Pilz-Boom und Klimawandel "Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht"

Der herbstliche Pilzboom in unseren Wäldern sorgt bei vielen Sammlerinnen und Sammlern für leuchtende Augen. Nach langer Trockenheit freuen sich viele Pilze über den Herbstregen und treiben aus. Eine solche Extremphase ist aber selten von langer Dauer, betonen Experten. Grundsätzlich leiden die Pilze in unseren Wäldern unter Trockenheit.

Ein Pilz steht im Vordergrund, im Hintergrund hockt ein Mensch.
Die Pilzsaision 2022 ist aktuell in vollem Gange. Wie lange sie noch geht, ist schwer abzuschätzen. Womöglich dauert die aktuelle Boomphase aber nur wenige Wochen. Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn

Glänzende Augen und gut gefüllte Bastkörbchen: In unseren Wäldern ist in den vergangenen Wochen das alljährliche Pilzfieber ausgebrochen. Und weil die Körbchen oft so gut gefüllt sind, hört man Pilzfans murmeln, 2022 sei ein Ausnahmejahr, was die Pilze angeht. Das ist allerdings ein vorschnell gefasster Schluss. Stefan Fischer von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie DGfM zumindest gibt sich nicht ganz so euphorisch und hält fest: "Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht."

Von ein, zwei guten Wochen darf man sich beim Thema Pilze nämlich nicht blenden lassen – wenn wir über das Pilzjahr 2022 sprechen, müssen wir das gesamte Jahr im Auge behalten. Und da sah es oft mau aus. Stefan Fischer betont, im Frühjahr hätten viele Pilzarten gefehlt und auch im Sommer sei oft gar nichts zu finden gewesen, wegen der Trockenheit.

Ein besonders gutes Pilzjahr ist 2022 nicht.

Stefan Fischer | Deutsche Gesellschaft für Mykologie DGfM

Dabei spielt er auf Pilzarten an, die wir alle gut kennen, beispielsweise den Sommersteinpilz, der von Mai bis September Saison hat und nach einem ergiebigen Sommerregen aus dem Boden schießt.

Vorsicht beim Sammeln! Speisepilze und ihre giftigen Doppelgänger

Pilz
Steinpilze Sie gehören zu den beliebtesten Speisepilzen überhaupt: Steinpilze. Von ihnen gibt es mehrere Arten, die für die meisten Pilzsammler kaum zu unterscheiden sind. Die Bezeichnung rührt daher, dass ihr Fleisch fester ist, als das der meisten anderen Pilze. Steinpilze bilden eine eigene Sektion in der Gattung der sogenannten Dickröhrlinge. Von anderen Gattungsvertretern heben sie sich durch jung weiße, später auch blassgelb verfärbende Röhren ab. Ein weiteres Merkmal: Bei Bruch oder Anschnitt verfärbt sich das Fleisch von Steinpilzen nicht. Bildrechte: Colourbox.de
Pilz
Steinpilze Sie gehören zu den beliebtesten Speisepilzen überhaupt: Steinpilze. Von ihnen gibt es mehrere Arten, die für die meisten Pilzsammler kaum zu unterscheiden sind. Die Bezeichnung rührt daher, dass ihr Fleisch fester ist, als das der meisten anderen Pilze. Steinpilze bilden eine eigene Sektion in der Gattung der sogenannten Dickröhrlinge. Von anderen Gattungsvertretern heben sie sich durch jung weiße, später auch blassgelb verfärbende Röhren ab. Ein weiteres Merkmal: Bei Bruch oder Anschnitt verfärbt sich das Fleisch von Steinpilzen nicht. Bildrechte: Colourbox.de
Ein Pilz: Gallenröhrling
Gallenröhrling Als zumindest ungenießbarer Doppelgänger von Steinpilzen hat der sehr bittere Gallenröhrling so manchem Pilzfreund schon das Essen verdorben. Vor allem jung kann er Steinpilzen sehr ähneln. Anders als dieser hat er jedoch eine dunkle Netzzeichnung auf dem meist ocker-gelblichen Stiel, während der Steinpilz vor allem am oberen Stielende ein weißes Stielnetz aufweist. Darüber hinaus färben sich die Röhren des Gallenröhrlings im Alter schmutzig-rosa, die des Steinpilzes jedoch oliv. Kostet man eine kleine Probe des Gallenröhrlings wird man seine Bitterkeit sehr deutlich bemerken. Giftig ist der aufgrund seines Geschmacks auch als Bitteröhrling bekannte Pilz allerdings nicht. Bildrechte: IMAGO / Harald Lange
Wiesenchampignon
Besonders hoch ist die Verwechslungsgefahr von Speise- und Giftpilzen vor allem bei sogenannten Blätter- oder Lamellenpilzen. Auch die sehr beliebten und schmackhaften Wiesen-Champignons gehören dazu. Sie sind häufig auf Wiesen, Weiden und sogar im eigenen Garten zu finden. Ganz wichtig! Beim Anschnitt der Stielbasis sollte das Fleisch weiß bleiben oder sich leicht rötlich verfärben. Auf keinen Fall darf es aber kräftig gelb anlaufen! Bleiben die Lamellen hell oder gar weiß, kann es sich sogar um einen gefährlichen Giftpilz wie z.B. den Weißen Knollenblätterpilz handeln. Bildrechte: imago/blickwinkel
Karbol-Champignons
Gift-Champignon Der dem Wiesen-Champignon sehr ähnlich sehende Gift-Champignon wächst ebenfalls auf Wiesen und Weiden. Allerdings riecht der Gift-Champignons sehr unangenehm, was ihm auch den Namen Karbol-Champignon eingebracht hat. Außerdem färbt sich seine Stielbasis im Schnitt schnell und intensiv gelb. Der Gift-Champignon gilt als schwach giftig. Vergiftungen führen zu heftigem Erbrechen und Durchfall, in schweren Fällen auch zu Schwindel und Sehstörungen. Bildrechte: imago/blickwinkel
Egerlingsschirmling
Auch der nicht essbare Egerlingsschirmling wird gelegentlich mit dem Wiesenchampignon verwechselt. Bildrechte: imago/Metodi Popow
Ein Pilz: Frauentäubling
Frauentäubling Auch bei den beliebten Täublingspilzen sollte man stets genau hingucken. Am sichersten ist der Frauentäubling zu bestimmen: ein großer, kompakter Pilz, der vor allem in Buchenwäldern, aber auch unter Eichen und Fichten vorkommt. Andere Täublingsarten sind entweder schwer bestimmbar oder das Sammeln lohnt kaum. Ganz wichtig! Täublinge haben niemals einen Ring oder eine Manschette, geschweige denn eine Knolle an der Wurzel. Bildrechte: IMAGO / imagebroker
Drei Grüne Knollenblätterpilze im Gras
Grüner Kollenblätterpilz Grün gefärbte Täublinge können bei Leichtfertigkeit mit dem hochgiftigen Grünen Knollenblätterpilz verwechselt werden. Das ist schon passiert. Für eine sichere Bestimmung sollte man die Pilze deshalb immer vorsichtig herausdrehen und nicht abschneiden! Der Verzehr nur geringer Mengen des Fruchtkörpers dieses Giftpilzes kann zu einer tödlichen Pilzvergiftung führen, da die enthaltenen Gifte ein Leberversagen verursachen. Bildrechte: imago images / blickwinkel
Pantherpilze
Pantherpilz Anders beim giftigen Pantherpilz, der häufig mit dem Perlpilz verwechselt wird. Dessen Manschette ist stets ungerieft. Der Pantherpilz ist für Menschen giftig. Knapp sieben Prozent aller Pilzvergiftungen gehen auf sein Konto. Ein bis zwei Stunden nach dem Verzehr des Pilzes und der damit verbundenen Vergiftung treten Übelkeit, Durchfall und Erbrechen ein, die Haut rötet und die Pupillen weiten sich. Anschließend macht sich ein Übergang zu Erregungs- und Rauschzuständen bemerkbar, Krampfanfälle und Verwirrtheit können ebenso auftreten. Bildrechte: imago/Metodi Popow
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Pilzboom dauert ein, zwei Wochen

Wenn von vielen gefundenen Pilzen die Rede ist, seien oft nur die bekannten und beliebten Speisepilze gemeint, die nach der großen Trockenheit im Sommer sofort auf den teils reichlichen Regen im Frühherbst mit vielen Fruchtkörpern reagiert hätten, betont DGfM-Experte Stefan Fischer. "Da gibt es dann für ein bis zwei Wochen auch schon mal ein Massenaufkommen, immer abhängig vom Ort und der Zeit. Nach solch einem Schub erfolgt eine Pause und man findet höchsten Einzelexemplare. Es ist also kein Dauerzustand über viele Wochen", mahnt der Experte.

Eine Hand trägt einen Korb gefüllt mit Pilzen.
Was für eine Beute! Für ein solches Pfifferlingsglück muss man zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Bildrechte: IMAGO / U. J. Alexander

Es gibt jetzt noch ein paar Spätherbstpilze

Und wie geht es nun weiter mit dem Pilzherbst? Nun ja, das hängt ganz vom Wetter ab. Denn das, was wir im Wald ernten, sind ja lediglich die Fruchtkörper der Pilze. Der eigentlich wichtige Part, das Myzel, liegt weiter unter der Erde und kann bei hoher Bodenfeuchte theoretisch weiter austreiben – aber eben nicht unbegrenzt. "Über die weitere Entwicklung kann man nur spekulieren, denn wir sind schon recht spät im Jahr", sagt Stefan Fischer. Allerdings gäbe es noch einige Spätherbstpilze, die kühlere Nächte bevorzugen und sich deshalb aktuell teilweise noch zurückhielten.  

Über die weitere Entwicklung kann man nur spekulieren.

Stefan Fischer | Deutsche Gesellschaft für Mykologie DGfM

Gefahr trockener Sommer

Eine Sache, die in diesem Jahr allerdings positiv auffalle, sei die geringe Vermadung der Pilze. Stefan Fischer spekuliert, dass die Pilzmücken womöglich ebenfalls unter der Trockenheit der vergangenen Monate leiden. Sollte es allerdings auch in den kommenden Jahren so trocken bleiben, sehe er die Gefahr einer damit verbundenen Pilzarmut, so Fischer: "Eine große Anzahl von Fruchtkörpern einer Pilzart, wie Steinpilzen, darf man nicht mit einer großen Artenvielfalt verwechseln." Natürlich könnten durch die Klimaveränderungen, die einheimischen Pilzen zu schaffen machen, neue Arten begünstigt werden. "Aber die Zuwanderung neuer Pilzarten, auch durch den Klimawandel, erfolgt nicht plötzlich, sondern im langen Vorlauf", sagt Fischer. Er prognostiziert deshalb, dass sich die Palette an Speisepilzen, die in unseren Wäldern wächst, erst einmal nicht so sehr verändert.

Tintenfischpilz (anthurus archeri, clathrus archeri) auf einer Wiese. 3 min
Bildrechte: imago/blickwinkel
3 min

Durch die Klimaerwärmung fühlen sich immer mehr Pilze aus südlichen Ländern in unseren Wäldern wohl. Pilzsammler sollten vorsichtig sein: Einige Exemplare, die Speisepilzen ähnlich sehen, sind ziemlich giftig.

MDR KULTUR - Das Radio Do 30.09.2021 16:18Uhr 03:22 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/klimawandel-neue-giftige-pilze-verwechslungsgefahr-100.html

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Der Klimawandel bedroht unsere Pilze

Wenn nun der Klimawandel in den kommenden Jahren in Mitteldeutschland für mehr Trockenheit sorgt, kann das auch unseren Pilzen gefährlich werden. Pilzexperte Stefan Fischer erklärt: "Große und lange Trockenheit versetzt die Myzelien für eine längere Zeit in einen Ruhezustand, in dem kein wesentlicher Aufbau des Pilz-Geflechts erfolgen kann. Es kommt zu einer Schwächung, Stillstand wichtiger Transportprozesse und irgendwann auch zum Totalausfall. Besonders die für viele Pilzarten wichtige Symbiose mit den Wurzeln verschiedener Bäume leidet in Trockenzeiten. Dies schadet sowohl Pilzen als auch den Bäumen." Am Ende fehle den Pilzmyzelien die Kraft, Fruchtkörper zu bilden - sprich, wir können nichts mehr im Wald ernten.

Extraportion Schwermetalle

Überessen sollte man sich an den "Früchten des Waldes" aber ohnehin nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE setzt ein klares Limit: Mehr als 250 Gramm Wildpilze sollte eine erwachsene Person pro Woche nicht verspeisen – für Kinder sind diese Höchstmengen je nach Körpergewicht geringer. Der Hintergrund dieser Empfehlung: Pilze sind unglaublich gut darin, Giftstoffe und Schwermetalle aus unseren Wäldern zu filtern und im Fruchtkörper anzureichern, darunter Blei, Cadmium und Quecksilber. Das ist für den Wald toll – für unseren Körper aber nicht so gut.

Was den Pilzgenuss darüber hinaus alljährlich ein wenig trübt: Das Bundesamt für Strahlenschutz warnt auch in diesem Jahr davor, dass viele Pilze in Deutschland seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 immer noch erhöhte Cäsiumwerte aufweisen. Betroffen davon ist vor allem Bayern und hier der Bayerische Wald, der Alpenrand und das Donaumoos nahe Ingolstadt. Aber – wie gesagt – übertreiben sollten Sie es ohnehin nicht. Immerhin stehen Pilze unter Artenschutz, deswegen ist es nur erlaubt, kleine Mengen für den Eigenbedarf zu sammeln.

Tipps für Pilzfans

Falls Sie nun ihr Glück bei der Pilzsuche in den kommenden Tagen versuchen wollen, hier noch ein paar abschließende Tipps:

  • Essbare Pilze sollten vorsichtig herausgedreht werden, keinesfalls aber sollte man eine Schaufel verwenden – das kann das unterirdische Pilzmyzel zerstören.
  • Pilz-Apps zur Bestimmung sind mit Vorsicht zu genießen. Sie können auch mal falsch liegen, bei Unsicherheit empfiehlt es sich, einen Experten zu befragen oder den betreffenden Pilz besser nicht zu essen.
  • Pilze nicht in der Dämmerung oder nachts sammeln, sonst werden heimische Wildtiere aufgestört.
  • Wildpilze niemals roh essen, sie können vom Fuchsbandwurm kontaminiert sein – dessen Eier gehen beim Kochen kaputt.
  • Merken Sie sich für alle Fälle diese Nummer: 0361 / 730 730. Der Pilz-Giftnotruf in Erfurt.

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | Sachsen-Anhalt-Heute | 20. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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zwei Pilze 2 min
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