Planungshelfer Wälder, Wiesen, Wohnflächen - neuer Ökosystem-Atlas zeigt Deutschlands Struktur

21. November 2021, 17:00 Uhr

Wie sieht Mitteldeutschland eigentlich von oben aus: Gibt es da viele Wälder oder doch mehr Landwirtschaft? Wie viele natürliche Wiesen sind da noch und wie viel Platz nehmen Siedlungen und Verkehrswege ein? Das Statistische Bundesamt hat einen Ökosystematlas von ganz Deutschland ins Netz gestellt. Darauf können Sie per Mausklick all das sehen.

Ökosystemkarte
Unsere Laubwälder: So sieht die Verteilung aus laut Ökosystematlas. Das zeigt uns auch, dass Thüringen (Mitte unten) scheinbar doch nicht das "Grüne Herz Deutschlands" ist. Bildrechte: Statistisches Bundesamt

Deutschland in allen Farben: Gelb für Agrarlandschaften, grau für Bebauungen oder unterschiedliche Grüntöne für Nadelwälder, Mischwälder, Laubwälder. Simon Felgendreher hat den Ökosystematlas mit Kollegen beim Statistischen Bundesamt zusammengestellt. Einen derartigen Atlas gab es bisher nicht, sagt er. Die Karten beruhen auf einer neu erstellten Flächenbilanz der Ökosysteme, die kürzlich für die Jahre 2015 und 2018 veröffentlicht wurde. Damit kann für jede noch so kleine Fläche ein Ökosystemtyp bestimmt werden. Oder es lassen sich zum Beispiel Flächen wie Auenwälder und Moore, die für die Kohlenstoffspeicherung und die Klimaregulierung wichtig sind, exakt erfassen.

Wie geht man mit dem Atlas um?

Der Atlas an sich ist nicht schwer zu bedienen, allerdings muss man sich inhaltlich ein bisschen reinfuchsen. Man ruft eine Karte auf, wählt aus, ob man Daten zu Land oder Meer anschauen möchte und klickt dann das gewünschte Ökosystem an. 74 Ökosystemklassen stehen zur Auswahl, zum Beispiel "Siedlungsfläche mit hoher Baudichte", "Abbauflächen, Deponien", "Ackerland", "Grünland", "Fließgewässer", "Feuchtgebiete". Zu sehen sind dann keine Original-Satellitenaufnahmen, sondern unterschiedlich farbig markierte Flächen auf Gemeinde-Ebene. In der Legende links findet man dann die genauen Daten zu den einzelnen Klassen.

Im Vergleich Leipzig & Halle: Waldfläche

Der Vergleich Leipzig und Halle zeigt, dass die Städte bei Wäldern und Gehölzen sehr unterschiedlich bestückt sind: Halle hat mit 17 Prozent deutlich mehr Waldfläche als Leipzig mit 9 Prozent.

Ökosystem-Atlas Halle Wälder
Bildrechte: Statistisches Bundesamt
Ökosystem-Atlas Halle Wälder
Bildrechte: Statistisches Bundesamt
Ökosystematlas Leipzig Wälder
Bildrechte: Statistisches Bundesamt
Alle (2) Bilder anzeigen

Wer braucht so eine detailierte Ökosystem-Aufschlüsselung?

Aber für wen ist dieser Atlas eigentlich gedacht? Simon Felgendreher sagt: "Dieses Datenangebot richtet sich vor allem an die breite Öffentlichkeit. Aber auch an Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen auf kommunaler Ebene, die sehen wollen, welche Ökosysteme es bei ihnen in der Gemeinde, beziehungsweise im Gemeindeverband gibt und auch, wie diese sich verändert haben."

Mann mit Brille
Ralf Seppelt Bildrechte: Sebastian Wiedling UFZ

Das bestätigt auch Landschaftsökologe Ralf Seppelt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Im Gespräch mit MDR WISSEN sagt er: "Der Atlas liefert eine gute Vorlage für Planer, zum Beispiel für solche, die Trassen bauen. Für sie ist es wichtig zu wissen, ob ein Ökosystem häufiger oder selten ist, das durch eine Trasse durchschnitten werden soll. Diese Informationen brauchen Planer auch Bundesländer-übergreifend." Durch die föderalistische Struktur in Deutschland ist das ihm zufolge nämlich gar nicht so einfach: Die Datenerfassung in den einzelnen Bundesländern ist ähnlich unterschiedlich wie das Schulsystem. Das macht es Seppelt zufolge sehr mühselig, Informationen zusammenzutragen, die den Einfluss auf Ökosysteme in Niedersachsen mit denen vergleichen, die in Sachsen oder in Baden-Württemberg stattfinden. "Für all solche Planungsentscheidungen ist der Atlas eine hervorragende Grundlage, und die können damit hoffentlich auch mal schneller erfolgen."

Ökosystem zeigt Entwicklungen einzelner Regionen auf

Der Atlas zeigt auch Veränderungen über mehrere Jahre hinweg. Momentan können Nutzer zwischen 2015 und 2018 vergleichen. Schon in dieser kurzen Zeit sind zum Beispiel die Flächen der Nadelwälder geschrumpft. Darüber hinaus soll der Atlas zukünftig noch mehr Service bieten, sagt Simon Felgendreher vom Statistischen Bundesamt. "Langfristig soll die Datensammlung die Leistung der Umwelt für die Gesellschaft ausweisen und quantifizieren. In einem nächsten Schritt wollen wir den Zustand der Ökosysteme bestimmten."

Momentan ist der Ökosystem-Atlas noch hier auf der Seite des Statistischen Bundesamtes zu finden. Bald soll er eine eigene Homepage bekommen. Der Datenbestand hinter dem Atlas wird alle drei Jahre aktualisiert.

0 Kommentare