Erneuerbare Energie Größtes Windrad der Welt: Grundsteinlegung in der Lausitz für 400-Meter-Giganten
Hauptinhalt
20. September 2024, 11:57 Uhr
Die höchste Windkraftanlage der Welt entsteht in der Lausitz. Das neuartige Windrad wird von einem Dresdner Unternehmen entwickelt und gebaut. Voraussichtlich im Sommer 2025 soll die neue Anlage Energie liefern.
Sie kann höher werden als der Berliner Fernsehturm und Wind dort ernten, wo sich bisher noch kein Flügel einer Windkraftanlage gedreht hat. In Schipkau in Brandenburg, nur wenige Kilometer vom Senftenberger See entfernt, wird heute (19. September 2024) der Grundstein für die größte Windkraftanlage der Welt gelegt. Über 100 Meter lange Flügel sind möglich, die auf einer bis zu 300 Meter hohen Nabe angebracht werden, insgesamt kann damit eine Höhe von rund 400 Metern erreicht werden. Bei der jetzt geplanten Anlage sind es aktuell 364, das ist Platz zwei bei den höchsten Bauwerken, vier Meter unter dem Berliner Fernsehturm.
Ein Jahr lang haben die beventum GmbH, der Auftraggeber des Projektes, und das Dresdner Unternehmen Gicon, das die Anlage entwickelt hat und errichtet, mit einem 300 Meter hohen Messturm die Windverhältnisse untersucht. 40 Prozent mehr Windenergie, die umgerechnet doppelt so viel Stromausbeute bei gleichem Rotordurchmesser ergeben, so die Messungen. Das hatte sich schon in den ersten Tagen abgezeichnet, erklärte Gicon-Gründer Jochen Großmann. "Der Wind hat in dieser Höhe nicht nur höhere Mittelwerte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllaststunden bei Windenergieanlagen in dieser Höhe führt." Das sei vergleichbar mit Offshore-Anlagen auf See, "aber bei Onshore-Betriebsverhältnissen. Das heißt, die Kosten bei der Errichtung und Wartung sind deutlich geringer, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt."
Keine zusätzlichen Flächen nötig
Gegen die Baupläne gab es, anders als bei manchen anderen Windkraftprojekten, keinen Widerstand aus der Bevölkerung in Schipkau und Umgebung, berichtete der RBB. Die Gicon-Gruppe sei schon seit Jahren vor Ort, hatte in Schipkau den damals größten Windpark Europas eingeweiht und bei dem neuen Projekt von Anfang an die Bewohner informiert und mit einbezogen. Die neuen Anlagen benötigen auch keine zusätzliche Fläche, sondern werden zwischen bestehende Windräder gebaut. "Die Türme sind so hoch, dass sich die Rotoren nicht überschneiden und gegenseitig den Wind wegnehmen", so Großmann. Nach den aktuellen Planungen soll das erste Windrad im Sommer 2025 in Betrieb gehen, wenn es keine Bauverzögerungen gibt.
Die Idee für das neue Windrad stammt vom Leipziger Ingenieur Horst Bendix. 2021 hatte MDR Wissen das Projekt des früheren Forschungschefs der Leipziger Kirow-Werke erstmals vorgestellt.
Der damals 92-jährige war überzeugt von seiner Dreibein-Konstruktion, die solche Höhen überhaupt erst ermöglicht. Bendix hatte den klassischen Aufbau einfach umgekrempelt. Die Windkraftanlage von heute besteht aus einem Turm, auf dem sich eine drehbare Gondel mit der Rotornabe befindet, auf der wiederum die Rotorblätter sitzen. In der Gondel ist der Stromgenerator eingebaut und die ganze Anlage steht auf einem kräftigen Fundament. Doch solche Anlagen haben mit einem schweren Problem zu kämpfen: Den Biegekräften. Bendix ersetzte bei seiner Anlage den Turm durch eine Dreibein-Konstruktion, die aus einer vertikalen Säule und zwei Stützsäulen besteht und setzte die Generatoren auf die Erde. Über ein Riemensystem wird die Windenergie von oben nach unten zu diesen Generatoren geleitet.
Ungewöhnlich: Ein Großprojekt im Zeitplan
Die Leipziger Agentur für Sprung-Innovationen (Sprind) erkannte das Potential, gründete die Tochtergesellschaft beventum zur Umsetzung des Projektes. "Wenn es alles so läuft, wie aktuell geplant, haben wir in zweieinhalb Jahren die erste Anlage", sagte Sprind-Projektleiter Julius Keil MDR WISSEN im Mai 2023. Sollten die jetzigen Zeitpläne Bestand haben, dann gibt es voraussichtlich eine Punktlandung in der Lausitz. Fast schon ungewöhnlich in Zeiten, wo Großprojekte gern sehr viel länger dauern als geplant und wir beim Ausbau der Erneuerbaren den gesteckten Zielen hinterherhinken.
Die Entwicklung und Umsetzung des neuen Turms hat die Dresdner Firma Gicon übernommen, die schon länger an Ideen für Höhenwindrädern arbeitet. Anders als vom Leipziger Ingenieur gedacht, werden die Generatoren nicht am Fuß des Turms stehen, sondern oben in der Nabe, so wie man das von allen Anlagen kennt. Statt drei Beinen gibt es vier. Völlig neu ist auch die Konstruktion mit einem inneren und äußeren Turm. Damit lässt sich die Turbine, die auf dem inneren, beweglichen Teil befestigt ist, bis auf eine Höhe von 300 Metern ausfahren.
Hohes Potential für ehemalige Tagebaugebiete
Für diesen Prototypen, der jetzt in der Lausitz gebaut wird, in der Gemeinde Schipkau, genau auf halber Strecke zwischen Dresden und Cottbus, gab es bereits im vergangenen Jahr eine Vielzahl von Standortangeboten, so Sprind-Projektleiter Keil. "Ein hohes Potential sehen wir für ehemalige Tagebaugebiete und für eine zweite Ebene in existierenden Windparks", sagt Keil. So könnten mit dem neuen Windrad auch sogenannte Schwachwindregionen erschlossen werden, wo vorher eine wirtschaftliche Windenergienutzung nicht möglich war.
Horst Bendix hat die Vollendung seiner Idee nicht mehr erlebt, er starb im Juni 2023.
gp
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. September 2024 | 19:45 Uhr
MDR-Team vor 6 Wochen
Hallo part,
TÜV und Bundesverband Windenergie sind sich einig darin, dass noch nie eine Person durch den Defekt einer Windkraftanlage zu Schaden gekommen ist. Und dass die Risiken heutzutage gut handhabbar sind. Dafür sprächen auch "die sehr geringen Haftpflicht-Versicherungskosten für Windenergieanlagen mit unteren dreistelligen Jahresbeiträgen", heißt es vom BWE.
Auch die Versicherer schätzen die Gefahr, dass durch einen Windraddefekt andere Personen geschädigt werden als der Betreiber als sehr gering ein. Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), bestätigt das: "Am teuersten ist - neben den Sachschäden an den Anlagen - die Betriebsunterbrechung", so Käfer-Rohrbach.
(https://www.dw.com/de/halten-windr%C3%A4der-dem-raueren-wetter-stand/a-59684025)
part vor 6 Wochen
Was für ein Schwachsinn, in taifungeplagten Ländern setzt man auf Kleinteiligkeit der WKA. In Ländern mit IQ- Überschuss, setzt man auf Schwingstäbe mit Piezo-Technologie und verbannt solche Monster in der Landschaft. Wo aber Kartelle die Wirtschaft und Politik dominieren, da bleibt wenig Veränderung für neue Innovationen. Hat mal jemand ausgerechnet, was die Versicherungswirtschaft für Solarfelder berechnet bei dem Risiko von Hagelschlag?
astrodon vor 6 Wochen
@trenta: Zum einen sind Wind und PV ja nicht 100% der Erneuerbaren. Zum anderen müssen die Speicher auch nicht so riesig sein. Letztens las ich eine durchaus Ernst zu nehmende Einschätzung der Situation, darin wurde die Wahrscheinlichkeit einer 24h-Dunkelflaute auf 6-10x, die einer mit 48h auf 3x pro Jahr terminiert - nach den Erfahrungen der letzten (10?) Jahre. Diese wären per H²-Elektrolyse und Verstromung kompensierbar.