Seitenansicht: Junger Mann mit Mütze steht an Mensa-Theka und bekommt mit einer Kelle etwas auf den Teller gereicht. Hinter ihm junge Frau, die von einer anderen Frau gleichermaßen bedient wird.
"Heute etwas mehr Brokkoli, ich esse alleine." Bildrechte: imago/Shotshop

Vegan, vegetarisch oder Fleisch? Pflanzliche Ernährung macht keine gute Laune – aber hält sie

07. März 2023, 17:07 Uhr

Guten Appetit und gute Laune. Oder doch nur andersrum? Ist nicht so einfach, sagen Forschende aus Leipzig. Denn hypothetisch müssten pflanzliche Gerichte für bessere Stimmung sorgen. Ganz so simpel scheint das aber nicht zu sein – spannende Erkenntnisse gibt's trotzdem.

Es soll ja Menschen geben, denen bereitet es Freude, Gutes zu tun. Und es soll ja Menschen geben, denen bereitet es Freude, ein Vorbild zu sein (wahlweise auch: die Mitmenschen zu belehren). Wenn Sie sich da irgendwie wiederfinden, haben Sie gute Chancen, dass pflanzliche Ernährung Ihre Stimmung hebt. Aber nicht nur dann, sondern auch, wenn es Ihnen Freude bereitet, wohlgesättigt vor Ihrem leergeputzten Tellerchen zu sitzen. Allerdings ist es dann irgendwie auch egal, was da drauf gelegen hat, sagt eine neue Studie aus Leipzig. Zumindest wenn es schmeckt.

Tatsächlich ist es nicht so richtig geklärt, was es mit unserer Psyche macht, wenn wir pflanzliche Produkte essen, also ob es uns wirklich beflügelt, wenn wir auf Geflügel verzichten (und anderes Fleisch), in dem Wissen, dass wir dadurch die landwirtschaftlichen Klimaemissionen erheblich senken und nicht der Auslöser für Tierleid sind. Andererseits: Das Steak in der Nase ist ja irgendwie auch schon der halbe Sommernachtstraum im Schrebergarten, also möglicherweise stimmungserhellend. Statt zu mutmaßen, hat Evelyn Medawar mit ihrem Team vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine flotte Hypothese aufgestellt, die es zu überprüfen galt: "Da Ballaststoffe mit einer verbesserten Signalübertragung zwischen Darm und Gehirn in Verbindung gebracht werden, haben wir die Hypothese aufgestellt, dass eine pflanzliche Mahlzeit im Vergleich zu einer tierischen Mahlzeit ein höheres Sättigungsgefühl und eine bessere Stimmung hervorrufen würde."

Essen macht satt. Meistens.

Um das herauszufinden, mussten Probandinnen und Probanden Daten liefern – und zwar solche Menschen, die ordentlich Hunger haben, aber deren Ernährungsgewohnheiten vielleicht auch nicht ganz eintönig sind: 16.300 Mensa-Gängerinnen und -Gänger an 400 Mensen in ganz Deutschland. Mithilfe eine App waren sie angehalten, die gegessenen Gerichte zu bewerten und über Emojis ihr Hungergefühl vor und nach dem Essen auszudrücken. 🤤 Erste tollkühne Erkenntnis: Eine Mahlzeit führt in der Regel zu einem Sättigungsgefühl. Zweite Erkenntnis: Das Verzehren führt auch zu besserer Stimmung, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht vegan, vegetarisch oder eines mit Fleisch ist.

Aber, jetzt wird's interessant: "Personen, die sich für eine pflanzliche Mahlzeit entschieden, berichteten über eine etwas bessere Stimmung vor und einen geringeren Anstieg der Stimmung nach der Mahlzeit im Vergleich zu Personen, die sich für eine tierische Mahlzeit entschieden", erklärt Evelyn Medawar. "Der Proteingehalt beeinflusste das Sättigungsgefühl nach der Mahlzeit außerdem, wenn auch nur geringfügig, während das Geschlecht und die Geschmacksbewertung einen starken Einfluss auf das Sättigungsgefühl und die Stimmung im Allgemeinen hatten."

Frauen und Diverse neigen eher zu pflanzlichen Gerichten

Wenig überraschend: Insgesamt haben mehr Frauen und geschlechtlich-diverse Personen pflanzliche Gerichte verzehrt. Und: Hauptsach' gut gess! Denn bei schlechten Mahlzeiten stieg der Hunger nach dem Essen an, außerdem waren sie ein Stimmungskiller. Bei sehr wohlschmeckenden Gerichten nahm das Hungergefühl ab und die Stimmung stieg – jetzt nicht auf Party-Niveau, aber immerhin moderat. Interessant ist auch, dass pflanzliche Gerichte häufiger alleine verzehrt wurden (man hätte ja denken können, es sei aus diversen Gründen genau anders herum). Dass die Stimmung bei veganen Gerichten nach dem Essen nicht so stark steigt wie bei Fleischgerichten, könnte somit auch am sozialen Austausch in Gruppen zusammenhängen.

Trotzdem, da ist die Forscherin vom Max-Planck-Institut ganz ehrlich: "Wir konnten insgesamt keine tiefgreifenden Auswirkungen von pflanzlichen gegenüber tierischen Mahlzeiten auf Sättigung und Stimmung feststellen", resümiert Evelyn Medawar. Aber es gibt auch etwas Erfreuliches: 45 Prozent der analysierten Gerichte waren vegetarisch oder vegan, es gibt also eine große Nachfrage nach fleischfreien Gedecken. Wenn man bedenkt, wie viele Mahlzeiten jeden Tag in den 400 Mensen über die Theke gehen, stimmt das hinsichtlich der klimatischen Herausforderungen unserer Zeit hoffnungsfroh. Was den Proteingehalt und die Schmackhaftigkeit von pflanzlichen Gerichten betrifft: Da sollte wohl noch nachgebessert werden, meinen die Forschenden. Aber trotz aller Mordernisierungsbestrebungen müssen sich Mensen ja auch irgendwie treu bleiben.

flo

Links/Studien

Die Studie Effects of single plant-based vs. animal-based meals on satiety and mood in real-world smartphone-embedded studies erscheint im Fachjournal npj science food.

DOI: 10.1038/s41538-022-00176-w

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 06. März 2023 | 08:50 Uhr