Hundertjährige Frau im Dorf Vilcabamba im Tal der Hundertjährigen, Ecuador, Südamerika.
Diese hundertjährige Frau lebt im Dorf Vilcabamba. Das liegt im sogenannten Tal der Hundertjährigen in Ecuador. Dass die Menschen dort wirklich länger leben, ist allerdings nicht bewiesen. Bildrechte: imago/blickwinkel

Uni Regensburg Perimortale Wissenschaft: Neuer Studiengang "Sterben"

29. Oktober 2019, 07:33 Uhr

Kann man wissenschaftlich verstehen und erforschen, was passiert, wenn ein Mensch stirbt, Gefühle und Empfindungen während des Sterbens in Worte übersetzen? Die Universität Regensburg will es versuchen und bietet ab 2020 den Masterstudiengang "Perimortale Wissenschaft" an. Perimortal heißt - im Zeitraum um den Tod herum. Der Studiengang soll Menschen beibringen, professionell mit dem Tod umzugehen.

Das Leben beginnt laut und mit viel Energie. Es wird bejubelt, bestaunt, geliebt. Am Ende eines jeden Lebens kommt es dann ganz anders. Da wartet der Tod. Den allerdings will niemand haben, er soll schnell wieder gehen. Wir fürchten uns vor ihm - vor dem Ende - und wissen doch so gut wie gar nichts darüber. Wie ist es zu sterben? Wie fühlt es sich an? Das ist ein großes Mysterium - niemand kann uns mehr darüber berichten.

Frauen sind vielleicht die talentierteren Sterbenden

"Geburt und Tod haben bei aller Unterschiedlichkeit auch Gemeinsamkeiten", erklärt Professor Rupert Scheule. Er unterrichtet "Moraltheologie" an der Universität in Regensburg und arbeitet als Seelsorger. Ab 2020 wird er den Masterstudiengang Perimortale Wissenschaft leiten. Frauen seien vielleicht die talentierteren Sterbenden. Als Vater von fünf Kindern sei ihm aufgefallen wie tief sich Frauen bei der Geburt in "das biologische Geschehen" hineinbegeben müssen. Diese Zumutung, diese auch schmerzhafte innige Verbindung zu ihrem Körper müssten sie "irgendwie meistern". Beim Tod gebe es eine ähnlich intensive körperliche Erfahrung.

Für Scheule ist die Beschäftigung mit dem Tod "ein spannendes Fach".  "Der Tod ist ein Geheimnis, in vielerlei Hinsicht", erklärt er MDR WISSEN.

Er kündigt sich zwar an, aber kommt wann er will. Meistens zu früh, und manchmal sogar zu  spät.

Prof. Rupert Scheule, Uni Regensburg

Nicht nur das Sterben, auch der Tod ist ein Prozess

Und dann? Was dann passiert hat viele Gesichter. Das des Glaubens und das der Wissenschaft. "Wir bekommen von unseren Medizin-Kollegen oft gesagt, dass nicht nur das Sterben, sondern auch der Tod ein Prozess ist", erzählt der Theologe Scheule. "Wir sterben in Etappen." Ein Beispiel sei das Gehör. Selbst wenn wir von außen die Anmutung verbreiten, gestorben zu sein, könnten wir immer noch hören. Nicht zuletzt sei auch unser Hirn nicht sofort tot, wenn die Atmung aufgehört hat. Es sei die Aufgabe der Seelsorger und Seelsorgerinnen, sich hier näher mit dem Ende des Lebens zu beschäftigen und für die Menschen da zu sein.

Unwissenheit schafft Angst

Rubert Scheule will es ihnen erklären. Nicht, um es besser zu wissen, sondern um zu helfen. Denn er stellt immer wieder fest: Der Tod ist ein unangenehmes und schmerzhaftes Thema. Nur die Wenigsten können offen darüber reden und damit umgehen. Doch Unwissenheit schafft Angst. Der neue Studiengang soll deshalb auch Wissen vermitteln, juristische Fragen klären und in die Geschichten schauen. Wie gehen andere Kulturen mit dem Tod um, wie taten sie es vor 1.000 Jahren? Bis zu 50 Bachelor-Absolventen kann er aufnehmen, aus sozialen Bereichen, aber auch Naturwissenschaftler und Mediziner jeden Alters.

Eine junge Hand hält eine alte Hand
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Mediziner suchen Haltung zwischen Emotionen und Kälte

Oft suchen Mediziner Hilfe bei Rupert Scheule. Sie sind in den Krankenhäusern täglich mit dem Ende des Lebens konfrontiert und fragen händeringend: "Wie kann ich lebendig bleiben und anteilnehmend bleiben, wenn mich so häufig der Tod umgibt. Helft mir doch mal dieses Phänomen einordnen zu können, eine Haltung zu entwickeln, die nicht Kälte ist, aber auch nicht hysterisches Zerfließen."

Rupert Scheule ist fest überzeugt: Theologen haben den Mut Fragen zu stellen und die Antworten auszuhalten. Was  passiert beim Sterben, was kommt danach? Zu Letzterem hat Scheule als Theologe eine unschlagbar gute Antwort. "Wir christliche Theologen glauben an die Entmachtungsmöglichkeit des Todes. Wir glauben, dass unser Leben am Ende doch zu groß ist, um in einer Urne oder einem Sarg zu enden."

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