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Doktorandin Ceren Kimna bei einem mechanischen Dehnungsversuch des neu entwickelten Films zur Wundheilung Bildrechte: Technische Universität München

WundverbandMultifunktionspflaster aus München: Es schützt, heilt und löst sich am Ende selbst auf

01. Juni 2022, 13:41 Uhr

Kennen Sie das Pflaster der Zukunft? Es schützt und beschleunigt die Wundheilung, es weist Bakterien ab und hemmt Entzündungen, es setzt Wirkstoffe zielgerichtet frei und löst sich am Ende noch selbst auf, und es funktioniert nicht nur auf der Haut, sondern sogar in unserem Körper. Tatsächlich hat eine Forschungsgruppe der TU München genau so etwas entwickelt.

Pinzette hält multifunktionales €žPflaster Bildrechte: Technische Universität München

Wie funktioniert das? "Das Pflaster ist ein dünner, flexibler Film, der im trockenen Zustand mit der Pinzette angehoben und auf einer Wunde platziert wird", erklärt Studienerstautorin Ceren Kimna. Die Unterseite dieses Films wird bei Kontakt mit feuchtem Gewebe gelartig und klebrig. So haftet der Film von allein auf dem Gewebe. Der Film selbst ist zweilagig und hat jeweils andere Eigenschaften, wie Professor Dr. Oliver Lieleg erklärt. Die Oberseite besteht aus biologisch abbaubarem Kunststoff; die Unterseite, die auf dem Gewebe haftet, aus Mucin, also Molekülen, die auf Schleimhäuten vorkommen. Diese wurden nun erstmals für pflasterartige Filme eingesetzt. "Mucine wirken antibakteriell, hemmen Entzündungen und hindern unerwünschte Zellen daran, sich in der Wunde anzusiedeln“, erklärt Biophysiker Lieleg, der diese Moleküle seit Jahren erforscht.

Mucin-Gewinnung derzeit noch teuer

Könnte man sich diesen Pflastertyp in der Hausapotheke vorstellen, oder ist das Material zu teuer oder nicht lange genug haltbar? Der Wissenschaftler antwortet: "Die Haltbarkeit unseres Konstrukts im trockenen Zustand ist sehr gut. Hier sehe ich keine Probleme hinsichtlich einer zukünftigen kommerziellen Anwendung." Das klingt ja erst mal gut.

Oliver Lieleg, Professor für Biomechanik an der Technischen Universität München Bildrechte: Technische Universität München

Der Teufel im Detail steckt momentan noch in der Gewinnung des Mucins, der Hauptkomponente des Pflasterfilms, wie Lieleg erläutert: "Aktuell reinigen wir das Mucin selbst aus tierischen Gewebeproben auf, da bisher vergleichbare, kommerziell verfügbare Mucine beschädigt und daher in ihrer Funktionalität stark eingeschränkt sind." Also sind Verfügbarkeit und damit der Preis dieses hochfunktionalen Moleküls quasi der "Flaschenhals", der vor der Kommerzialisierung des Pflastertyps steht, führt der Forscher weiter aus. Eine technisch leichter umsetzbare Methode sei aber in Arbeit, um solche hochfunktionalen Mucine auch in größeren Mengen reinigen zu können: "Die Sterilisierbarkeit unserer Mucine haben wir bereits erfolgreich erprobt – und auch in unserem Biomolekül-Film haben alle Komponenten solch einen Sterilisationsprozess gut überstanden. Damit sind eigentlich alle Voraussetzungen gegeben, damit in der Zukunft unser biologisches Pflaster auch kommerziell hergestellt werden kann."

Selbstauflösendes Filmpflaster in der Hausapotheke?

Bildrechte: Technische Universität München

Vermutlich wird das Filmpflaster in Zukunft trotzdem nicht in unseren Hausapotheken landen, wenn wir Schrammen und Abschürfungen von der Gartenarbeit oder vom Radausflug verarzten. "Unser sich selbst abbauender Film aus Biomolekülen kann seine Vorzüge am besten auf 'komplizierten' Wunden ausspielen, auf denen normale Pflaster nur schlecht haften, wo solche Standardpflaster schlicht und ergreifend störend wären oder wo man sie nur schwer wieder entfernen kann, zum Beispiel bei inneren Körperwunden nach chirurgischen Eingriffen," sagt der Wissenschaftler.

Links/Studien

Die Studie "Multifunctional ‘Janus-type’ bilayer films combine broad-range tissue adhesion with guided drug release" lesen Sie hier im Original.

(lfw)

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