Vulkanologie Prinzip Druckluftrakete: Vulkane können wie ein Kinderspielzeug funktionieren
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28. Mai 2024, 12:14 Uhr
Forscher sind sich sicher, einen Vulkanausbruchsmechanismus entdeckt zu haben, der vorher noch unbekannt war und dessen Prinzip wie bei einer Spielzeug-Druckluftrakete funktioniert. Studienobjekt war die Aussbruchserie des Kilauea auf Hawaii im Jahr 2018.
Vulkanausbrüche bringen viel Schlechtes mit sich: Zerstörung, Tod, Leid und Not. In Europa hat man das zuletzt vor etwas mehr als zwei Jahren gesehen, beim Ausbruch auf La Palma, von dem auch Deutsche betroffen waren.
Vulkanausbrüche bringen aber, zumindest für die Wissenschaft, auch etwas Gutes mit sich, nämlich Erkenntnisse, die dabei helfen könnten, in Zukunft besser vorbereitet zu sein. So ist es auch mit der Ausbruchsserie des Kilauea auf Hawaii im Jahr 2018. Die wurde von einem Team um Wissenschaftler der University of Oregon (USA) genau untersucht – mit Erkenntnissen, die die Vulkanologie ein wenig verändern könnten.
"Dies ist ein Beispiel, von denen es immer mehr gibt, wo die Wege des Magmaaufstiegs geometrisch sehr komplex sind", sagt Vulkanologe Leif Karlstrom. "Das gibt uns ein viel differenzierteres Bild davon, wie vulkanische Abflusssysteme aussehen".
In den meisten Fällen werden explosive Vulkanausbrüche entweder durch aufsteigendes Magma, verdampftes Grundwasser oder eine Kombination aus beidem angetrieben, erklärt Josh Crozier, Hauptautor der neuen Studie. Aber bei den zwölf aufeinanderfolgenden Explosionen, die sich 2018 am Kilauea ereigneten, war das offenbar anders. "Das eruptive Material enthielt nur sehr wenig, das wie frisches Magma aussah, das herausgesprengt wurde, und es gibt auch keine Hinweise darauf, dass signifikantes Grundwasser beteiligt war", sagt Crozier.
Ausbruchserie des Vulkans Kilauea: Analogie zu einem Kinderspielzeug
Was war es aber dann, wenn nicht Magma oder Grundwasser? Die Wissenschaftler vergleichen das, was passiert ist, mit einem Kinderspielzeug – einer Druckluftrakete, in den USA sehr beliebt und "Stomp Rocket" genannt, deren einziger Antrieb aus Druckluft besteht, die erzeugt wird, indem man kräftig auf das angeschlossene Luftkissen tritt, springt oder stampft (englisch "stomp"). Nur dass bei einem Vulkan natürlich alles deutlich größer, wuchtiger und gefährlicher ist.
Beim Kilauea lief es laut den Untersuchungen folgendermaßen ab: Vor jeder Explosion auf dem Gipfel floss langsam Magma aus einem unterirdischen Reservoir ab. Dieses Magma speiste Lavaströme in vielen Kilometern Entfernung, an der Ostflanke des Vulkans. Als das Reservoir erschöpft war, brach der Boden auf dem Gipfel des Vulkans plötzlich in sich zusammen. Dadurch stieg wiederum der Druck im Reservoir rasch an. Und da sich am oberen Ende dieses Reservoirs eine "Tasche" mit angesammeltem magmatischem Gas befand, zwang der Druckanstieg das magmatische Gas und die Trümmerteile durch einen engen Kanal und sprengte sie aus einem Schlot im Krater des Kīlauea heraus.
Die Analogie zur "Stampfrakete" erklärt Josh Crozier so: "Der Stampfer ist dieser kilometerdicke Felsbrocken, der nach unten fällt, die Tasche unter Druck setzt und dann Material direkt nach oben drückt." Je enger der Kanal ist, umso mehr wirkt er wie der Schlauch beim Spielzeug. "Und die Rakete ist natürlich das Gas und das Gestein, das aus dem Vulkan ausbricht", schließt Crozier.
Es ist das erste Mal, dass dieser Mechanismus beobachtet und beschrieben werden konnte. Möglich wurde das, weil der Kilauea einer der "bestbeobachteten" Vulkane der Welt ist. Kameras, seismologische Sensoren und Gasdetektoren liefern den Wissenschaftlern eine Vielzahl von auswertbaren Daten. Allerdings halten es die Wissenschaftler für unwahrscheinlich, dass es so eine Art von Ausbruch noch nie zuvor gab. Bislang konnte man es nur nicht nachweisen.
Links/Studien
Die Studie "Explosive 2018 eruptions at K ̄ılauea driven by a collapse-induced stomp-rocket mechanism" ist im Fachjournal "Nature Geoscience" erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 11. September 2023 | 21:53 Uhr