wie West.

Wer ist sicherer für die anderen?

Und mindestens so alt wie die Vorurteile ist die Frage: Wer fährt sicherer? Doch wie kann man diese Frage am besten beantworten? Vielleicht indem man sie umdreht: Wer stellt die geringere Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar? Genau diese Frage stellte sich ein Forscherteam um Rachel Aldred von der University of Westminster in London. Und die Antwort lautet: Männer sind im Straßenverkehr für andere fast immer die größere Gefahr – mindestens in Großbritannien.

Denn genau dort, in UK, haben Aldred und ihre drei männlichen Forscherkollegen von der University of Cambridge das Verkehrsgeschehen analysiert. Es ging um die tödlichen Unfälle im Zeitraum von 2005 bis 2015. Die Forscher hatten sich getrennt nach Geschlecht und Fahrzeugart angeschaut, wie viele Tote pro einer Milliarde Kilometer zu beklagen waren. Ein Unfalltoter wurde in der Regel dem Fahrer des anderen beteiligten Fahrzeugs zugerechnet - unabhängig von der Schuldfrage. Und so fassen die Forscher ihre wichtigsten Ergebnisse zusammen:

Männer und LKW sind eine tödliche Kombination

- Pro Fahrzeugkilometer stellen Busse und Lkw das größte Risiko für andere dar, während Fahrräder das niedrigste Risiko darstellen.

- Motorräder stellen für andere ein wesentlich höheres Risiko pro km dar als Autos.

- Das Todesrisiko von Autos oder Lieferwagen pro km ist in ländlichen Gebieten höher.

- Das Risiko ist auf Hauptstraßen im Allgemeinen höher, jedoch nicht bei Lastkraftwagen, was auf eine Verbindung zu höheren Geschwindigkeiten hindeutet.

- Männer stellen für alle Verkehrsmittel außer Bussen ein höheres Risiko pro km dar und sind unter den Nutzern der gefährlichsten Fahrzeuge (Lkw, Bus, Motorrad) überrepräsentiert.

Sind die Zahlen realistisch?

Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft in Berlin hält das Ergebnis der Studie für im Kern richtig. Dass Männer ein aggressiveres und risikoreicheres Verhalten als Frauen zeigen, äußere sich beispielsweise auch in der höheren Zahl der Gewaltdelikte. Allerdings weist die Studie Brockmann zufolge mehrere Schwächen auf: So beziehe sich die Untersuchung nur auf Unfallbeteiligte, nicht auf die Verursacher. Auch seien nur die Verkehrstoten einbezogen worden, nicht die Verletzten. Und schließlich seien die Unfallbeteiligten nicht nach dem Alter unterschieden worden. "Eine 20-jährige Fahranfängerin stellt wahrscheinlich ein größeres Risiko für andere Verkehrsteilnehmer dar als ein 55-jähriger Mann", sagt Brockmann der dpa.

Und was jetzt?

Mehr Gleichberechtigung im Straßenverkehr könnte helfen, die Gefahren im Straßenverkehr zu verringern, so das Forscherteam: "Wir schlagen vor, dass die politischen Entscheidungsträger Maßnahmen zur Verbesserung des Gleichgewichts zwischen den Geschlechtern in Berufen in Betracht ziehen, in denen das Fahren im Wesentlichen eine Rolle spielt, da die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass andere Verkehrsteilnehmer getötet werden, wenn Männer statt Frauen fahren."

Daten und Link

Für die Studie nutzen Aldred und ihre Kollegen vier offizielle Datensätze für England für den Zeitraum von 2005 bis 2015: Polizeistatistiken; Straßenverkehrsstatistiken; Daten des National Travel Survey (erfasst das persönliche Reiseverhalten) und Daten der nationalen Statistik-Behörde. Veröffentlicht wurde die Studie unter dem Titel "How does mode of travel affect risks posed to other road users? An analysis of English road fatality data, incorporating gender and road type" im Journal Injury Prevention.

gp

Für alle, die bis zu Ende gelesen haben, ein Bonustrack. Der Blick zurück auf das Frauenbild der 1970er. Thema: Autofahren:

1 Kommentar

Demokrat am 08.04.2020

Mehr Frauen am Steuer und mehr Gleichberechtigung bringen in jedem Fall mehr Sicherheit. Als Busfahrer sind Frauen mittlerweile selbstverständlich geworden und haben dadurch Veränderung auch bei den männlichen Busfahrern und insgesamt bewirkt. Etwa mehr Verantwortung für andere anstelle Imponiergehabe usw.
Zu oft werden leider immer noch überkommene Geschlechterbilder vermittelt, dass etwa nur der Mann fährt und die Frau ausschließlich Beifahrerin ist. Allerdings setzt sich auch hier die Gleichberechtigung immer mehr durch, was die Sicherheit definitiv erhöht. „Sie fährt“ sollte mehr Beachtung finden – wo bleibt eine deutsche Untersuchung? Eine Besonderheit hierzulande ist auch die (männliche) Autobahnraserei.
Das ganze ist ja keine akademische Geschlechterdiskussion, sondern brutaler Blutzoll im Straßenverkehr, der auch den Geschlechteraspekt umfasst! „Null Tote“ muss Vision und Ziel sein – getötete Kinder, Jugendliche, Elternteile sollte eine Gesellschaft nicht mehr zulassen!