Pille für den Mann US-Forscherinnen vermelden ersten erfolgreichen Test

Die Pille ist das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen – und damit ist in Deutschland Verhütung meist Frauensache: Denn die Frau muss das Hormon-Präparat täglich einnehmen. Es gaukelt dem Körper eine Schwangerschaft vor und verhindert so den Eisprung. Aber kann nicht auch der Mann Hormone einnehmen, um zu verhüten? Prinzipiell schon, sagen Experten, aber das ist nicht so einfach. Doch US-Forscherinnen haben in einem Test die Hoffnungen auf eine Pille für den Mann erneut entfacht.

Anti-Baby-Pille 5 min
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Die Pille ist das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen – und damit ist in Deutschland Verhütung meist Frauensache: Denn die Frau muss das Hormon-Präparat täglich einnehmen. Es gaukelt dem Körper eine Schwangerschaft vor und verhindert so den Eisprung. Aber kann nicht auch der Mann Hormone einnehmen, um zu verhüten? Prinzipiell schon, sagen Experten, aber das ist nicht so einfach. Doch US-Forscherinnen haben in einem Test die Hoffnungen auf eine Pille für den Mann erneut entfacht.

Vorsicht vor zu viel Euphorie

Professor Hermann Behre hält nichts von zu viel Euphorie. Er ist Direktor des Zentrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Halle. Auch dort hat man schon auf diesem Gebiet geforscht. Doch eine Pille für den Mann zu entwickeln, ist eine komplizierte Angelegenheit. Die Studie aus den USA sei aber eine interessante Arbeit:

 Dass das grundsätzlich funktioniert, ist auch schon gezeigt worden.

Prof. Hermann Behre Uniklinik Halle

Auch an der Uni Halle wurden solche Studien schon durchgeführt, so Behre. Und die  haben nachgewiesen, "dass man damit eine sehr effektive, also sichere Verhütung erreichen kann. So gesehen, ist das ein sehr sinnvoller Ansatz".

Spermienproduktion wird eingestellt

Der Ansatz der Forscherinnen von der University of Washington und der University of California Los Angeles ist nicht neu, aber schwierig umzusetzen: Sie nutzen Androgene – also männliche Sexualhormone, die die Spermienbildung steuern. Sie steuern im Gehirn die Bildung anderer Hormone, die für die Spermienbildung im Hoden zuständig sind, erklärt Behre. Das bekannteste ist wohl das Testosteron. Und wenn man das von außen zugibt, dann werden diese Hormone gehemmt.

Und wenn diese Botenstoffe gehemmt werden, dann geht das Signal an den Hoden: Produziere keine Spermien mehr!

Prof. Hermann Behre

Dann sind auch keine Spermien mehr in der Samenflüssigkeit, erklärt Behre. Und damit kann auch keine Eizelle mehr befruchtet werden. Alle anderen sexuellen Funktionen bleiben aber erhalten.

Männliche und weibliche Hormone kombiniert

Doch es gibt ein Problem: Bei einer so hohen Dosis Testosteron, kommt es zu heftigen Nebenwirkungen – unter anderem würde die Blutbildung stark ansteigen. Deshalb kombinieren die US-Forscherinnen in ihrem Präparat ein künstliches Androgen mit einem Progesteron – also einem weiblichen Hormon, erklärt Medizin-Professorin Christina Wang von der University of California in Los Angeles (UCLA).

Studien haben gezeigt, dass die Kombination eines männlichen Hormons mit einem Progesteron die Spermienproduktion viel schneller und vollständiger unterdrückt als das männliche Hormon allein.

Prof. Christina Chung-Lun Wang UCLA

Denn damit, Wang weiter, unterdrücken sie "die Hormonproduktion im Gehirn, die die Spermienproduktion in den Hoden kontrollieren. Allerdings ist die Verbindung 11-beta-MNT auch ein männliches Hormon, sodass die Männer keinen Unterschied fühlen werden, weil es im Körper wie Testosteron wirkt".

Studie mit 40 Männern

Wang hat mit diesem Präparat nun erfolgreich eine erste Studie an Männern gemacht. Allerdings sei zunächst getestet worden, ob Männer es überhaupt vertragen. 40 Männer haben an der Studie teilgenommen – zehn bekamen ein Placebo, 30 das neue Präparat in unterschiedlichen Dosierungen. Die Probanden mussten die Tablette 28 Tage lang mit einer Mahlzeit einnehmen. Hat sich ihr Hormonhaushalt dadurch verändert?

Wir haben gesehen, was wir erwartet hatten: Es unterdrückt im Gehirn die Produktion der beiden Hormone, die die Hodenfunktion steuern. Außerdem haben wir eine starke Unterdrückung von Testosteron gesehen.

Prof. Christina Chung-Lun Wang

Der körpereigene Testosteronspiegel sei teilweise bis auf Werte gesunken, die typisch für einen Testosteronmangel seien. Das spreche für eine effektive Verhütungswirkung heißt es in der Auswertung. Doch der Hallenser Männermediziner Behre warnt vor zu viel Optimismus, denn das seien ganz frühe Studien. Ob die Spermienbildung eingeschränkt wird, sei nicht untersucht worden und auch nicht, ob es eine ungewünschte Schwangerschaft verhindern könne.

Man hat eben geschaut, ob das Prinzip funktionieren kann.

Prof. Hermann Behre

Das kann es, erklärt US-Forscherin Wang. Sie will nun mit dem Präparat in eine sechsmonatige Studie starten. Sollte alles problemlos funktionieren, werde es trotzdem noch mindestens zehn Jahre dauern, bis diese Pille für den Mann auf den Markt kommen könnte. Bisher sei sie aber sehr zufrieden mit dem Wirkstoff – vor allem, weil es offenbar nur sehr geringe Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Akne gebe.

Die Nebenwirkungen sind nicht riskanter oder weniger riskant als bei der Pille für die Frau. Jeder reagiert anders und das Risiko der Männer-Pille ist wahrscheinlich das gleiche wie bei der Frauen-Pille.

Prof. Christina Chung-Lun Wang

Doch auch in diesem Punkt bleibt Medizin-Professor Behre kritisch: Noch sei es viel zu früh, um die Nebenwirkungen beurteilen zu können. Aber was ist eigentlich so schwer daran, ein hormonelles Verhütungsmittel für den Mann zu entwickeln – fast 60 Jahre nach der Markteinführung der Pille für die Frau?

Bei der Pille für die Frau geht es darum einen Eisprung alle vier Wochen zu verhindern.

Prof. Dr. Hermann Behre

Der Mann aber, "produziert, wenn er gesund ist, ungefähr hundert Millionen Spermien pro Tag und da ist das Ziel diese hundert Millionen Spermien auf null zu senken". Und das  ist natürlich erheblich schwieriger, sagt Behre, "aber es geht".

Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe

Und es sollte auch gemacht werden, ergänzt der Reproduktionsmediziner aus Halle. Denn aus seiner Erfahrung sei die Bereitschaft bei den Männern, sich an der Verhütung auch in dieser Form zu beteiligen, eigentlich da. Diesen Eindruck stützten auch große internationale Studien. Das sei auch eine Frage der Gleichberechtigung. Und deshalb müssen wir auch "an solchen Untersuchungen teilnehmen, wir müssen sie fördern. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe", meint Behre.

Das Ziel der medizinischen Forscher ist natürlich eine sichere, hormonfreie und reversible Verhütungsmethode zu entwickeln. Aber noch sei unklar, ob das überhaupt geht. Bis dahin ist Behre zufolge der hormonelle Ansatz der, der am ehesten zum Erfolg führen könnte.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 07. April 2019 | 09:20 Uhr