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Die Forscher Takehiko Ogura und Wolfgang Busch mit ihrem Untersuchungsgegenstand. Bildrechte: Salk Institute

GenforschungMit Pflanzen-Wurzeln gegen den Klimawandel

12. Juli 2019, 16:45 Uhr

Eine der entscheidenden Fragen rund um die Klimakrise: Wie können wir das "zu viel" in der Atmosphäre vielleicht wieder einfangen? Eine Möglichkeit dafür sind Pflanzen. Die nutzen das CO2 einerseits für die Photosynthese, speichern es aber auch in ihren Wurzeln. Forscher aus Österreich haben nun das Gen entdeckt, das diesen Vorgang steuert.

Die Idee ist so simpel wie genial: Die Wurzeln von Pflanzen speichern Kohlenstoff im Boden und können so das Kohlendioxid in der Atmosphäre verringern - ein unterirdischer CO2-Speicher sozusagen. Je tiefer und robuster die Wurzeln sind, desto mehr Kohlenstoff können die Pflanzen über einen längeren Zeitraum speichern. Man bräuchte also Pflanzen mit besonders tiefen Wurzelsystemen.

Forscher würden solche Pflanzen gern gezielt züchten. Doch bisher war unklar, welche genetischen und molekularen Mechanismen regeln, welche Teile des Bodens von Wurzeln auf der Suche nach Nährstoffen durchsucht werden, schreiben Wissenschaftler des Wiener Gregor Mendel Instituts für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI), der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und des kalifornischen Salk-Instituts.

Das Wurzel-Wachstums-Gen

Doch dem Team ist es gelungen, das Gen zu finden, das beeinflusst, ob die Wurzeln nur oberflächlich oder weit in die Tiefe wachsen. Ihre Untersuchung wurde im Fachmagazin "Cell" veröffentlicht. Mit dem Wissen über dieses Gen könnten nun gezielt Pflanzen entwickelt werden, die den Klimawandel bekämpfen sollen, so die Forscher.

Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist, die CO2-Menge in der Atmosphäre zu reduzieren. An einer Lösung dafür zu arbeiten bedeutet mir sehr viel. Daher begeistert mich dieses erste Ergebnis.

Wolfgang Busch, Associate Professor und Mitglied des Salk’s Plant Molecular and Cellular Biology Laboratory

Für ihre Untersuchung haben die Forscher sich genau mit der Pflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auseinandergesetzt. Sie identifizierten Gene und Genvarianten, die die Wirkung des Hormons Auxin regulieren. Das spiele eine Schlüsselrolle in der Kontrolle der Wurzelsystem-Architektur. Aber welche Faktoren bestimmen, wie genau das Auxin den Bau des Wurzelsystems beeinflusst?

Halbierte Pflanzen liefern die Lösung

Kleine Pflanze der Erkenntnis: Ackerschmalwand Bildrechte: imago/blickwinkel

Um das herauszufinden und das Pflanzenwachstum besser beobachten zu können, haben die Forscher eine neue Methode entwickelt. Denn die Wurzeln der Ackerschmalwand sind extrem klein und schwer zu erkennen, erläutert der Erstautor der Studie Takehiko Ogura aus dem Labor von Busch. Die Lösung: Die Pflanze einmal in der Mitte teilen. "Indem wir die Pflanze halbierten konnten wir die Wurzelverteilung im Boden besser beobachten und messen", so Ogura.

Und das hat offenbar geholfen: Das Team entdeckte, dass ein Gen den Bauplan des Wurzelsystems direkt reguliert, indem es die Signalwege des Hormons Auxin kontrolliert. Die Forscher änderten das Gen also etwas und siehe da: Die Richtung des Wurzelsystems verschob sich tatsächlich und die Wurzeln wuchsen tiefer in den Boden, schreiben die Österreicher.

Wir haben nun eine Verbindung hergestellt, wie dieses Gen das Verhalten von Wurzeln beeinflusst. Dadurch haben wir einen wichtigen Schritt aufgedeckt, wie Pflanzen sich durch die Auxin-Signalwege an veränderte Umweltbedingungen anpassen.

Die Forscher können nun nicht nur Pflanzen mit besonders tief wachsenden Wurzelsystemen entwickeln. Die Entdeckung helfe außerdem auch zu verstehen, wie Pflanzen eigentlich auf saisonale Regen-Schwankungen reagieren und wie man Pflanzen dabei helfen könnte, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen - etwa in anhaltenden Trockenzeiten.

Anpassungsfähige Feldfrüchte

Das Forscherteam will sich nun weiter mit den Auxin-Signalwegen in Pflanzen und den Wurzel-Genen befassen, sagt Pflanzengenetiker Busch. "Das wird uns helfen, bessere und anpassungsfähigere Sorten von Erntepflanzen wie Sojabohnen und Mais zu schaffen", ergänzt er. "Damit Bauern mehr Nahrung für die wachsende Weltbevölkerung produzieren können."

Dieses Thema im Programm:3sat/nano | 05. Juli 2019 | 18:30 Uhr

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