99,999 Prozent Eineiige Zwillinge fast gleich - aber nur fast

23. Juni 2018, 09:00 Uhr

Beim Zwillingstreffen in Wittenberg wird Gleichheit zelebriert, bis in die letzte Zelle. Eineiige Zwillinge sehen gleich aus, sie haben die gleichen Gene, die gleiche Blutgruppe. Aber einiges unterscheidet sie doch. Und genau das ist für Wissenschaftler hoch interessant.

Eineiige Zwillinge sind aus einem Ei und einer Samenzelle entstanden. Anders ist es bei zweieiigen Zwillingen. In dem Fall wurden zwei Eier von zwei Spermien befruchtet. Für Forscher interessant sind eineiige Zwillinge. Denn von ihnen lernen sie, welche Rolle Gene und äußere Einflüsse bei der Entwicklung eines Menschen spielen.

Gene wichtiger als Erziehung

"Also wenn man eineiige Zwillingspaare trennen würde nach der Geburt, sodass sie unterschiedlich aufwachsen und sie nach Jahren untersuchen würde, würde man feststellen, dass sie hinsichtlich ihres Gesundheitsstatus und ihrer Entwicklung gleich und identisch sind", sagt der Humangenetiker Professor Johannes Lemke. Der Leipziger Wissenschaftler ist überzeugt, Gene spielen eine größere Rolle als die Erziehung. Und die Zwillingsforschung gibt ihm recht: "Man würde dann nicht zum Choleriker werden, wenn man ansonsten ein ganz ausgeglichenen Charakter gehabt hätte."

Um auf Nummer sicher zu gehen, begleiten die Forscher auch zweieiige Zwillinge beim Aufwachsen. Dort erkennen sie, welche Rolle die Erziehung spielt. Das sind dann die Eigenschaften, die bei den zweieiigen Zwillingen gleich sind.

Zwillinge zu über 99,999 Prozent identisch

Letztlich ist Zwillingsforschung jahrelanges Beobachten, Listen ausfüllen, Daten abgleichen. Das gilt sowohl für Psychologen als auch für Genetiker. Letztere allerdings zählen Basenpaare und vergleichen die DNA. Dazu Lemke: "Letztendlich sind solche eineiigen Zwillinge hinsichtlich der drei Milliarden Basenpaare, die ein Mensch hat, in über 99,999 Prozent identisch. Die sind sogar so sehr identisch, dass, wenn ein Zwilling eine Straftat begeht und man am Tatort den genetischen Fingerabdruck des Zwillings nachweisen kann, es für die Polizei trotzdem schwierig wird, zu beweisen, ob es Zwilling A oder Zwilling B war."

Große Chance für Humangenetiker

Was für die Polizei ein Problem ist, ist für Humangenetiker eine große Chance. Sie vergleichen die DNA von Zwilling A und Zwilling B und sehen: Auch eineiige Zwillingspaare unterscheiden sich. "Sie sind nur zu 99,999 Prozent gleich und jeder von uns hat in seinem Erbgut neue Veränderungen", sagt Lemke.

Sehr selten betrifft eine der Veränderungen ein Gen, das eine Krankheit auslöst. Dann wird es für die Forscher besonders interessant, denn sie haben ein komplettes Double zum Vergleich. Welche Symptome gehören tatsächlich zu dem Gendefekt und welche haben andere Ursachen? Das zeigt der gesunde Zwilling.

Letztlich haben sich Mediziner schon immer für eineiige Zwillinge interessiert. Erst waren sie ein Rätsel der Natur, heute sind sie eine Offenbarung. Psychologen stellen mittlerweile fest, dass sich der Einfluss der Gene im Alter vestärkt. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 24. Juni 2018 | 06:52 Uhr