Grafik aus der Computersimulation von der Entstehung einer Galaxie. Die Verteilung des Materiegases 1,5 Milliarden Jahre nach dem Start wird in lila angezeigt. Je heller die Farbe, desto höher ist die Dichte des Gases. Die hellblauen Punkte zeigen junge Sterne.
Grafik aus der Computersimulation von der Entstehung einer Galaxie. Die Verteilung des Materiegases 1,5 Milliarden Jahre nach dem Start wird in lila angezeigt. Je heller die Farbe, desto höher ist die Dichte des Gases. Die hellblauen Punkte zeigen junge Sterne. Bildrechte: AG Kroupa/Uni Bonn

Modifizierte Newtonsche Dynamik Braucht das Unversum überhaupt dunkle Materie?

24. Februar 2020, 15:33 Uhr

Was ist der Kleber, der Galaxien zusammenhält? Dunkle Materie, glauben viele Astronomen. Kritiker der Theorie halten dagegen, die Schwerkraftgesetze müssen geändert werden. Eine Simulation mit modifizierter Gravitation soll zeigen: Auch ohne dunkle Materie entstehen scheibenförmige Galaxien.

Warum drehen sich die Sterne am äußeren Rand einer Galaxie mit hoher Geschwindigkeit um das Zentrum, anstatt "aus der Bahn" zu fliegen? Warum hält das Universum überhaupt zusammen und ist durch den Urknall nicht komplett auseinander gerissen worden? Weil es einen mysteriösen Klebstoff gibt, so die Vermutung vieler Astronomen und Physiker.

Können veränderte Schwerkraftgesetze den Kosmos erklären?

Masse hat Schwerkraft und diese Schwerkraft hält den Kosmos zusammen. Und wenn die Masse, die die Wissenschaftler sehen können, nicht ausreicht, um die beobachtete Gravitation zu erklären, dann muss es eine dunkle Form von Masse geben, dunkle Materie also. So lautet aktuell das sogenannte Standardmodell der Kosmologie. Das Problem an der Theorie: Dunkle Materie konnte noch nie direkt nachgewiesen werden. Sie bleibt mysteriös.

Aber was, wenn vielleicht das von Isaac Newton formulierte Gesetze der Schwerkraft unvollständig ist und angepasst werden muss? Diese Idee hatte der israelische Physiker Mordehai Milgrom bereits 1983 und formulierte die sogenannte modifizierte Newtonsche Dynamik (MOND). Demnach verändert sich die Beschleunigung von Teilchen in Bereichen des Raums, wo die Raumzeit nahezu ungekrümmt ist, also beispielsweise am Rand von Galaxien, wo es kaum beobachtbare Materie gibt.

Simulation passt gut zu den tatsächlich beobachteten Galaxien

Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik an der RFW Uni Bonn hat mit seiner Arbeitsgruppe jetzt simuliert, wie sich aus einer Gaswolke eine Galaxie bilden würde, wenn die Annahmen der MOND-Theorie richtig wären. "Unsere Ergebnisse sind in vielen Aspekten bemerkenswert nahe zu dem, was wir mit Teleskopen wirklich beobachten", sagt Kroupa. Die Verteilung und Geschwindigkeit der Sterne etwa, entsprächen auch den Beobachtungen der Wirklichkeit am Nachthimmel.

Die Simulation stimme aber noch nicht komplett mit den Beobachtungen des Universums überein. So müssten bei der Wiederholung der Berechnung noch genauere Annahmen zur ursprünglichen Verteilung der Materie im jungen Universum getroffen werden. "Unsere Simulation ist nur ein erster Schritt", so Kroupa.

Kritik an MOND: Kann aber weitere Phänomene nicht gut erklären

Volker Springel, Direktor des Max-Planck-Instituts für Astrophysik in München-Garching, glaubt allerdings nicht, dass die Arbeit der Forschungsgruppe aus Bonn die Theorie der dunklen Materie wiederlegen kann. "In diesem speziellen Experiment unter den Bedingungen der MOND-Theorie ist die simulierte Galaxie tatsächlich etwas kompakter und das Helligkeitsprofil dem ähnlicher, was wir in der Realität beobachten", sagt er.

Aber auch bei Simulationen ohne Veränderung der Newtonschen Theorie seien die Ergebnisse nicht viel schlechter. Die Ergebnisse der Kollegen hätten daher aus seiner Sicht keine besondere Signifikanz. Die MOND-Theorie könne außer den Rotationskurven der Galaxien vieles nicht erklären, was durch dunkle Materie erklärbar werde. "Es gibt da noch zu viele Widersprüche", meint der Münchner Astrophysiker.

Neue Projekte wollen Licht ins Dunkel bringen

So viel ist sicher: Die Diskussion, ob es dunkle Materie und dunkle Energie gibt und welchen Einfluss sie wirklich in unserem Universum haben, wird vermutlich weiter gehen. Aber vielleicht bringt ja bereits eines der nächsten Forschungsprojekte wie der japanische "Dark Emulator" oder die ESA- und NASA-Projekte Euclid und WFIRST im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel.

1 Kommentar

pkroupa am 25.02.2020

Leider erklärt Herr Springel die Situation nicht korrekt: viele Veröffentlichungen zeigen seit vielen Jahren, dass die Modelle, welche auf dunkler Materie basieren, die Beobachtungen zu Galaxien und zur Materieverteilung nicht erklären können. Die Dunkle-Materie Modelle funktionieren auf keiner Skala, selbst auf grossen kosmologischen Dimensionen nicht. Zudem wurde die Existenz der dunklen Materie auch nicht bestätigt. Modelle, welche aber als Grundlage die Milgromsche Gravitation annehmen, deuten eher darauf hin, dass die Grosszahl der Probleme verschwinden. Allerdings hemmen inkorrekten Aussagen, wie die von Herrn Springel hier getätigten, dass Forschungsgelder zur Verfügung gestellt werden, damit die Milgromsche Gravitation weiter geprüft werden kann.