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Durchschnittlich 5,2 Tonnen muss der T.rex gewogen haben. Bildrechte: IMAGO / agefotostock

PaläontologieT.rex: Milliarden Dinosaurier lebten in Nordamerika

30. September 2024, 15:52 Uhr

Der Tyrannosaurus rex - kurz T.rex - ist wohl spätestens seit den Filmerfolgen der Jurassic Park-Serie einer der bekanntesten Dinosaurier. Ein T.rex-Skelett ist ein echter Publikumsmagnet in den Museen. Und obwohl wir wissen, dass der riesige Räuber in der Kreidezeit im Gebiet des heutigen Nordamerika gelebt haben muss, blieb eine Frage bisher offen: Wie viele Tyrannosaurus rex hat es gegeben? Jetzt gibt es erstmals eine Antwort: Es waren wohl sogar mehrere Milliarden Exemplare.

Wie viele Tyrannosaurus rex durchstreiften in der Kreidezeit Nordamerika? Diese Frage hat Charles Marshall einfach nicht losgelassen. Über Jahre belästigte der Professor für Paläontologie und Direktor des Paläontologischen Museums der University of California in Berkeley alle seine Kolleginnen und Kollegen regelrecht mit dieser Frage. Und nun beweist Marshall: Wenn man etwas wirklich wissen will, findet man auch einen Weg, es herauszufinden – in diesem Fall zumindest so ungefähr.

Vom Knochen zur Idee

Unter Paläontologen gab es bisher den Konsens, dass die Populationszahlen für so lange ausgestorbene Arten sich womöglich gar nicht mehr bestimmen lassen. Und Marshall war selbst überrascht, dass so eine Berechnung überhaupt gelungen ist. Auf die entscheidende Idee hat ihn der T.rex selbst gebracht, sagt der Berkeley-Professor.

Wenn ich ein Fossil in der Hand halte, wundere ich mich darüber, wie unwahrscheinlich das eigentlich ist, dass dieses Tier vor Millionen von Jahren am Leben war, und hier halte ich nun einen Teil seines Skeletts in den Händen.

Prof. Charles R. Marshall, University of California Berkeley

Diese Frage habe sich einfach in seinem Kopf festgesetzt. Denn es ist ja auch sehr unwahrscheinlich, dass solche Knochen über Millionen von Jahren erhalten bleiben und dann ausgerechnet den Weg in die Hände des Wissenschaftlers finden. Und dann kam ihm die Idee: Wie unwahrscheinlich ist das denn tatsächlich? Ist es eins zu tausend, eins zu einer Million, eins zu einer Milliarde?

Und dann wurde mir klar, dass wir vielleicht tatsächlich abschätzen können, wie viele gelebt haben, und dass ich diese Frage beantworten kann.

Prof. Charles R. Marshall, University of California Berkeley

Es müssen Milliarden gewesen sein

Mit seinem Forschungsteam hat Marshall sich also hingesetzt und einen Algorithmus entwickelt, der ihnen errechnet hat, wie viele T.rex es gegeben haben müsste. Die Analyse ergab eine unglaubliche Anzahl: 2,5 Milliarden Dinosaurier müssten es im Laufe des Zeitalters der Dinosaurier gewesen sein.

Eine Replik eines T-Rex-Skeletts, die vor dem UC Museum of Paleontology an der University of California in Berkeley ausgestellt ist. Bildrechte: Keegan Houser, UC Berkeley

Die lebten also nicht gleichzeitig. Eine Generation der Dinosaurier hat demnach etwa 20.000 T.rex umfasst, die wahrscheinlich zur gleichen Zeit lebten – möglicherweise plus minus den Faktor zehn. Das ist in etwa auch das, was andere Fachleute vermuten. Dass das im Laufe der zweieinhalb Millionen Jahre, in denen es diese Dinosaurier auf der Erde gegeben hat, aber insgesamt 2,5 Milliarden der Dinosaurier gewesen sein müssten, könne er noch gar nicht richtig begreifen, sagt der Forscher. Die Analyse des Teams sind in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht worden.

Allerdings weisen die Forschenden darauf hin, dass das Schätzungen sind und es deshalb größere Abweichungen geben kann. Die Zahl von 20.000 Donosauriern sei die, die am wahrscheinlichsten ist, doch die Spanne, bei der eine 95-prozentige Wahrscheinlichkeit besteht, dass das die tatsächliche Anzahl gewesen ist, liege zwischen 1.300 und 328.000 Dinosauriern. Somit könnte auch die Gesamtzahl zwischen 140 Millionen und 42 Milliarden T.rex liegen.

Das große Rätsel um die Populationsdichte

Es ist eben nach wie vor schwierig, quantitative Schätzungen anhand von Fossilien vorzunehmen, erläutert Marshall. Deshalb hätten sie sich vor allem darauf konzentriert, möglichst gute Werte für die Variablen zu finden, die das Forschungsteam für die Berechnung genutzt hat.

Bei vielen T-Rex-Eigenschaften mussten die Forscher eher schätzen. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Die größte Unsicherheit in diesen Zahlen, sagte Marshall, dreht sich um Fragen nach der genauen Natur des Dinosauriers – zum Beispiel also um die Frage, wie warmblütig der T.rex war. Außerdem kannte das Forschungsteam ja gar nicht die Populationsdichte der Dinosaurier: Wie viele haben auf welcher Fläche gelebt? Um das zu bestimmen, stützten sie sich auf das sogenannte Damuth-Gesetz: Das setzt die Körpermasse lebender Tiere mit ihrer Populationsdichte in Beziehung. Aber so ganz genau sei das eben auch nicht, meint Marshall. Zum Beispiel seien der Jaguar und die Hyäne ähnlich groß, aber Hyänen kommen in ihrem Lebensraum mit einer 50 mal höheren Populationsdichte vor als der Jaguar in seinem Lebensraum.

Überraschenderweise basieren die Ungenauigkeiten in unseren Schätzungen eher auf diesen ökologischen Unterschieden und nicht auf den von uns verwendeten paläontologischen Daten.

Prof. Charles R. Marshall, University of California Berkeley

Und dann mussten sie ja den T.rex für die Berechnung auch klassifizieren: Sie haben ihn als Raubtier behandelt, das einen Energiebedarf hat irgendwo zwischen dem eines Löwen und dem eines Komodowarans – also der größten Echse der Welt. Außerdem haben sie die T.rex-Jungen ignoriert, da die zum einen im Fossilienbestand unterrepräsentiert seien und womöglich ohnehin getrennt von den erwachsenen Dinosauriern mit einer ganz eigenen Beute gelebt haben. Ein erwachsener T.rex hat einen erheblich stärkeren Kiefer gehabt, mit dem er auch Knochen zermalmen konnte. Jung und alt waren also wie zwei verschiedene Raubtierarten.

Was die Fossilien verraten

Präzisere Informationen lieferten dem Forschungsteam dagegen die Fossilien. Das Team sammelten alle Daten aus der wissenschaftlichen Literatur und von Fachkollegen und -kolleginnen. Daraus leiteten sie ab, dass ein T.rex wahrscheinlich mit 15,5 Jahren geschlechtsreif war und damit ausgewachsen. Er konnte etwa bis zu 30 Jahre alt werden. Nach dem letzten Wachstumsschub um die Geschlechtsreife herum wogen die Dinosaurier durchschnittlich 5,2 Tonnen – konnten aber auch bis zu 7 Tonnen wiegen.

Die Jurassic Park-Filme haben den T-Rex bekannt gemacht. Bildrechte: Universal Pictures

Aus diesen Daten errechnete das Forschungsteam, dass eine Generation etwa 19 Jahren entspricht und die durchschnittliche Populationsdichte etwa einen Dinosaurier pro 100 Quadratkilometer betrug – rein rechnerisch natürlich. Da die gesamte geografische Reichweite des T.rex bei etwa 2,3 Millionen Quadratkilometern gelegen haben müsste und die Art ungefähr zweieinhalb Millionen Jahre überlebte, ergab sich die Populationsgröße von rund 20.000 Dinosauriern. Über insgesamt rund 127.000 Generationen, in denen die Art lebte, entspricht dies insgesamt etwa den 2,5 Milliarden Individuen.

Bei so einer riesigen Anzahl stellt sich natürlich eine große Frage: Wo sind all die Knochen hin? Wie viele von denen, die es irgendwo geben müsste, haben die Menschen schon gefunden? Tatsächlich sind es weniger als 100 T.rex-Individuen, von denen mindestens ein einziger versteinerter Knochen vorliegt, sagt Marshall.

In öffentlichen Museen gibt es heute etwa 32 relativ gut erhaltene, erwachsene T.rexe. Das bedeutet, dass wir bezogen auf alle erwachsenen Exemplare, die jemals gelebt haben, ungefähr einen von 80 Millionen haben.

Prof. Charles R. Marshall, University of California Berkeley

Eine paläontologische Übung

Berkeley-Professor Marshall hat sich nach dieser Analyse schon darauf eingestellt, dass da viel Widerspruch aus der wissenschaftlichen Gemeinschaft kommen wird. Da wird wahrscheinlich über viele, wenn nicht gar über die meisten Zahlen herzlich gestritten werden, sagt er. Aber er glaubt eben auch, dass dieser neue Berechnungsrahmen für die Schätzung ausgestorbener Populationen Bestand haben könnte und auch künftig nützlich sein werde, um Populationen anderer versteinerter Kreaturen abzuschätzen.

Das war gewissermaßen eine paläontologische Übung dazu, wie viel wir wissen können und wie wir zu diesem Wissen kommen können.

Prof. Charles R. Marshall, University of California Berkeley

Das Forschungsteam stellt den Programmiercode seines Algorithmus künftig anderen Forschenden zur Verfügung. Denn die Hoffnung ist: Damit könnte man künftig unter anderem auch abschätzen, was Paläontologen beim Ausgraben von Fossilien möglicherweise übersehen haben, sagte Marshall. Mit diesen Zahlen könne man abschätzen, wie viele kurzlebige, geografisch spezialisierte Arten im Fossilienbestand noch fehlen könnten. "Dies könnte ein Weg sein, um zu quantifizieren, was wir nicht wissen."

(kie)

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