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Carolabrücke & Co.Ultraschall und Drohnen: Fünf Ideen zur Überwachung und Instandhaltung von Brücken

16. September 2024, 10:29 Uhr

Ein Kontrollbesuch bei der Zahnärztin oder dem Zahnarzt ist mehr oder weniger selbstverständlich. Und die Grundlage, lange Rechnungen und unangenehme Behandlungen zu vermeiden. Aus der Wissenschaft gibt es Präventionsideen für Brücken – um der Karies im Bauwerk auf die Schliche zu kommen. Und Einstürze zu verhindern. Fünf Ansätze, über die es sich zu sprechen lohnt.

Deutschland schaut mit gerunzelter Stirn und zurechtgerückter Brille auf seine Brücken. Und die Debatten nehmen Fahrt auf: Wer oder was hat bei der Carolabrücke versagt? Wie steht's um Brückenbauwerke in der ganzen Republik? Und wie stünde es besser? Die Sache ist kurzerhand zum Politikum geworden. Nur Angst haben, das müsse man trotz Investitionsstau in der Brückensanierung nicht. Deutschlands Brücken seien die bestgeprüften Bauwerke der Republik, geben Fachleute im Verband Deutscher Ingenieure zu bedenken. Ein klares Veto gegen die Idee, Brücken in Deutschland als Gefahr für die Öffentlichkeit zu benennen, gibt es auch vom langjährigen Brückenbauingenieur Joachim Fallert im Gespräch im MDR WISSEN.

Brückenprüfung: Der Beton wird abgeklopft Bildrechte: imago/Daniel Wagner

Während die Frage nach dem Warum in Sachen Carolabrücke bislang nicht geklärt ist, gibt es indes findige Ansätze aus der Wissenschaft, die möglicherweise das Potenzial haben, der Brückengesundheit künftig zugutezukommen. Fünf Beispiele, über die es sich zu reden lohnt:

1. Mit Ultraschall ganz tief in den Brückenstahlbeton blicken?

Mit Ultraschallwellen den Zustand von Bausubstanz zu überblicken, ist ein gängiges Verfahren. Taugt es auch, um den Zustand des korrosionsanfälligen Stahls im Stahlbeton zu monitoren? Schließlich sagte uns schon im Juli Henning Heuer vom Fraunhofer IKTS in Dresden, dass man mit 3D-Ultraschall tief in technische Strukturen schauen könne: "Wir schauen mit Ultraschall in Eisenbahnräder rein, in Motorblöcke, in Flugzeugturbinen." Und was ist mit Stahlbeton? "Es gibt Konstruktionen, wo das gut funktioniert, bei einer relativ kleinen Überdeckung des Stahls mit Beton", so Heuer auf Nachfrage angesichts der aktuellen Umstände. "Wenn aber der Bewehrungsstahl tief im Inneren dieser Betonstruktur verborgen ist, dann hat man mit Ultraschall eigentlich keine Chance von außen zerstörungsfrei diesen ordentlich zu bewerten." Das liegt an der Körnigkeit von Sand und Kies, was bei Beton ja nun mal dazugehört. Einfach gesagt: Aufgrund der Struktur wird zu viel Ultraschall reflektiert.

2. Neuer Versuch mit Ultraschall

Aber es gibt durchaus eine Möglichkeit. Auch wenn die erstmal, gelinde gesagt, entsetzlich kompliziert klingt: "Wenn an den Brückenköpfen ein Zugang da wäre – oder über Wartungsluken oder vielleicht auch eine kleine Öffnung, Bohrungen, die man in den Beton setzen kann – dann kann man versuchen, den Bewehrungsstahl direkt mit einem Ultraschallwandler zu kontaktieren und dann eine geführte Welle durch den Stahl leiten zu lassen", sagt Henning Heuer. Man könne sich das vorstellen wie eine Glasfaser, durch die man Licht schickt. "Wenn die Glasfaser geknickt ist, dann wird die Übertragung des Lichtes reduziert. Und so wäre das hier auch beim Bewehrungsstahl, wenn durch starke Korrosion der Querschnitt reduziert wird oder gar ein Bruch vorliegt, dann ist die akustische Übertragung durch den Stahl nicht mehr gegeben." Vorausgesetzt eben, man kommt an den Stahl ran, was letztendlich eine Frage der Brückenkonstruktion ist.

3. Den Korrosionsspuren auf die Schliche kommen

Oder wie wäre es mit dieser Idee: Man kann versuchen, die elektrochemischen Oxidationsprodukte im Metall nachzuweisen. Also zum Beispiel: Rost. "Bei einer starken Betonüberdeckung kommt man da wahrscheinlich auch nicht an kleinen Bohrungen vorbei, wo man dann Sonden absetzt, die Reaktionsprodukte des Oxidationsprozesses nachweisen können", so Henning Heuer. Das ist aufwendig und geht eben auch nicht, ohne eine Brücke wenigstens ein kleines bisschen zu zerfurchen. Aber immer noch besser, als den gesamten Beton aufzuhauen.

Drohnen können ein Bauwerk in 3D digitalisieren – mitsamt der Schwächen. Bildrechte: Bauhaus-Universität Weimar, Norman Hallermann

4. Drohnen liefern ein 3D-Bild

Eine Möglichkeit, den Zustand von Brücken viel weniger zeitaufwendig, dafür umso detaillierter im Blick zu behalten, wurde vor einigen Jahren an der Bauhaus-Universität in Weimar erforscht. Die Idee: Kameradrohnen fliegen systematisch das Bauwerk ab (auch die Ecken, wo der Mensch nur beschwerlich rankommt) und erstellen aus zehntausenden Fotos ein 3D-Abbild der Brücke. "Der digitale Zwilling beinhaltet Informationen über die Schäden, über das Bauwerk generell, aber auch Maßnahmen, die an dem Bauwerk getroffen werden müssen", hat Alexander Stanic, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Bauhaus-Uni, der Sendung Nano in 3sat verraten. Das Forschungsprojekt ist 2021 ausgelaufen. Die Frage, wie es weitergeht und ob die Technik eingesetzt wird, hat die Bauhaus-Uni bis Redaktionsschluss nicht beantwortet. Aber: Zumindest aus Sicht verschiedener Drohnenanbieter sind die Fluggeräte, etwas zur Visualisierung und Vermessung, im Bausektor längst keine Zukunftsmusik mehr.

Wenn die Prüfkosten zu stark sind, dann geht man oft diesen Schritt nicht

Prof. Dr.-Ing. Henning Heuer | Fraunhofer IKTS, Dresden

5. Oder doch Röntgenstrahlen?

Mit Röntgentomografie ist es durchaus möglich, in das Innere von Beton zu blicken. Mithilfe von Röntgenstrahlen aus verschiedenen Winkeln kann sogar ein 3D-Bild entstehen. Das Verfahren wäre zum Beispiel vor dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua hilfreich gewesen. "Da ist es auch ein in Beton eingegossener Stahlträger gewesen, der dort versagt ist", sagt Henning Heuer vom Fraunhofer IKTS in Dresden. Mit gängigen Methoden – wie der oben beschriebenen Variante, den Ultraschall durch den Stahl zu schicken – war hier nichts zu machen. "Man hätte mit sehr großem Aufwand mit Röntgenstrahlung etwas machen können", so Heuer. Er räumt allerdings ein, das sei frei schwebend an den großen Pylonen schwer umzusetzen. "Und es ist halt leider so, dass dann oft auch eine Kosten-Nutzen-Analyse gemacht wird."

Ideen sind da – aber auch Geld?

Und das ist wohl der grundsätzliche Punkt: "Wenn die Prüfkosten zu stark sind, dann geht man oft diesen Schritt nicht", sagt Heuer. Nur ist diese Sichtweise möglicherweise etwas kurz gedacht, so wie man es von Nachhaltigkeitsdebatten im Grunde gewohnt ist. Dass eine Verhütung von Schäden an Menschen oberste Priorität hat, ist selbstverständlich indiskutabel. Aber auch von wirtschaftlicher Seite lohnt sich eine regelmäßige Wartung, betont Brückenbauingenieur Joachim Fallert: "Da sehe ich den Hauptfaktor für zahlreiche Neubauten, dass viele Sanierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen aus vermeintlich kurzfristigen Kostensparzwängen verschoben werden." Wie beim eigenen Auto sei man eben manchmal vielleicht nicht bereit, "wirklich jährlich in eine gute Wartung zu investieren, sondern meint vielleicht, es würde reichen, wenn man es auf das nächste oder das übernächste Jahr verschiebt. Und das ist natürlich schlecht."

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 13. September 2024 | 19:30 Uhr

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