15 GW Strom aus dem Netz "verschwunden" Warum Spanien und Portugal so lange keinen Strom hatten

04. Mai 2025, 11:43 Uhr

Nach dem flächendeckenden Stromausfall ist die Ursache immer noch unbekannt. Dass der Stromausfall so lange dauerte, hängt mit der technischen Beschaffenheit des Stromnetzes zusammen. Ein derartiger Ausfall in Deutschland ist unwahrscheinlich. Sollte er eintreten, wären aber auch private Solaranlagen nicht mehr funktionsfähig.

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
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Wie genau es zu dem stundenlangen Stromausfall in weiten Teilen Portugals und Spanien gekommen ist, ist immer noch nicht abschließend geklärt. Als weitgehend gesichert gilt aber, dass am Montag um 12:33 Uhr plötzlich 15 Gigawatt weniger Strom im Netz waren. Der Leistungsabfall dauerte lediglich fünf Sekunden, aber führte zum Zusammenbruch des Systems und somit zu einem Blackout, der weite Teile der Iberischen Halbinsel betraf und ortsabhängig bis zu 18 Stunden anhielt.

Wie konnte der Strom "verschwinden"?

15 Gigawatt Strom entsprechen ungefähr 60 Prozent von dem, was die spanische Bevölkerung schätzungsweise zu diesem Zeitpunkt am Vormittag verbraucht, das erklären Regierungsquellen. Wie kann eine derart enorme Menge Strom einfach aus dem Netz "verschwinden"? Christian Rehtanz vom Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft sagt, konkret kann man das aktuell noch nicht sagen, aber: "Grundsätzlich müssen mehrere außergewöhnliche Ereignisse oder technische Fehler zusammenkommen, damit ein derartiger Blackout erfolgt."

Allgemein werden Stromausfälle häufig durch äußere Einflüsse herbeigeführt, beispielsweise, wenn ein Baum auf eine Hochspannungsleitung fällt oder wenn ein Kraftwerk wegen eines technischen Defektes plötzlich ausfällt. Dann fällt die Leistung plötzlich ab und es kommt zu einem Ausfall. Stromausfälle können allerdings auch vorkommen, wenn zu viel Strom im Netz ist. Deutschland hat gerade im Sommer häufig eher zu viel Strom im Netz.

Warum der Stromausfall so lange dauerte

Fünf Sekunden Leistungsabfall führen zu 18 Stunden Stromausfall – um zu verstehen, warum die Konsequenzen eines vergleichsweise kurzen Leistungsabfalles so schwerwiegend sind, muss man verstehen, wie das Stromnetz funktioniert. Veit Hagenmeyer ist Sprecher für das nationale Energiesystemdesign-Programm der Helmholtz-Gemeinschaft und arbeitet am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er erklärt die Zusammenhänge folgendermaßen: "Es gibt mehrere Stabilitätsfaktoren im Netz, eine ist die Frequenzstabilität. Das heißt, wenn Last und Erzeugung genau im Gleichgewicht sind, wird überall in Europa eine Frequenz von 50 Hertz gehalten." Werde mehr Strom verbraucht als erzeugt, dann sinke die Frequenz – allerdings handle es sich in der Regel lediglich um geringe Schwankungen, die im Millisekunden-Takt ausgeglichen werden.

Ein derartiger Leistungseinbruch wie in Spanien führt demnach zwangsweise zum Zusammenbruch des Netzes. "Das Stromnetz in Europa ist nicht dafür ausgelegt, dass so viel Erzeugungsleistung ausfällt. Es ist ausgelegt für einen Verlust von 3 Gigawatt, viel weniger", erklärt Hagenmeyer. Damit kann das Stromnetz durchaus den Ausfall einiger kleinerer Kraftwerke vertragen – aber keine derart große Menge kompensieren wie aktuell in Spanien.

Menschen kaufen Wasserbehälter, um sich während eines massiven Stromausfalls zu versorgen.
Menschen kaufen Wasserbehälter, um sich während eines massiven Stromausfalls zu versorgen. Bildrechte: picture alliance/dpa/ZUMA Press Wire | Luis Soto

Bei solch enormen Schwankungen greifen automatische Abschaltvorrichtungen, die alle an das Netz angeschlossenen Kraftwerke, Stromleitungen, Anlagen und Verbraucher vor Schäden schützen. Ganz ähnlich, wie es "die Sicherung" zu Hause macht. "Daraus entsteht eine regelrechte Kaskade von Abschaltungen, die sich durch das Netz ausbreitet und zu einem großflächigen Stromausfall führt. Tritt ein Fehler auf, der zu so einer Kaskade führen kann, ist nach spätestens einer halben Minute dann auch klar, ob ein Stromausfall noch abgefangen werden kann oder nicht", sagt Veit Hagenmeyer.

Nachdem das Stromnetz auf diese Weise quasi in einer Art "Dominoeffekt" heruntergefahren wurde, haben die Energieversorger in Spanien und Portugal die Stromversorgung schrittweise wiederaufgebaut. Seit Mittwoch sind fast alle Haushalte wieder mit Strom versorgt. Auch historisch gibt es wenige Stromausfälle, die derart lange andauerten. Christian Rehtanz sagt, er gehe davon aus, dass auch die Lage der iberischen Halbinsel die Problematik verschlimmert haben könnte. Insgesamt wirke das europäische Verbundsystem stabilisierend auf die Stromnetze, weil man sich gegenseitig im Falle eines Ausfalls aushelfen kann. Deutschland etwa habe mehr Nachbarländer, die in einem solchen Fall Strom liefern könnten, während Spanien und Portugal ans Meer grenzen.

Der Stromausfall hat nichts mit der "Dunkelflaute" zu tun

Wenn wir in Deutschland über Stromausfälle sprechen, geschieht das häufig im Kontext einer sogenannten "Dunkelflaute". Diese tritt ein, wenn die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu gering ist, um das Netz stabil zu halten. Insbesondere eben, wenn es dunkel und windstill ist. Dass eine Dunkelflaute nicht der Auslöser des Blackouts in Spanien und Portugal war, gilt als gesichert.

Auch ein Zusammenbruch des Netzes wie auf der iberischen Halbinsel gilt in Deutschland als sehr unwahrscheinlich, denn: Das Stromnetz ist bei uns redundant ausgelegt. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, erklärt das wie folgt: "Techniker sprechen von einer N-1-Struktur. Konkret bedeutet das, dass eine Leitung immer ausfallen kann und eine andere Leitung einspringen würde. Das heißt, wir haben mehrere Sicherungssysteme im deutschen Stromnetz. Und natürlich für den Fall der Fälle hätten wir Kraftwerke, sogenannte schwarzstartfähige Kraftwerke, die ein solches Netz wieder aufbauen könnten". Schwarzstart bedeutet, dass das entsprechende Kraftwerk auch ohne eine externe Stromquelle gestartet werden kann. Müller kommt demnach zu dem Schluss, Deutschland sei gut vorbereitet.

Kann man Stromausfälle mit der eigenen Solaranlage kompensieren?

Sollte es aber doch einen längeren Stromausfall gegen, kann man das mit der eigenen Solaranlage kompensieren? Ganz so einfach ist es leider nicht. Eine Solaranlage erzeugt nicht nur Strom, sie braucht auch Strom, um anzulaufen. Damit die Solaranlage überhaupt Strom ins Netz einspeisen kann, benötigt sie einen sogenannten "Wechselrichter". Dieser konvertiert den Gleichstrom aus der Solaranlage in Wechselstrom, wie er im Stromnetz benötigt wird. Der Wechselrichter braucht Strom, um die Konvertierung durchzuführen. Wenn er keinen Strom bekommt, funktioniert auch die Solaranlage nicht.

Das ändert sich bei Anlagen, die für den Inselbetrieb ausgelegt sind. Der Bundesverband Solarwirtschaft erklärte gegenüber der taz, dass dass unter den neuen Photovoltaikanlagen mit Speichersystemen etwa 70 Prozent mit einer solchen Notstromfunktion durch inselfähige Wechselrichter ausgestattet seinen. Derzeit werden etwa 80 Prozent der neuen Photovoltaikanlagen mit Speicher installiert. Das bedeutet, dass gut die Hälfte der derzeitigen Neuanlagen auch bei einem Netzausfall Strom liefern können, solange die Sonne scheint und Kapazität im Speicher ist.

Aktuell auch recht verbreitet sind kleine Inselnetze im Campingbreich. Komplett autarke Mini-Netze gibt es etwa häufig auf Campern. Allerdings ist die maximal erzeugte Strommenge sehr begrenzt.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Absatz zum inselfähigen Wechselrichter nachträglich ergänzt.

mit SMC

93 Kommentare

Elektriker vor 6 Tagen

"Ich würde gerne den Frequenzschrieb im spanischen Netz nach der Unterbrechung sehen. "
Ja ich auch, habe dazu bisher nichts gefunden. Interessant wäre auch die Frequenz kurz vor dem Ereignis. Da sollten die angedeuteten "Schwingungen" erkennbar sein.

"Photovoltaik-Wechselrichter können in Millisekunden auf jede Frequenzabweichung reagieren."
Das ist nachvollziehbar. Da gibt es ja keine Masse die beschleunigt oder abgebrenst werden muss. Und genau darin liegt die Herausforderung. Bei zu hoher Frequenz die Leistung zu reduzieren funktioniert noch. Aber der WR kann keine zusätzliche Leistung bei Unterfrequenz bereitstellen. Die hat er schlicht und einfach nicht.

Bei WR an Akkuspeichern wäre das etwas anderes. Die können sehr wohl beides. Sogar schneller als jede Schwungmasse. Im Sekundenbereich können die auch deutlich überlastet werden. Ebenso die Akkus.

Birger vor 7 Tagen

Das ist die deutsche Regelung. Welche Regelungen für Unter-und Überfrequenz in Spanien angewandt werden, ist mir unbekannt.

Photovoltaik-Wechselrichter können in Millisekunden auf jede Frequenzabweichung reagieren. Und kompensieren damit den Nachteil der fehlenden rotierenden Massen.

Ich würde gerne den Frequenzschrieb im spanischen Netz nach der Unterbrechung sehen. Die unterbrochene Leistung musste ja irgendwo hin. Und da die rotierenden Massen in Spanien kleiner als in Resteuropa sind, wird es einen ziemlich schnellen Hochlauf gegeben haben.

Elektriker vor 7 Tagen

Das stimmt so nicht. Wie auf https://energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=ES&week=18&year=2025

eindeutig erkennbar ist, liefen zahlreiche AKW, Wasser und Gaskraftwerke. Und das obwohl zu diesem Zeitpunkt die Netzlast geringer war. Also es zu Überschüssen kam, die bekanntlich nach Frankreich exportiert wurden. Zusätzlich zu den 4 GW nach Frankreich liefen PSW im Pumpbetrieb mit etwa 3 GW Last.

Man kann also feststellen, dass etwa 3 GW mehr an Kraftwerken lief, wie für die Netzlast nötig gewesen wäre.

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