Ein dunkel eingefärbter Oktopus schwimmt im klaren Wasser
Der Oktopus gilt als ultmativer Anpassungskünstler: Er lebt sowohl in den eiskalten Meeren der Antarktis, als auch im Mittelmeer. Zum Welt-Oktopus-Tag verraten wir ein paar seiner Tricks. Bildrechte: Imago/PantherMedia / Andreas Zieher

Welt-Oktopus-Tag Der Oktopus ist ein wahrer Verwandlungskünstler und könnte sogar vom Klimawandel profitieren

08. Oktober 2022, 09:00 Uhr

Oktopoden (auch Kraken genannt) haben ein überaus komplexes Gehirn und sind die einzigen Lebewesen auf unserem Planeten mit drei Herzen. Wer die Tiere lediglich als Bestandteil eines Meeresfrüchte-Salats kennt, wird ihnen nicht gerecht. Zum Weltoktopus-Tag (8.10.) gibt es hier deshalb herzerwärmende Fakten ❤️ über die feinsinnigen Meeresbewohner.

Die Augen eines bunt eingefärbten Oktopus
Hinter diesen Augen liegt eines der faszinierendsten Gehirne der Welt. Bildrechte: imago images/YAY Images

❤️ Oktopoden haben einen Lieblingsarm

Oktopoden haben acht Arme – die alle gleichermaßen geschickt im Greifen und Tasten sind. Während wir Menschen meist Rechts- oder Linkshänder sind, sind Oktopoden quasi 360-Grad-Talente.

Wenn sie allerdings etwas Neues erkunden, beispielsweise ein unbekanntes Objekt oder einen neuen Schlupfwinkel, dann benutzen die Tiere immer einen bevorzugten Arm. Meistens ist es ein Arm auf der Vorderseite, die hinteren Arme nutzen Oktopoden dagegen eher zur Fortbewegung. Dass Oktopoden einen bevorzugten Arm haben, entdeckte die Biologin Ruth Byrne im Jahr 2004. Sie vermutete damals, dass die Tiere ähnlich wie wir Menschen auch ein bevorzugtes Auge haben, das sie stärker nutzen. Der bevorzugte Arm ist womöglich der Arm, der diesem Auge am nächsten ist.

Oktopus, Krake, Tintenfisch? Oktopoden (eine ebenfalls korrekte Pluralform ist Oktopusse) gehören zur Klasse der Kopffüßer – das Fachwort ist Cephalopoden. Sie heißen so, weil ihre Arme quasi direkt mit dem Kopf verbunden sind.
Eine Unterkategorie der Kopffüßer sind die Tintenfische. Tintenfische mit acht Armen werden Oktopusse genannt oder auch Kraken. Es gibt aber auch zehnarmige Tintenfische – beispielsweise Kalmare oder Sepien. Bei diesen Tieren ist eines der Armpaare zu Tentakeln umgewandelt.
Vieles aus dem Leben der Cephalopoden in der Tiefsee ist bis jetzt noch unerforscht.

❤️ Turbo-Antrieb

Mit ihren acht Armen gleiten Oktopoden elegant über den Meeresboden. Aber wenn es brenzlig wird, können die Tiere auch ganz schnell abhauen. Dafür aktivieren sie einen körpereigenen Turbo-Antrieb mit Rückstoßprinzip: Sie saugen Wasser in ihre Mantelhöhle und ziehen dann ruckartig die Muskeln zusammen, um dieses Wasser wieder herauszudrücken und in eine bestimmte Richtung zu lenken. Durch die entstehende Druckwelle können sie schnell fliehen.  

Ein gut getarnter Oktopus in einem Riff
Finden Sie den Oktopus? Die Tiere können ihre Farbe an den Untergrund anpassen und sind deshalb in einem Riff auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Bildrechte: Imago/PantherMedia

❤️ Schlau bis in die Tentakelspitzen

Oktopoden haben ein ungewöhnlich komplexes und verästeltes Gehirn – das sich zum Großteil nicht einmal in ihrem Kopf befindet, sondern bis in die äußersten Spitzen ihrer langen Arme verästelt ist. Wo genau das Oktopus-Hirn anfängt und wo es aufhört, ist schwer zu sagen, aber: Insgesamt umfasst das neuronale Netz der Tiere circa 500 Millionen Nervenzellen, von denen zwei Drittel in ihren Armen stecken. Jeder Oktopus-Arm hat seine eigene Sensorik und Steuerung und jeder einzelne Saugnapf hat 10.000 Neuronen. Ein Vergleich: Bienen, die ja auch schon nicht gerade unterkomplex sind, verfügen insgesamt über eine Million Neuronen. Ein Oktopus-Saugnapf ist übrigens auch ein wahres Multitasking-Instrument: Die Tiere können damit ansaugen und tasten – aber auch schmecken.

Wie genau die klugen Tiere ihr großes Gehirn entwickelt haben, ist noch nicht abschließend geklärt. Für viele andere intelligente Tiere, wie beispielsweise Primaten, scheint die soziale Interaktion in der Gruppe für die Entwicklung komplexer Denkmuster maßgeblich gewesen zu sein. Oktopoden wiederum sind Einzelgänger.

Eine mögliche Erklärung für das komplexe Hirn der Tiere ist, dass sie sich ihren Lebensraum oft nicht bewusst aussuchen, sondern als Jungtiere von Meeresströmungen an unbekannte Orte getrieben werden. Dort müssen sie sich dann behaupten, sei es als Bewohner eines Korallenriffs oder auf kargem Sandboden. Durch stetiges Ausprobieren erweitern sie auch ihr Beutespektrum über Muscheln auf Fische und Krabben, möglicherweise erlegen und verspeisen sie sogar Vögel, die über dem Meer fliegen. Das erfordert eine große Anpassungsfähigkeit, bei der dem Oktopus sein verästeltes Gehirn hilft.

❤️ Ausgeprägter Spieltrieb

Der US-Biologe Roland C. Anderson berichtete bereits 1999 in einem Psychologie-Journal über Oktopoden, die mit einer leeren Pillendose spielten. Sie beförderten die Dose in den Wasserstrom ihrer Aquarienpumpe, sodass diese die Dose einmal durch das Wasserbecken und wieder zurücktrieb. Dieses Spiel wiederholten einige Oktopoden mehrmals – fast so als würden sie eine Runde Solo-Squash spielen.

Ein solcher Spieltrieb, wie ihn einige – aber nicht alle – Oktopoden zeigen, ist für Forschende spannend, weil er ein Indiz für die gesteigerte Intelligenz der Tiere ist. Allgemein dient Spielen im Tierreich oft dazu, Verhaltensweisen einzuüben, die später nützlich sind, beispielsweise bei der Jagd. Welche Funktion der Spieltrieb für den Oktopus hat, ist allerdings noch nicht geklärt. Bis jetzt ist es eines von vielen Geheimnissen der faszinierenden, aber wenig erforschten Tiere.

❤️ Klimaresistent dank blauem Blut  

Drei Herzen – ein Hauptherz und zwei Kiemenherzen – pumpen beim Oktopus Blut durch den gesamten Körper. Für den Transport von Sauerstoff im Blut ist bei Oktopoden Kupfer zuständig und nicht etwa Eisen wie beim Menschen. Ihr Blut enthält statt des roten Hämoglobins, das unserem menschlichen Blut die Farbe gibt, das Pigment Hämocyanin. Deshalb ist das Blut des Oktopus nicht rot, sondern blau.

Ein Oktopus untersucht einen Gegenstand auf dem Meeresboden
Ein Oktopus untersucht einen Gegenstand auf dem Meeresboden. Dank ihrer Neugierde und Anpassungsfähigkeit können die Tiere mit stark variablen Umweltbedingungen umgehen. Bildrechte: imago images / Westend61

2015 untersuchte ein Wissenschaftler-Team am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung das Blut der Tiere. Das Ziel der Forschenden: Sie wollten herausfinden, warum Oktopoden sowohl in den eiskalten Gewässern der Antarktis, als auch im deutlich wärmerem Mittelmeer überleben können. Das Geheimnis liegt tatsächlich im blauen Blutfarbstoff: Die Tiere in kalten Gewässern hatten eine um bis zu 40 Prozent höhere Hämocyanin-Konzentration.

Weil bei niedrigeren Temperaturen weniger Sauerstoff abgegeben wird, können Oktopoden durch die höhere Hämocyanin-Konzentration dennoch eine gute Versorgung ihrer Organe mit Sauerstoff gewährleisten. Damals resümierten die Wissenschaftler, dass dieser Mechanismus nicht nur für die Kälteanpassung nützlich sein könnte, sondern womöglich auch bedinge, dass Oktopoden höhere Temperaturen tolerieren können. Zumindest ihre Sauerstoffversorgung können die Tiere dank des blauen Blutes unter sehr variablen Temperaturbedingungen sichern.

Oktopoden wird zugeschrieben, potenziell zu den Gewinnern des Klimawandels zu zählen.

Jan Hoving | Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel

Insgesamt gehen Forschende davon aus, dass die Oktopus-Population derzeit nicht unbedingt in Gefahr ist – auch wenn sich die Lebensbedingungen in unseren Ozeanen mit dem Klimawandel verändern. Von einigen Kopffüßern sei bekannt, dass sie relativ gut mit wechselnden Umweltbedingungen zurechtkommen, erklärt der Meeresbiologe Henk-Jan Hoving vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. "Es wird ihnen zugeschrieben, potenziell zu den Gewinnern des Klimawandels zu zählen." Allerdings müsse noch stärker erforscht werden, für welche Arten dies zutrifft.

Für einige Regionen gebe es die Hypothese, dass Oktopoden im Nahrungsgeflecht den Platz von Fischen übernommen haben, deren Populationen unter der Überfischung leiden, erklärt Hoving: "Kopffüßer sind Opportunisten und sehr variabel, was die Beute angeht." Es sieht also ganz so aus, als würde es die intelligenten Multitalente noch eine ganze Weile in unseren Weltmeeren geben. Umfassend erforscht sind Oktopoden aber noch lange nicht – womöglich werden sie uns noch das ein oder andere Mal mit ihrem Intellekt überraschen. Und niedlich sind sie allemal!

Links/Studien

Hopkin, M. Octopuses have a preferred arm. Nature (2004). https://doi.org/10.1038/news040614-1
Mather, Jennifer & Anderson, Roland. (1999). Exploration, Play, and Habituation in Octopuses (Octopus dofleini ). Journal of Comparative Psychology. 113. 333-338. 10.1037/0735-7036.113.3.333.
Anderson, Roland & Shimek, Ronald. (2014). Octopuses Have a Fowl Diet. American Malacological Bulletin. 32. 220-222. 10.4003/006.032.0213.
Oellermann, M., Lieb, B., Pörtner, HO. et al. Blue blood on ice: modulated blood oxygen transport facilitates cold compensation and eurythermy in an Antarctic octopod. Front Zool 12, 6 (2015). https://doi.org/10.1186/s12983-015-0097-x

iz/dpa

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