Dantokpa Markt, 2015
Benins Hauptstadt Cotonou im Jahr 2015: In dem westafrikanischen Land existierten bereits im Sommer 2021 Coronavarianten, die genetische Ähnlichkeit mit dem späteren BA.1 haben. Bildrechte: IMAGO / Hans Lucas

Sars-CoV-2 Corona: Omikron könnte viele afrikanische Vorgänger haben

20. Dezember 2022, 16:45 Uhr

Forscher haben systematisch Coronaproben aus Afrika ausgewertet, um den Ursprung von Omikron zu rekonstruieren. Sie glauben, BA.1 war das Ergebnis einer über den ganzen Kontinent verteilten Virusevolution.

Update 20.12.2022: Fischer und Kollegen haben nach Kritik verschiedener Forscher an der Studie die Daten erneut analysiert und die Ergebnisse nicht wiederholen können. Sie ziehen die Studie deshalb zurück. Ob es Omikron-Vorläufer in Afrika gab, ist damit wieder offen.

Zur Entstehung der Omikron-Variante gibt es viele Theorien, bislang aber keine eindeutigen Beweise. Eine frühe Vermutung lautete, das Virus könnte sich in immungeschwächten Patienten an das menschliche Verteidigungssystem angepasst haben, also etwa Personen mit HIV, die das Virus zwar im Schach halten aber nicht völlig ausschalten können. Diese Theorie gilt inzwischen aber als sehr unwahrscheinlich.

Einer anderen These zufolge hat sich Omikron nach einer Übertragung von Menschen auf Mäuse in den Nagetieren entwickelt und wurde danach rückübertragen. Auch dafür gibt es bislang aber nur schwache Belege.

Ein internationales Team hat nun Proben von positiv auf Corona getesteten Patienten aus Afrika neu ausgewertet und die jeweilige genetische Verwandtschaft zur ersten Omikron-Variante BA.1 bestimmt. Aus dieser Untersuchung schließen die Wissenschaftler, dass es eine ganze Reihe von Vorgängern bei Menschen gegeben haben könnte und Omikron BA.1 sozusagen die Spitzer dieser Evolution gewesen wäre.

Erster BA.1 Ausbruch sehr wahrscheinlich in Südafrika

An der jetzt in Science erschienenen Studie waren unter anderem Carlo Fischer von der Berliner Charité, Tongai Gibson Maponga von der Stellenbosch University in Südafrika und Ange Yadouleton vom Labor für Viruserkrankungen in Cotonou in Benin beteiligt. Sie haben insgesamt 13.097 Proben aus 22 Ländern aus ganz Afrika neu analysiert, die zwischen Sommer 2021 und Anfang 2022 genommen wurden.

Auch wenn die Wissenschaftler den genauen Ursprung auch bei dieser Untersuchung nicht feststellen konnten, so zeigte sich dennoch ein überraschendes Bild. Seinen ersten massiven Ausbruch hatte BA.1 demnach tatsächlich in Südafrika, wo es das erste Mal sequenziert wurde. Von dort zeigte sich im Anschluss ein deutlicher Süd-Nord-Gradient bei der Verteilung des jeweils ersten Auftauchens der neuen Variante. Demnach bildeten offenbar sowohl die Sahara als auch die vom Inselstaat Madagaskar zunächst gekappten Flugverbindungen eine Grenze, die die Ausbreitung der Variante leicht verzögert haben.

Möglicher Omikron-Vorgänger nahezu überall in Afrika

Allerdings vergingen in der Regel nur 28 Tage zwischen dem ersten Auftauchen von BA.1 in einem Land und der Verdrängung der vorangegangenen Deltavariante. Der R-Wert, mit dem die Ausbreitungsgeschwindigkeit beschrieben wird, habe demnach fünf Tage nach der ersten Feststellung des neuen Virus 4,1 betragen. Das bedeutet, dass eine infizierte Person mehr als vier weitere Personen angesteckt hat. Das sei konsistent mit den in Europa und den beiden Amerikas festgestellten anfänglichen R-Werten von BA.1, die damals bei 3,4 lagen.

Während sich keinerlei Hinweise auf einen Ursprung außerhalb von Afrika ergeben haben, zeigt eine Analyse von Erbgutproben von August und September, dass es in West- und Ostafrika bereits Varianten gab, die eine hohe genetische Ähnlichkeit mit BA.1 hatten und deshalb Vorläufer des heute dominanten Coronavirus sein könnten. Proben mit näher und ferner verwandten Viren stammten demnach etwa aus Mali und Niger am Südrand der Sahara, aber auch Benin und Ghana im Westen und Uganda und Kenia im Osten des Kontinents.

Omikron bereits weit verbreitet: Reisebeschränkungen hatten kaum einen Effekt

Die raschen Reisebeschränkungen, die unter anderem die europäischen Länder gegen die Staaten des südlichen Afrikas zu Beginn der Omikron-Ausbruchs verhängten, seien laut den Forschern ineffektiv gewesen. Während sie einen ökonomischen Schaden von rund 600 Millionen Dollar angerichtet hätten, hätten sie die Ausbreitung praktisch nicht mehr eingedämmt, da das Virus zu diesem Zeitpunkt bereits in zahlreichen Ländern zirkulierte.

(ens)