300 Jahre Physik-Irrtum? Newtons erstes Gesetz wurde offenbar fehlerhaft übersetzt
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12. November 2024, 10:48 Uhr
Isaac Newton – der mit den Gesetzen zur Bewegungslehre und damit den Grundlagen der Mechanik. Der englische Universalgelehrte gilt nicht nur wegen dieser nach ihm benannten Newton'schen Gesetze zweifelsohne als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler. Möglicherweise war er sogar noch etwas revolutionärer als wir bisher dachten. Denn da gab es wohl einen kleinen, aber nicht unerheblichen Übersetzungsfehler – vor nunmehr fast 300 Jahren.
Sir Isaac Newton hat Ende des 17. Jahrhunderts in England gelebt. Dort forschte er an der Universität von Cambridge – und das mit einigem Erfolg: Er entdeckte etwa die Schwerkraft, weil er einen Apfel, der vom Baum fiel, beobachtete. Und dann ist da noch seine Arbeit im Bereich der Mechanik. Wie wichtig die ist, erklärt Physiker Simon Wessel-Therhorn im Funk-Bildungskanal "musstewissen" so:
"Im Alter von 44 Jahren hat er ein Buch veröffentlicht, mit dem Titel Principia Mathematica. Darin schreibt er über die Bewegung von Körpern und stellt drei Prinzipien auf: das Trägheitsprinzip, das Aktionsprinzip und das Wechselwirkungsprinzip. Mit diesen drei Prinzipien kann man alle Arten der Bewegung von Körpern beschreiben. Deshalb sind das sozusagen die Grundgesetze der Bewegungslehre und extrem wichtig."
Doch diese Grundgesetze hat Newton damals in lateinischer Sprache aufgeschrieben. Anfang des 18. Jahrhunderts ist das dann ins Englische übersetzt worden. Dabei ist offenbar ein Fehler passiert, davon ist zumindest der Wissenschaftsphilosoph Daniel Hoek von der University of Virginia überzeugt. Seit fast 300 Jahren würde das Trägheitsprinzip in einem kleinen Detail falsch verstanden, schreibt er in einem Blog-Post zu seiner Publikation:
"Newtons erstes Gesetz ist eine Lüge! Das heißt, das Prinzip, das alle 'Newtons erstes Gesetz' nennen – das, das man in der Schule lernt, das, das Physiker und Gelehrte seit Jahrhunderten Newton zuschreiben. Dieses Prinzip ist nicht Newtons erstes Gesetz. Es ist eine plumpe Fehlübersetzung des auf lateinisch formulierten Gesetzes, das Isaac Newton als erstes Gesetz der Bewegung bezeichnete. Ein Fehler des 18. Jahrhunderts, der irgendwie unbemerkt blieb.
Newtons erstes Gesetz: Wo ist das Problem?
Aber wo liegt der Fehler denn jetzt? Hoek sagt, dass ein Wort in Newtons Satz mit unless – also "es sei denn" – statt mit dem eigentlich korrekten except insofar – also "insofern nicht" – übersetzt worden sei. Deshalb dachte man bisher, dass das Prinzip besagt, dass ein Objekt sich in einer geraden Linie bewegt oder in Ruhe bleibt, wenn keine äußere Kraft auf es einwirkt. Tatsächlich habe Newton aber festgestellt, dass jede Bewegungsänderung eines Körpers auf äußere Kräfte zurückzuführen ist – sich Körper also bewegen, weil Kräfte auf sie einwirken. Diese Kausalität sei aber durch den Übersetzungsfehler verloren gegangen.
Und was heißt das jetzt? Für die Praxis macht diese etwas andere Interpretation keinen so großen Unterschied. Rein rechnerisch kommt unterm Strich dasselbe raus. Der Übersetzungsfehler sagt viel mehr etwas über Newton selbst aus, sagt Wissenschaftsphilosoph Hoek: Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen habe er von der Praxis her gedacht. Denn Newton sei davon ausgegangen, dass es in der Realität gar keine Körper gibt, auf die keine äußeren Kräfte einwirken. Und dieser Ansatz war für die Zeit, in der Newton lebte und forschte, geradezu revolutionär.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 06. November 2024 | 00:00 Uhr
MDR-Team vor 3 Wochen
Hallo weils so nicht unwidersprochen bleiben darf,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen und das "Aufmerksammachen". Sie haben tatsächlich recht.
Hier auch noch einmal die Quelle: https://www.cambridge.org/core/journals/philosophy-of-science/article/forced-changes-only-a-new-take-on-the-law-of-inertia/3B1DE948FEEC58CD6EB3627F7976CB8F
Wir werden das in den nächsten Stunden im Text korrigieren bzw. anpassen.
- Das MDR WISSEN Team
weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 3 Wochen
Da, lieber Herr Kielon, hat sich ein kleiner, aber wichtiger FEHLER in ihrer Darstellung eingeschlichen. Der - leider - den Beitrag des Herrn Hoek nicht als eine (wenn schon nicht physikalisch so doch ideengeschichlich interessante) "Haarspalterei" erscheinen lässt, sondern als schlichten Unfug. Womit man ihm Unrecht täte ...
Aber wo liegt der Fehler denn jetzt?
"Hoek sagt", schreiben Sie, "dass ein Wort in Newtons Satz mit unless – also
'es sei denn' – statt mit dem eigentlich korrekten insofar – also 'insofern' –
übersetzt worden sei"
Das, lieber Herr Kielon, sagt Hoek keineswegs. Vielmehr sagt er, das die eigentlich korrekte Übersetzung (statt "unless") "EXCEPT INSOFAR" heissen müsse, also (statt "es sei denn")
nicht: "insofern"
sondern: "insofern NICHT"!
Grade das Gegenteil also. - Und NUR so machts auch Sinn.
Also: Bitte korrigieren!
s. Philosophy meets physics: Philosopher uncovers hidden truth about Newton's 300-year old law), vt.edu, Vermont.