Ein Pilz steht im Vordergrund, im Hintergrund hockt ein Mensch.
Die Pilzsaision 2022 ist aktuell in vollem Gange. Wie lange sie noch geht, ist schwer abzuschätzen. Womöglich dauert die aktuelle Boomphase aber nur wenige Wochen. Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

Pilz-Boom und Klimawandel "Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht"

28. Oktober 2022, 10:39 Uhr

Der herbstliche Pilzboom in unseren Wäldern sorgt bei vielen Sammlerinnen und Sammlern für leuchtende Augen. Nach langer Trockenheit freuen sich viele Pilze über den Herbstregen und treiben aus. Eine solche Extremphase ist aber selten von langer Dauer, betonen Experten. Grundsätzlich leiden die Pilze in unseren Wäldern unter Trockenheit.

Glänzende Augen und gut gefüllte Bastkörbchen: In unseren Wäldern ist in den vergangenen Wochen das alljährliche Pilzfieber ausgebrochen. Und weil die Körbchen oft so gut gefüllt sind, hört man Pilzfans murmeln, 2022 sei ein Ausnahmejahr, was die Pilze angeht. Das ist allerdings ein vorschnell gefasster Schluss. Stefan Fischer von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie DGfM zumindest gibt sich nicht ganz so euphorisch und hält fest: "Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht."

Von ein, zwei guten Wochen darf man sich beim Thema Pilze nämlich nicht blenden lassen – wenn wir über das Pilzjahr 2022 sprechen, müssen wir das gesamte Jahr im Auge behalten. Und da sah es oft mau aus. Stefan Fischer betont, im Frühjahr hätten viele Pilzarten gefehlt und auch im Sommer sei oft gar nichts zu finden gewesen, wegen der Trockenheit.

Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht.

Stefan Fischer | Deutsche Gesellschaft für Mykologie DGfM

Dabei spielt er auf Pilzarten an, die wir alle gut kennen, beispielsweise den Sommersteinpilz, der von Mai bis September Saison hat und nach einem ergiebigen Sommerregen aus dem Boden schießt.

Pilzboom dauert ein, zwei Wochen

Wenn von vielen gefundenen Pilzen die Rede ist, seien oft nur die bekannten und beliebten Speisepilze gemeint, die nach der großen Trockenheit im Sommer sofort auf den teils reichlichen Regen im Frühherbst mit vielen Fruchtkörpern reagiert hätten, betont DGfM-Experte Stefan Fischer. "Da gibt es dann für ein bis zwei Wochen auch schon mal ein Massenaufkommen, immer abhängig vom Ort und der Zeit. Nach solch einem Schub erfolgt eine Pause und man findet höchsten Einzelexemplare. Es ist also kein Dauerzustand über viele Wochen", mahnt der Experte.

Eine Hand trägt einen Korb gefüllt mit Pilzen.
Was für eine Beute! Für ein solches Pfifferlingsglück muss man zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Bildrechte: IMAGO / U. J. Alexander

Es gibt jetzt noch ein paar Spätherbstpilze

Und wie geht es nun weiter mit dem Pilzherbst? Nun ja, das hängt ganz vom Wetter ab. Denn das, was wir im Wald ernten, sind ja lediglich die Fruchtkörper der Pilze. Der eigentlich wichtige Part, das Myzel, liegt weiter unter der Erde und kann bei hoher Bodenfeuchte theoretisch weiter austreiben – aber eben nicht unbegrenzt. "Über die weitere Entwicklung kann man nur spekulieren, denn wir sind schon recht spät im Jahr", sagt Stefan Fischer. Allerdings gäbe es noch einige Spätherbstpilze, die kühlere Nächte bevorzugen und sich deshalb aktuell teilweise noch zurückhielten.  

Über die weitere Entwicklung kann man nur spekulieren.

Stefan Fischer | Deutsche Gesellschaft für Mykologie DGfM

Gefahr trockener Sommer

Eine Sache, die in diesem Jahr allerdings positiv auffalle, sei die geringe Vermadung der Pilze. Stefan Fischer spekuliert, dass die Pilzmücken womöglich ebenfalls unter der Trockenheit der vergangenen Monate leiden. Sollte es allerdings auch in den kommenden Jahren so trocken bleiben, sehe er die Gefahr einer damit verbundenen Pilzarmut, so Fischer: "Eine große Anzahl von Fruchtkörpern einer Pilzart, wie Steinpilzen, darf man nicht mit einer großen Artenvielfalt verwechseln." Natürlich könnten durch die Klimaveränderungen, die einheimischen Pilzen zu schaffen machen, neue Arten begünstigt werden. "Aber die Zuwanderung neuer Pilzarten, auch durch den Klimawandel, erfolgt nicht plötzlich, sondern im langen Vorlauf", sagt Fischer. Er prognostiziert deshalb, dass sich die Palette an Speisepilzen, die in unseren Wäldern wächst, erst einmal nicht so sehr verändert.

Tintenfischpilz (anthurus archeri, clathrus archeri) auf einer Wiese. 3 min
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Durch die Klimaerwärmung fühlen sich immer mehr Pilze aus südlichen Ländern in unseren Wäldern wohl. Pilzsammler sollten vorsichtig sein: Einige Exemplare, die Speisepilzen ähnlich sehen, sind ziemlich giftig.

MDR KULTUR - Das Radio Do 30.09.2021 16:18Uhr 03:22 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/klimawandel-neue-giftige-pilze-verwechslungsgefahr-100.html

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Der Klimawandel bedroht unsere Pilze

Wenn nun der Klimawandel in den kommenden Jahren in Mitteldeutschland für mehr Trockenheit sorgt, kann das auch unseren Pilzen gefährlich werden. Pilzexperte Stefan Fischer erklärt: "Große und lange Trockenheit versetzt die Myzelien für eine längere Zeit in einen Ruhezustand, in dem kein wesentlicher Aufbau des Pilz-Geflechts erfolgen kann. Es kommt zu einer Schwächung, Stillstand wichtiger Transportprozesse und irgendwann auch zum Totalausfall. Besonders die für viele Pilzarten wichtige Symbiose mit den Wurzeln verschiedener Bäume leidet in Trockenzeiten. Dies schadet sowohl Pilzen als auch den Bäumen." Am Ende fehle den Pilzmyzelien die Kraft, Fruchtkörper zu bilden - sprich, wir können nichts mehr im Wald ernten.

Extraportion Schwermetalle

Überessen sollte man sich an den "Früchten des Waldes" aber ohnehin nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE setzt ein klares Limit: Mehr als 250 Gramm Wildpilze sollte eine erwachsene Person pro Woche nicht verspeisen – für Kinder sind diese Höchstmengen je nach Körpergewicht geringer. Der Hintergrund dieser Empfehlung: Pilze sind unglaublich gut darin, Giftstoffe und Schwermetalle aus unseren Wäldern zu filtern und im Fruchtkörper anzureichern, darunter Blei, Cadmium und Quecksilber. Das ist für den Wald toll – für unseren Körper aber nicht so gut.

Was den Pilzgenuss darüber hinaus alljährlich ein wenig trübt: Das Bundesamt für Strahlenschutz warnt auch in diesem Jahr davor, dass viele Pilze in Deutschland seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 immer noch erhöhte Cäsiumwerte aufweisen. Betroffen davon ist vor allem Bayern und hier der Bayerische Wald, der Alpenrand und das Donaumoos nahe Ingolstadt. Aber – wie gesagt – übertreiben sollten Sie es ohnehin nicht. Immerhin stehen Pilze unter Artenschutz, deswegen ist es nur erlaubt, kleine Mengen für den Eigenbedarf zu sammeln.

Tipps für Pilzfans

Falls Sie nun ihr Glück bei der Pilzsuche in den kommenden Tagen versuchen wollen, hier noch ein paar abschließende Tipps:

  • Essbare Pilze sollten vorsichtig herausgedreht werden, keinesfalls aber sollte man eine Schaufel verwenden – das kann das unterirdische Pilzmyzel zerstören.
  • Pilz-Apps zur Bestimmung sind mit Vorsicht zu genießen. Sie können auch mal falsch liegen, bei Unsicherheit empfiehlt es sich, einen Experten zu befragen oder den betreffenden Pilz besser nicht zu essen.
  • Pilze nicht in der Dämmerung oder nachts sammeln, sonst werden heimische Wildtiere aufgestört.
  • Wildpilze niemals roh essen, sie können vom Fuchsbandwurm kontaminiert sein – dessen Eier gehen beim Kochen kaputt.
  • Merken Sie sich für alle Fälle diese Nummer: 0361 / 730 730. Der Pilz-Giftnotruf in Erfurt.

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | Sachsen-Anhalt-Heute | 20. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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zwei Pilze 2 min
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