Das deutsche Forschungsschiff SONNE auf offenem Meer mit zahlreichen Aufbauten und Kränen für wissenschaftliche Großgeräte.
Bildrechte: M. Hartig / Meyer Werft

Forschungsschiff "Sonne" Tiefsee-Expedition zeigt: Meeresgrund ist Endlager für Mikroplastik

13. Juli 2022, 13:04 Uhr

Das deutsche Forschungsschiff Sonne war 2016 auf Expedition und sammelte unter anderem Sedimente aus 10.000 Meter Tiefe. Die sind nun untersucht und das Forschungsteam sagt: Sogar am tiefsten Meeresgrund ist überall Mikroplastik.

Selbst am tiefsten Meeresgrund lagert jede Menge Mikroplastik. Das meldet eine Forschungsgruppe des Senckenberg-Instituts, der Goethe-Universität Frankfurt und des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung am Alfred Wegener-Instituts (AWI). Bei einer Expedition des Forschungsschiffes Sonne waren 2016 insgesamt 13 Sedimentproben aus knapp 10.000 Meter Tiefe des westpazifischen Kurilen-Kamtschatka-Grabens geholt worden. Sie sind jetzt untersucht und ausgewertet worden. Ergebnis: Jede Probe enthielt zwischen 215 und 1.596 Plastik-Kleinstpartikel pro Kilogramm. Das ist mehr als je zuvor nachgewiesen wurde. Das gefährdet die hohe Biodiversität am tiefsten Meeresgrund, warnen die Meeresbiologin Serena Abel und Prof. Dr. Angelika Brandt, Expertin für antarktische Tiefsee-Biodiversität.

Tonnenweise Plastikmüll im Meer

Mikroplastik in den Sedimenten der Tiefsee
In jeder einzelnen Probe aus der Tiefsee fanden sich solche Mikroplastik-Teilchen Bildrechte: AWI

Die winzig kleinen Mikroplastik-Teilchen wurden mit Hilfe der Micro-FTIR-Methode, einer speziellen Variante eines Spektrometers, aufgespürt. Gefunden wurden vor allem Polypropylen, einer der weltweit für Verpackungen verwendeten Standardkunststoffe, sowie die für Lacke genutzten Acrylate und Polyurethan. Forscherin Angelika Brandt warnt: "Jedes Jahr gelangen schätzungsweise 2,4 bis vier Millionen Tonnen Plastik über die Flüsse ins Meer, als Folge des extremen weltweiten Plastikkonsums und der schlecht organisierten Müllentsorgung. Ein beträchtlicher Teil davon sinkt zum Meeresboden und sammelt sich im Sediment an, oder wird durch Strömungen bis in die tiefsten Regionen weitertransportiert, wo es sich ablagert." Das mache die Tiefsee zum Endlager des Plastikmülls, sagt die Forscherin.

Am tiefsten Meeresgrund ist mehr Bewegung als gedacht

Lebewesen in der Tiefsee
Die Biodiversität in den Tiefen der Meere ist überraschend vielfältig. Bildrechte: Nils Brenke, Senckenberg

Was die Forschungsgruppe verblüffte: "Bislang galt der tiefste Meeresgrund als vergleichsweise unbeeinflusste und stabile Umgebung, in der sich Mikroplastik ablagert und an einem Ort verbleibt", sagt Forscherin Abel. "Aber auch Proben, die nur wenige Meter voneinander entfernt entnommen wurden, waren ganz unterschiedlich aufgebaut." Das sei ein Hinweis darauf, was für eine dynamische Umgebung die tiefsten Bereiche der Tiefsee tatsächlich seien. Nicht nur spezielle Strömungen und Wirbel, sondern auch die hier heimischen Organismen hielten das Sediment in Bewegung.

Mikroplastik auch in menschlichem Lebergewebe

Dass Plastikmüll offenbar wirklich überall vorkommt, unterstreicht zeitgleich eine Studie aus Hamburg, die nun auch Mikroplastik im Lebergewebe von Leberzirrhose-Patenten nachgewiesen hat. Bekannt war das auch schon für menschlichen Stuhl und die menschliche Plazenta. Aber auch außerhalb des menschlichen Körpers sammelt sich Mikroplastik in verblüffendsten Umgebungen ab, egal ob in Spinnennetzen, in entlegenen Bergregionen oder in Talsperren.

Links/Studien

Die Studie zu Leberzirrhose-Patienten lesen Sie hier. Die Studie der Meeresforscherinnen lesen Sie hier.

(lfw)

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