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Lithium, Zinn & Co.Was verbirgt sich noch im Erzgebirge?

28. Oktober 2024, 10:20 Uhr

Das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen gibt vor: Auch in Europa sollen wieder verschiedene Rohstoffe abgebaut werden, um den eigenen Bedarf zumindest teilweise zu decken. Dabei rückt auch das Erzgebirge wieder in den Fokus. Doch welche Rohstoffe liegen dort noch? Gibt es ein “Viertes Berggeschrey”?

Seit heute ist Chemnitz um einen Beitrag zur Europäischen Kulturhauptstadt 2025 reicher. Im Staatlichen Museum für Archäologie (smac) ist bis zum 29.06.2025 die Sonderausstellung "SILBERGLANZ & KUMPELTOD" zu sehen. Sie beschäftigt sich mit der Historie des Bergbaus, vor allem im Erzgebirge. Aber sie stellt auch die Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass zukünftig im Erzgebirge wieder in großem Stil Bergbau betrieben wird? 

Unrealistisch ist das nicht, denn nach wie vor ist das Erzgebirge reich an Rohstoffen und Erzen. Hinzu kommt ein EU-Gesetz: Der Critical Raw Material Act (CRMA), also das Europäische Gesetz zu kritischen Rohstoffen. Das betrifft Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Wolfram oder Gallium. Zehn Prozent des jährlichen Förderbedarfs der EU sollen selbst produziert werden. Außerdem sollen eigene Wertschöpfungsketten geschaffen werden, sprich: Abbau, Raffination, Verarbeitung und Recycling soll komplett innerhalb der EU geschehen. So will man sich unabhängiger vom Weltmarkt machen.  

Der große Plan mit dem Lithium

Fast alles, was, Stand heute, an Lithium für Akkus und Batterien benötigt wird, importieren die Länder der Europäischen Union. Dabei gibt es Lithium-Vorkommen in der EU. In Portugal beispielsweise werden heute schon lithiumhaltige Mineralien gewonnen, zukünftig soll in großem Maßstab Lithium für Batterien abgebaut werden. Und wenn alles nach Plan läuft, passiert das ab 2028 auch im Erzgebirge.  

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Bei Zinnwald im Erzgebirge liegt das zweitgrößte Lithium-Vorkommen auf dem europäischen Festland. Erst im Januar teilte die Zinnwald Lithium AG – sie besitzt die Bewilligung der Behörden für die Erschließung – mit, dass bei Bohrungen 429.000 Tonnen Lithium gefunden wurde. Zuvor war man nur von 125.000 Tonnen ausgegangen. Jährlich will die Zinnwald Lithium AG 12.000 Tonnen Lithiumhydroxid fördern, das würde für 800.000 Elektroautos reichen. Von tschechischer Seite aus soll ebenfalls unabhängig davon Lithium gefördert werden. 

Politisch ist das gewollt: Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Pläne in Zinnwald Ende August als "Projekt höchster Priorität". Allerdings sind noch viele Hürden zu nehmen. Unter anderem die Frage nach dem Ort der Abraumhalde spielt eine große Rolle. 

In Bärenstein protestieren Bürgerinnen und Bürger gegen die Lithium-Abbaupläne. Bildrechte: IMAGO / C3 Pictures

Innerhalb der Bevölkerung regt sich gegen die Abbaupläne aber auch Widerstand. Die Bürgerinitiative Bärenstein fürchtet neben touristischen Einbußen auch Verschmutzung von Trinkwasser oder steigende Staub- und Verkehrsemissionen. Im August erst beantragte die Zinnwald Lithium AG im Rahmen des CRMA den Status "Strategisches Projekt". Sollte dieser Antrag angenommen werden, wäre Zinnwald ein Vorhaben "von vorrangigem, öffentlichem und europäischem Interesse", was u.a. schnellere Entscheidungsverfahren und theoretisch auch Enteignungen und Umsiedlungen bedeuten könnte. Britta Weber ist Vertreterin der Bürgerinitiative Bärenstein und befürchtet, dass die Anliegen der Menschen vor Ort übergangen werden könnten. 

Wir hier im Osterzgebirge wissen aus der Vergangenheit von 500 Jahren Bergbau sehr genau, welch gravierende Auswirkungen dies auf Mensch und Umwelt hat.

Britta Weber | Vertreterin der Bürgerinitiative Bärenstein

"Seit 1991 wurde hart daran gearbeitet, der Region eine umweltverträgliche Entwicklungsrichtung zu geben", so Britta Weber weiter. "Wir werden unser natürliches, soziales und kulturelles Erbe nicht erneut dem zerstörerischen Bergbau überlassen."

Wolfram- und Zinnabbau in Pöhla

Neben dem Lithium gibt es aber auch noch andere kritische Rohstoffe, die etwa für die Energiewende benötigt werden. Einer davon hat im Erzgebirge Tradition: Wolfram. Zu DDR-Zeiten wurde es hauptsächlich in der Glühlampenindustrie benötigt, heute ist es ein hochwertiger Legierungswerkstoff in der Elektronik. In Pöhla im Westerzgebirge agiert die Saxony Minerals & Exploration AG (SME AG), die dort neben Zinn auch Wolfram abbauen will. Auf ihrer Website rechnet sie mit rund 6,5 Millionen Tonnen abbaubarer Wolframerze. Wolfram findet sich außerdem rund um Aue-Bad Schlema, neue Abbaupläne oder Mengenangaben gibt es hierfür aber nicht.  

Wolfram kommt auch als Nebenprodukt in Lagerstätten vor, die hauptsächlich für den Zinnabbau denkbar wären. Und für einen neuerlichen Zinnabbau gibt es im Erzgebirge ebenfalls Pläne. Die SME AG möchte auch in Pöhla Zinn fördern, rund 16 Millionen Tonnen Zinnerz lagern dort nach eigenen Angaben. 2026 möchte das Unternehmen mit dem Abbau beginnen, das Projekt wurde seit mehreren Jahren verschoben. 

Uran wird kein Teil des "Neuen Berggeschreys"

Und dann ist da noch das Uran. Für die sowjetischen Atompläne wurde im Erzgebirge im großen Stil das radioaktive Element abgebaut. Das schlummert nach wie vor im Erzgebirge, wird aber nicht mehr gefördert – auch, weil es nicht mehr wirtschaftlich ist. Im Juni 2021 verließ der letzte Urantransport das Gelände der Wismut, wenngleich schon seit mehreren Jahrzehnten die alten Schächte saniert wurden und werden. Fakt ist: Ein "Viertes Berggeschrey" käme im Erzgebirge, Stand jetzt, ohne Uran aus. Keine der Erlaubnisse oder Bewilligungen, die das Sächsische Oberbergamt im Erzgebirge erteilt, beinhaltet das Aufsuchen von Uran.  

Für den Rohstoffbedarf viel entscheidender wäre beispielsweise Kobalt, das auch für die Herstellung von Lithiumionenbatterien benötigt wird und im 18. und 19. Jahrhundert bereits rund um Schneeberg abgebaut wurde. Hierfür gibt es vom Oberbergamt zwar Erlaubnisse zum Aufsuchen, für eine Förderung gibt es aber keine konkreten Pläne. 

Hubschrauber als Rohstoff-Spürhunde

Obwohl man seit Jahrhunderten über Lage und Vorkommen von Erzen weiß, ist vieles auch noch unbekannt. Das gilt vor allem für Tiefen, in denen in der Vergangenheit noch nicht abgebaut wurde. Neben Probebohrungen können eventuell aber auch Helikopter- und Drohnenflüge Aufschluss darüber geben, welche Rohstoffe in welcher Menge im Erzgebirge vorhanden sind. 

Forscherinnen und Forschern des DESMEX-REAL-Programms des Leibnitz-Instituts für Angewandte Geophysik (LIAG) flogen erst im August über den Harz. In Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) wurden mit dem Helikopter Sikorsky S-76B Erzkörper im Harz kartiert. Damit können Hinweise auf Vererzungen bis zu einem Kilometer Tiefe gegeben werden. Ist so ein Projekt auch im Erzgebirge realistisch? 

Der Projektleiter des DESMEX-REAL-Programms, Prof. Dr. Daniel Günther, hält das für durchaus möglich. "Solche Messflüge mit dem Hubschrauber sind natürlich auch und besonders im Erzgebirge denkbar und sinnvoll", so Günther. Seit dem 1. Oktober ist Günther Inhaber eines Lehrstuhls in TU Bergakademie Freiberg und damit noch näher am Erzgebirge als zuvor. Er vermutet: "Es gibt auch in größeren Tiefen sicher noch interessante Strukturen und potentielle Lagerstätten zu entdecken."

Solche Messflüge mit dem Hubschrauber sind natürlich auch und besonders im Erzgebirge denkbar und sinnvoll. [...] Es gibt auch in größeren Tiefen sicher noch interessante Strukturen und potenzielle Lagerstätten zu entdecken. 

Prof. Dr. Daniel Günther | Projektleiter "DESMEX REAL" und Professor an der TU Freiberg

Bevor aber Hubschrauber im Erzgebirge aufsteigen, dürfte einige Zeit vergehen. Denn das Projekt lieferte im Harz zwar bereits geologische Erkenntnisse, noch aber liegen keine endgültigen Informationen zu möglichen Lagerstätten vor. Auch wenn Prof. Günther und sein Team gerne im Erzgebirge forschen wollen: Für ein solches Forschungsprojekt fehlen noch Fördermittel. 

sh

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 24. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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