Schwimmender Plastikmüll im Meer.
Unmengen Plastikmüll verschmutzen unsere Ozeane. Bildrechte: Shutterstock/NUI Galway

Plastikmüll im Meer Bakterien verspeisen und verdauen Plastik im Meer

24. Januar 2023, 09:51 Uhr

Seit den 1950er-Jahren landet Plastikmüll in Größenordnung in unseren Weltmeeren. Und da es Jahrhunderte dauern kann, bis größere Plastikteile sich zersetzen, müsste viel mehr Plastik im Meer schwimmen als es der Fall ist. Die Forschung spricht deshalb vom "Missing Plastic Paradox". Ein Forschungsteam aus den Niederlanden hat jetzt nachgewiesen, dass ein Bakterium einen Teil davon verspeist und verdaut haben dürfte. Doch noch mehr Stoffe in der Natur, können Plastik vernichten.

Wo ist nur all das Plastik hin? Bei den Bildern von vermüllten Stränden oder von Einkaufstüten und PET-Flaschen, die im Wasser schwimmen, mag man es kaum glauben, aber da müsste noch viel viel mehr Plastikmüll in den Weltmeeren gelandet sein – also theoretisch. Denn schon seit etwa der Mitte des vergangenen Jahrhunderts landet Plastikmüll im Meer. Forschende aus den Niederlanden haben sich deshalb auf die Suche nach dem "vermissten" Plastik begeben und eine mögliche Antwort gefunden: Das UV-Licht der Sonne hat den Müll offenbar in winzige Teilchen aufgespalten und die wiederum sind von Bakterien verspeist worden.

Rhodococcus ruber verspeist Plastikmüll

In einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung des Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ) konnte bereits gezeigt werden, dass das Sonnenlicht das Plastik, das auf der Meeresoberfläche schwimmt, abbaut. Dabei werden kleine Teilchen, die im Wasser schwimmen – sogenanntes Mikroplastik – in noch viel kleinere unsichtbare Nanoplastikpartikel sowie in Verbindungen zerlegt, die dann von Bakterien vollständig abgebaut werden können.

Mikroskop-Aufnahme verschieden geformter Partikel in unterschiedlichen Farben.
Mikroplastikpartikel von etwa zwei Millimeter Größe. Bildrechte: Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ)

Bei diesen Bakterien handelt es sich um Rhodococcus ruber. Diese Bakterien kommen ganz natürlich im Meerwasser vor. Und sie sind hungrig auf Plastik: Das konnte die NIOZ-Forscherin Maaike Goudriaan im Labor nachweisen. Mithilfe eines Modells mit künstlichem Meerwasser berechnete sie, dass die Bakterien etwa ein Prozent des Plastiks zu CO2 und anderen, harmlosen Stoffen abbauen können, heißt es in der Studie.

Jetzt haben wir wirklich gezeigt, dass die Bakterien das Plastik tatsächlich verdauen.

Maaike Goudriaan, Royal Netherlands Institute for Sea Research

Das Forschungsergebnis sei ein "Proof of principle", erläutert Goudriaan. "Dies ist das erste Mal, dass wir auf diese Weise bewiesen haben, dass Bakterien Kunststoff tatsächlich zu CO2 und anderen Molekülen verdauen", sagt die Forscherin. Denn das Rhodococcus ruber sich als Biofilm auf Plastik ansiedelt und die Teilchen dann verschwinden, sei bekannt gewesen, aber das sei nun der Beweis, dass sie das Plastik verdauten.

Keine Lösung für Plastikmüll-Problem im Meer

Womöglich fressen die Bakterien sogar mehr Plastik als das eine Prozent, das die Forscherin berechnet hat: "Das ist wahrscheinlich eine Unterschätzung", sagt Goudriaan. Grund dafür sei der spezielle Laboraufbau, der nur eine Messung im Abbauprodukt CO2 ermöglicht habe. Allerdings, so betont die Forscherin, bedeuten die Forschungsergebnisse nicht, dass die Bakterien die Lösung für das Plastikproblem in den Ozeanen sind. "Es ist aber ein weiterer Teil der Antwort auf die Frage, wo all das 'fehlende Plastik' in den Ozeanen geblieben ist", so die Forscherin. Rhodococcus ruber sei da ein weiteres Puzzleteil. Gegen das Plastikmüll-Problem im Meer sei dagegen Vorsorge besser als Aufräumen, sagt die Forscherin. "Und das können nur wir Menschen".

Eine Frau im weißen Laborkittel schaut auf ein großes durchsichtiges Gefäß gefüllt mit Wasser und Plastik, das ein Mann in den Händen hält.
Maaike Goudriaan und Forschungsleiter Helge Niemann im Labor. Bildrechte: Royal Netherlands Institute for Sea Research (NIOZ)

Und schließlich müssen die Bakterien in "freier Wildbahn" auch noch so hungrig auf Plastik sein wie im Labor. Ob das tatsächlich so ist, müssen nun weitere Forschungsarbeiten zeigen, so Goudriaan. Sie hat bereits einige Pilotversuche mit echtem Meerwasser und einigen Sedimenten aus dem Wattenmeer durchgeführt. Und die Ergebnisse sind vielversprechend: "Die ersten Ergebnisse dieser Experimente deuten darauf hin, dass Plastik sogar in der Natur abgebaut wird", bilanziert die Forscherin.

Plastik-hungrige Bakterien im Wasser und an Land

Tatsächlich ist das Bakterium, das die Niederländerin untersucht hat, nicht das einzige Wasser-Bakterium, das Plastik abbauen kann. Auch in Seen ist das schon beobachtet worden: Eine Studie aus Großbritannien, die in der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist, zeigte etwa, dass sich in 29 skandinavischen Seen natürlich vorkommende Seebakterien von Kohlenstoffverbindungen aus Kunststoffen ernähren können.

Doch auch im Trockenen an Land gibt es Bakterienstämme, die Plastik verspeisen. So fanden etwa Forschende vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit dem Bakterium Pseudomonas sp. TDA1 einen Abbauer für Polyurethan. Die Bakterien seien ganz wild auf bunte Haushaltsschwämme, berichten sie. Tatsächlich ist der Kunststoff Polyurethan schwierig zu entsorgen, sodass die hungrigen Bakterien auch hier ein Hoffnungsträger sind.

Auch Enzyme zersetzen Plastik

Doch nicht nur Mikroorganismen wie die Bakterien können Plastik zersetzen, auch einige Enzyme haben sich bereits als wahre Talente in dieser Disziplin präsentiert. An der Universität Leipzig etwa haben Forschende erst im vergangenen Jahr ein Enzym entdeckt, das den Kunststoff PET in Rekordzeit abbauen kann. Mit dem Enzym PHL7, das das Forschungsteam auf einem Leipziger Komposthaufen fand, könnte biologisches PET-Recycling viel schneller als bislang angenommen möglich werden.

Womöglich könnten künftig noch mehr natürlich vorkommende Enzyme identifiziert werden, die Plastik abbauen können. Sogar im Speichel von Wachsmotten und sogar von Menschen sind solche Enzyme schon entdeckt worden.

Link zur Studie

Goudriaan, Maaike et. al.: A stable isotope assay with 13C-labeled polyethylene to investigate plastic mineralization mediated by Rhodococcus ruber. In: Marine Pollution Bulletin, Volume 186, January 2023. https://doi.org/10.1016/j.marpolbul.2022.114369.

(kie)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. Januar 2023 | 09:50 Uhr

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