Bastkorb mit gesammelten Waldpilzen.
Pilzesammeln: ein beliebtes Vergnügen im Herbst. Bildrechte: imago images/Frank Sorge

Pilzsaison Vorsicht bei Pilze-Apps: Ohne Hintergrundwissen drohen Pilzvergiftungen

03. April 2024, 16:18 Uhr

Das Handy mit der Pilz-App liegt leichter in der Hand als das Buch mit 300 oder 400 Seiten. Und es ist sowieso immer dabei. Aber wie sinnvoll und sicher ist die Pilz-Analyse per App? Und gibt es seither mehr Vergiftungen, wie einige Experten behaupten?

  • Pilz-Apps sind keine guten Ratgeber für Anfänger, aber für geübte Sammler hilfreich, um Wissen zu checken oder erweitern.

  • Wer sich selbst als Pilzkenner sieht, kann sein Wissen leicht überschätzen.

  • Pilzsachverständige kann es nicht genug geben, nur fehlt es an Nachwuchs.

  • Giftige Pilze bleiben auch gefroren oder getrocknet giftig.

2015 hat Pilzexperte Dr. Wolfgang Prüfert von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie sieben Pilz-Apps systematisch ausgewertet. Seither hat sich viel getan auf dem Markt der Pilz-Apps, die auch dabei helfen wollen, zwischen genießbaren und ungenießbaren zu unterscheiden. Wie ist der Stand heute? "Ich habe den Markt weiterverfolgt, die Essenz meiner Bewertung von 2015 gilt nach wie vor: Es ist lebensgefährlich, sich beim Speisepilzsammeln auf eine App zu verlassen," sagt der Experte im Gespräch mit MDR WISSEN ganz deutlich.

"Mein Fazit ist heute kein anderes als 2015", sagt Wolfgang Prüfert und das las sich in seiner App-Analyse 2015 so: "Pilze zu bestimmen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die auch durch eine App nicht leichter wird. Keines der getesteten Produkte kann einen unerfahrenen Anwender sicher durch die verwirrende Vielfalt an Pilzarten und Fruchtkörperformen geleiten, die wir im Wald finden. Ein Speisepilzsammler, der sich bei der Bestimmung nur von einer App leiten lässt, spielt grob fahrlässig mit seiner Gesundheit." Allerdings: Geübte Anfänger oder mäßig Fortgeschrittene können sich von Apps unterstützen lassen, Wissen auffrischen und ergänzen.

Mehr Vergiftungen seit es Pilze-Apps gibt?

Ob und wie sich die Zahl der Pilzvergiftungen verändert hat, seit es Pilz-Apps gibt, darüber gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie keine Zahlen. Hier beobachtet man je nach Pilzvorkommen mehr oder weniger Vergiftungen. "Dass man das auf App-Verwendungen zurückführen kann? Nein, das wird nicht abgefragt," sagt Pilzexperte Prüfert.

Ein weißer Pilz mit schuppigem Kopf
Parasolpilz - er gehört zur Familie der Champignonverwandten. Bildrechte: imago images/Jez22

Ähnlich ist es auch beim Giftnotruf Erfurt, dem Gemeinsamen Giftinformationszentrum (GGIZ) der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. "Manchmal hören wir später davon, dass Menschen, die sich bei uns gemeldet haben, eine App beim Pilzsammeln benutzt haben. Aber systematisch erfasst wird das nicht", sagt Humantoxikologin Germaine Frimlova vom GGIZ.

Wolfgang Prüfert verweist auf einen fatalen Effekt: die trügerische Sicherheit des langjährigen Pilzsammlers: "Nicht die, die sich wenig mit Pilzen auskennen, sondern die, die seit Jahren in die Pilze gehen und die denken, 'ich habe schon immer Champignons gesammelt, da kenn ich mich aus'. Bei Champignons sind sich alle total sicher, nach dem Motto, die kenne ich aus dem Supermarkt. Dabei nehmen durch den Klimawandel giftige Champignons zu, auch solche aus dem Mittelmeerraum werden hier heimisch." Langjährige Pilzsammler haben nicht auf dem Schirm, dass es auch neue Arten gibt, die dem bekannten schmackhaften Champignon zum Verwechseln ähnlich sehen, aber eben giftig sind.

Pilzgut prüfen lassen: Erfahrung ist gut, Kontrolle ist besser

Vielleicht sollte es zur Routine der Pilzsammelei gehören, die Funde aus dem Korb bei Sachverständigen prüfen zu lassen, so, wie eine Kollegin aus der MDR WISSEN Redaktion erzählt: "Ich bin immer mit den Großeltern in die Pilze gegangen. Die kannten echt viele Pilze, sind aber immer nach dem Sammeln bei einer Expertin vorbeigegangen. Und die hat jedes Mal mindestens einen giftigen aus unserer Sammlung herausgepickt."

Pantherpilze
Pantherpilze: Ähneln den leckeren Parasol-Pilzen, sind aber hochgiftig. Bildrechte: imago/Metodi Popow

Aber wie ist das eigentlich mit den Pilzsachverständigen? Bei den Apfelsorten-Bestimmerinnen gibt es im Herbst Termine, wann man wohin kommen kann mit seinen Äpfeln. "Das ist bei den Pilzen anders! Da gibt's ja keine festen Termine, sondern regelrechte Stoßzeiten. Wir verweisen bei Anfragen immer auf mehrere Sachverständige. Die Leute machen das ehrenamtlich und nicht alle sind jederzeit für Pilzbestimmungen greifbar, vor allem, wenn sie noch im Berufsleben stehen," sagt Humantoxikologin Frimlova. Allein: "Es fehlt an Nachwuchs. Gäbe es mehr Sachverständige, würde sich die Anfragelast für die wenigen besser verteilen," seufzt die Ärztin.

Prüfungsfragen: Pilze, die nach Anis riechen?

Allerdings ist die Prüfung zum anerkannten Pilzkenner kein Zuckerschlecken, wie ein Blick in die Prüfungsfragen aus dem Mai 2021 zeigt. Hier ein paar Beispiele:

  • Durch welche Gerüche unterscheiden Sie Gelben Knollenblätterpilz (Amanita citrina), Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) und Pantherpilz (Amanita pantherina)?
  • Nennen Sie zwei Merkmale, an denen Sie Nebelkappe (Clitocybe nebularis) und Keulenfußtrichterling (Ampulloclitocybe clavipes) unterscheiden können.
  • Nennen Sie je einen Speise- und einen Giftpilz, die einen Anisgeruch aufweisen.
  • Skizzieren Sie 5 Hutformen und benennen Sie diese.
  • Erläutern Sie, ob Sie selbst gesammelte Speisemorcheln (Morchella esculenta) auf dem Markt verkaufen dürfen.
  • Nennen Sie vier Pilzarten, die Ihnen im Kalk-Buchenwald begegnen können.

Man ahnt, es ist eine ungeheure Bandbreite an Wissen, das Pilzsachverständige brauchen. Und das ist auch gut so, denn schließlich ist es eine verantwortungsvolle Aufgabe, fremde Pilzkörbe auf giftige Exemplare zu checken.

Wie man den ungefährlichen Pilzgenuss absichert

Ein guter Anfang ist es in jedem Fall, geführte Pilzwanderungen mitzumachen, rät Germaine Frimlova von der Giftnotrufzentrale.

Karbol-Champignons
Karbol-Champignons sind giftig: Wenn man auf ihren Hut drückt, werden sie gelb. Bildrechte: imago/blickwinkel

Bei den Wanderungen erfährt man viel, nicht nur über Pilze, sondern auch über ihre Standorte, und wie man Pilze am besten sammelt. "Die Mykologen sagen gern, dem Pilz sei es egal, wie man seine Frucht erntet, denn das Wichtige des Pilzes, das Myzel, ist ja im Boden. Aber wir von der Giftnotrufzentrale sagen immer, je mehr wir über den Pilz wissen, umso leichter die Analyse, um welchen Giftpilz es sich handelt. Zum Beispiel, wenn man den Stiel beschreiben kann oder den Fuß," erklärt die Giftexpertin.

Und was ist eigentlich mit getrockneten oder eingefrorenen Pilzen, verlieren die ihr Gift im veränderten Zustand? "Nein, das Gift bleibt erhalten", sagt Germaine Frimlova deutlich. Geschenkte Pilze sind also anders als der "geschenkte Gaul", dem man laut Volksmund nicht ins Maul schaut. Wenn Verwandte oder Bekannte getrocknete Pilze mitbringen, oder einen Beutel gefrorener Pilze, sollte man also besser nachfragen, ob diese sachverständig geprüft wurden. Und für alle Fälle diese Nummer merken: 0361 / 730 730. Der Giftnotruf in Erfurt.

Wiesenchampignon
Der Wiesenchampignon ist essbar. Bildrechte: imago/blickwinkel

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