Satellitenbild der Barentssee
Die Ozeane gelten als riesige CO2-Senke, denn dort ist enorm viel Kohlendioxid gebunden. Doch werden die Meere wärmer, können sie auch zum CO2-Emittenten werden. Bildrechte: IMAGO / Photo12

Ozeane - von der Kohlenstoffsenke zur Kohlenstoffschleuder

02. Juni 2023, 08:22 Uhr

Forschende aus den USA haben simuliert, wie die Erwärmung der Ozeane die Ernährungsgewohnheiten von mixotrophen Mikroben beeinflusst. Organismen wie Meeresplankton nehmen bei einer Erwärmung kein CO2 mehr auf, weil sie von Photosynthese hin zu einem anderen Ernährungssystem umstellen, bei dem sie CO2 freisetzen. Die Erderwärmung kann also Prozesse in Gang setzten, die den Klimawandel noch stärker vorantreibt.

Mixothrophische Mikroben sind Organismen, die in der Lage sind ihre Energie entweder durch Photosynthese (unter Aufnahme von CO2) oder durch eine Nahrungsaufnahme (verbunden mit der Abgabe von CO2) zu erzeugen. Zu diesen Organismen zählt auch der Großteil des Meeresplanktons.

Forschende der Duke University und der University of California Santa Barbara haben nun untersucht, welchen Einfluss die Umgebungstemperatur, also die Erwärmung der Meere, auf die "Ernährungsgewohnheiten" der Mikroben haben. Dafür führten sie Computersimulationen mit einer Temperaturspanne von 4 Grad durch, die von 19 bis 23 Grad Celsius reichten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die mixotrophen Mikroben bei wärmeren Temperaturen von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffemittenten verwandeln. Kurz: Statt CO2 zu speichern, könnte das Plankton enorme Mengen freisetzen.

Kohlenstoffspeicher Ozean

Die Meere sind gigantische CO2-Speicher. Die sogenannte marine Kohlenstoffpumpe sorgt dafür, dass Kohlendioxid in die Tiefen des Ozeans befördert wird. Das funktioniert über ein physikalisches Prinzip, bei dem sich CO2 im Oberflächenwasser löst und über Strömungen und Wasserumwälzungen in die tiefen Meeresschichten gelangt und dort gespeichert wird. Aber auch biologische Prozesse tragen ihren Teil dazu bei. Winzige Organismen an der Wasseroberfläche nehmen CO2 auf. Dazu zählen auch mixotrophe Mikroben. Doch die Bedingungen im Ökosystem haben Einfluss darauf in welchem Maße die Organismen auf die Photosynthese als Energielieferant zurückgreifen.

Umgebungstemperatur beeinflusst Ernährungssystem

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Mikroben bei kühleren Temperaturen ihre Energie hauptsächlich aus der Photosynthese beziehen, was dazu führt, dass sie CO2 aufnehmen. Bei mittleren Temperaturen gibt es gemischte Strategien: 1) Die Mikroben können weiterhin Kohlenstoff senken sein; 2) sie können zwischen Photosynthese und Nahrungsaufnahme wechseln, also wechselnd CO2-Senken aber auch Emittenten sein und 3) sie beziehen ihre Energie hauptsächlich über die Nahrungsaufnahme und geben somit CO2 ab. Bei hohen Temperaturen hingegen findet keine Photosynthese mehr statt und die Mikroben beziehen ihre Energie nur noch über ihre Beute, nehmen also auch kein CO2 mehr auf.

Mikroben mit Schalter-Funktion

Das heißt, weil die Mikroben nun mal beides können, also sowohl CO2 aufnehmen, als es auch abgeben, sind sie wie ein Schalter, der entweder zur Verringerung oder zur Verschlimmerung des Klimawandels beitragen kann.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass mixotrophe Mikroben bei den Reaktionen der Ökosysteme auf den Klimawandel eine viel wichtigere Rolle spielen als bisher angenommen. Indem sie mikrobielle Gemeinschaften als Reaktion auf die Erwärmung in Netto-Kohlendioxidquellen umwandeln, könnten mixotrophe Mikroben die Erwärmung weiter beschleunigen, indem sie eine positive Rückkopplungsschleife zwischen der Biosphäre und der Atmosphäre schaffen", sagt Dr. Daniel Wieczynski von der Duke University und Hauptautor der Studie.

Von Superhelden, Bösewichten und mikrobiellen Frühwarnsystemen

Das heißt also vereinfacht gesagt: Wenn das Plankton im Meer uns weiterhin dabei helfen soll, CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, sollten wir es tunlichst vermeiden, dass sich die Meere weiter erwärmen. Denn sonst, wird es vom Superhelden zum Bösewicht, gibt mehr CO2 an die Atmosphäre ab und begünstig somit wiederum die weitere Erderwärmung. Ein Teufelskreis also.

Interessant ist auch, dass die Forschenden herausgefunden haben, dass man die Mikrobengemeinschaften als Frühwarnsignal für Kipppunkte des Klimawandels nutzen könnte. Denn kurz bevor sie dazu übergehen, Kohlendioxid auszustoßen, beginnt ihre Fülle stark zu schwanken. Es wäre also sehr von Vorteil, wenn man die Fülle der Mikrobengemeinschaften in der Natur überwacht.

Höherer Nährstoffgehalt – geringere Frühwarnzeichen

Leider schwächt sich dieses Warnzeichen aber ab, je mehr Nährstoffe wie Stickstoff in Umwelt vorkommen. Denn ab einer bestimmten Menge an Nährstoffen, die zum Beispiel stetig über die Landwirtschaft und Kläranlagen in die Gewässer gelangen, kommt der Kipppunkt ganz einfach ohne Vorwarnung. "Diese Warnzeichen zu erkennen, wird eine Herausforderung sein. Vor allem, wenn sie mit der Nährstoffverschmutzung immer subtiler werden. Aber die Folgen, wenn wir sie übersehen, sind enorm. Es könnte sein, dass sich die Ökosysteme in einem weit weniger wünschenswerten Zustand befinden und der Atmosphäre Treibhausgase hinzufügen, anstatt sie zu entfernen", befürchtet Dr. Holly Moeller von der University of California Santa Barbara.

Obwohl diese modellierten Ergebnisse beunruhigend sind und durchaus ernstgenommen werden sollten, weisen die Forschenden darauf hin, dass die mathematischen Modellierungen auf begrenzten empirischen Daten beruhen. Für sie ist es zwingend notwendig weiterhin beobachtende und experimentelle Tests durchzuführen, um die theoretischen Ergebnisse auch empirisch zu belegen.

JeS

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