
Martin-Luther-Universität Evolution im Zeitraffer: Wieso Schweineschädel heute anders aussehen als noch vor 100 Jahren
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10. Februar 2025, 14:57 Uhr
Schweine sehen heute anders aus als noch vor hundert Jahren. Verantwortlich ist der Mensch, der die Schädel unbeabsichtigt verändert, wie Forscher aus Halle festgestellt haben.
Seit Jahrhunderten halten Menschen Schweine als Nutztiere. Die grunzenden Vierbeiner haben dabei ihr Wesen stark verändert, wurden zusehends durch Zucht größer und verloren ihre schwarzbraunen Borsten und ihre dunkle Haut. Und auch in den letzten 100 Jahren haben sich die Tiere weiter verändert, wie ein Team von Wissenschaftlern um Renate Schafberg von der Haustierkundlichen Sammlung an der Martin-Luther-Universität Halle (MLU) festgestellt hat.
Kürzere Schnauze, flachere Stirn
Die Schnauze der Hausschweine ist kürzer und flacher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts, auch haben sich charakteristische Wölbungen auf der Stirn zurückgebildet. Mit der rasanten Zunahme der Bevölkerung nach 1900 und dem gestiegenen Interesse an Schweinefleisch änderten sich die Anforderungen an die Produzenten: "Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Schweinefleisch in Deutschland deutlich. Züchter waren angehalten, ihre Tiere zu optimieren: Sie sollten schnell wachsen, gutes Fleisch haben und fruchtbar sein", sagt Schafberg.
Um die Wesensveränderungen über die Zeit zu untersuchen, analysierte Schafberg gemeinsam mit Ashleigh Haruda von der Oxford University 135 Schweinsschädel von drei Rassen: dem Deutschen Edelschwein, dem Deutschen Landschwein und – als Vergleichsgruppe – dem Wildschwein. Die Forscherinnen fanden gravierende Veränderungen zwischen den Haustieren auf der einen und den wilden Exemplaren auf der anderen Seite. Edel- und Landschwein wiesen ähnliche Entwicklungen hinsichtlich ihres Aussehens auf, obwohl sie getrennt voneinander gehalten werden.
"Dass sich diese Unterschiede bereits in einem Zeitraum von 100 Jahren so deutlich zeigen, hatten wir nicht erwartet", sagt Schafberg. "Diese Veränderungen traten auf, obwohl Züchter die Tiere nicht speziell nach ihrer Schädelform auswählten. Für die Züchtung waren diese Merkmale unwichtig. Die Veränderungen scheinen vielmehr ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt der Auswahl der gewünschten Eigenschaften zu sein."
Rasanter Prozess hätte wohl selbst Darwin überrascht
Auch neues Futter für die Schweine könnte eine Rolle spielen. Die proteinreichen Kraftfutter-Pellets, die heute auf dem Speiseplan der Borstentiere stehen, könnten ihr Aussehen verändert haben. Doch egal, wieso genau die Änderungen am Schädel auftreten: Dass sie so schnell sichtbar geworden sind, zeigt, wie stark der Einfluss des Menschen auf die Evolution seiner Nutztiere sei, sagt Mitautor Frank Steinheimer, Leiter des Zentralmagazins Naturwissenschaftlicher Sammlungen an der MLU. "Charles Darwin ging davon aus, dass große Veränderungen nur über sehr lange Zeiträume ablaufen können – über Millionen von Jahren. Unsere Arbeit ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Mensch diesen Prozess durch gezielte Zucht extrem beschleunigen kann."
Link zur Studie
Die Studie "Evolution under intensive industrial breeding: skull size and shape comparison between historic and modern pig lineages" ist im Journal "Royal Society Open Science" veröffentlicht wurden.
idw/jar
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 24. Januar 2025 | 14:30 Uhr
MDR-Team vor 5 Wochen
Hallo Nixan,
danke für deine Gedanken zum Thema. Die Veränderungen bei Schweineschädeln lassen sich tatsächlich mit den Mendelschen Vererbungsregeln erklären, da gezielte Züchtung bestimmte Merkmale verstärkt oder unterdrückt. Allerdings ist die Züchtung auch ein Teil der Evolution, denn sie zeigt, wie Selektion – in diesem Fall durch den Menschen – das Erscheinungsbild einer Art beeinflussen kann. Evolution nach Darwin bedeutet nicht nur die Entstehung neuer Arten, sondern auch die Veränderung innerhalb einer bestehenden Population über Generationen hinweg. Neue Merkmale entstehen durch Mutation und Rekombination, und (natürliche) Selektion entscheidet darüber, welche sich durchsetzen. Auch wenn durch Züchtung keine völlig neue Tierart entsteht, zeigt der Vorgang, wie sich Organismen an veränderte Umweltbedingungen oder menschliche Eingriffe anpassen.
Viele Grüße vom MDR WISSEN Team
Machdeburjer Kind vor 5 Wochen
Und nun?
Dürfen also die Medien nur noch eine, dafür aber bedeutsame Schlagzeile pro Tag? Oder pro Woche herausbringen.
Unwichtige Dinge gehören ignoriert.
Warum nur ist Wissenschaft für dich so unwichtig?,🤔
Nixan vor 5 Wochen
Der Vorgang, der hier beschrieben wurde, passt zu den Mendelschen Gesetzen und weniger zur Evolutionstheorie von Darwin.
Durch solche Züchtungen gehen im allgemeinen Merkmale verloren.
Ohne, dass neue Informationen dazu kommen, kann keine neue Tierart entstehen.