Umweltzerstörung Studie: Deutsche Landwirtschaft nicht nachhaltig

02. August 2019, 16:13 Uhr

Deutsche Landwirtschaftsbetriebe werden immer größer, zugleich nimmt ihre Zahl ab. Die Folgen sind Flächenverbrauch, leidende Tiere und Umweltschäden. Viele Menschen fordern Veränderungen und arbeiten dafür selbst mit.

Kükenschreddern, leidvolle Massentierhaltung, Artensterben durch Monokulturen, mit Düngern verseuchtes Grundwasser - die deutsche Landwirtschaft verursacht gewaltige ökologische Probleme. Die Süddeutsche Zeitung fasst aktuell die Situation unter der Überschrift "Sterbende Höfe, belastete Äcker" zusammen.

Wissenschaftler vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag haben für einen neuen Bericht untersucht, ob die Agrarbetriebe vor allem wirtschaftlich nachhaltige Strategien entwickeln. Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. "Die Landwirtschaft ist durch einen Mangel an ökonomischer Nachhaltigkeit gekennzeichnet", schreiben die Experten.

Weniger Betriebe, die dafür größer werden

Auf der einen Seite nimmt die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland immer weiter ab. Auch arbeiten immer weniger Menschen auf Bauernhöfen und Co. Gab es 1960 noch 1,5 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in Westdeutschland, waren es 2016 in der ganzen Bundesrepublik nur noch 250.000. Im gleichen Zeitraum fiel der Anteil der Beschäftigten im Agrarsektor von 14,1 Prozent auf nur noch 1,4 Prozent.

Andererseits werden die Betriebe, die übrig bleiben, immer größer. Das führt zu gewaltigen Monokulturen in der Fläche und zu immer größerer Massentierhaltung. "Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Tierhaltung ist im Hinblick auf Tierwohl, Umweltschutz und Ressourcenverbrauch zunehmend gesellschaftlich umstritten", schreiben die Forscher.

Tatsächlich verdienen deutsche Landwirte 60 Prozent ihrer Einnahmen mit tierischen Produkten. Wichtigster Lieferant dabei sind Rinder, die 25 Prozent der Produktionswerte darstellen. Daran wiederum haben Milchkühe mit 19 Prozent der Produktionswerte den höchsten Anteil. In den vergangenen 20 Jahren aber ist die Hälfte aller Milchbetriebe verschwunden. Auch hier sind diejenigen, die übrig geblieben sind, deutlich gewachsen. Hielt ein Betrieb 2010 im Schnitt 46,4 Kühe, waren es sieben Jahre später 63,8.

Weniger Ertrag, mehr Fläche

In der Bevölkerung wächst die Kritik an dieser Art der Lebensmittelproduktion. Spätestens seit Fridays for Future thematisieren immer mehr Menschen den Zusammenhang zwischen immer intensiverer Landwirtschaft und der Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen für Tiere uns Menschen.

Der Agrarökonom Christian Lippert von der Universität Hohenheim bei Stuttgart warnt allerdings davor, Landwirtschaft anhand einfacher Kategorien in gut und schlecht einteilen zu wollen, etwa in Biolandwirte und Konventionelle. "Man kann auch im konventionellen Landbau sehr ressourcenschonend wirtschaften, wenn man die Pflanzenschutzmittel, den Dünger, sachgerecht einsetzt", sagt der Wissenschaftler. Grundsätzlich sei der Ökolandbau zwar ressourcenschonender. Allerdings sei durch den Verzicht auf synthetische Dünger und Pflanzenschutzmittel auch der Ertrag niedriger. "Der Ökolandbau hat den Nachteil, dass pro erzeugter Einheit mehr Fläche gebraucht wird", sagt Lippert.

Alte Zweinutzungsrassen statt Hochleistungskühe

Der Verbrauch von Fläche ist inzwischen ein weiteres Problem der Landwirtschaft. Würde man die gesamte Ackerfläche der Erde durch die Zahl der Menschen teilen, stünden jedem Erdbewohner 2000 Quadratmeter zur Verfügung. In den reichen Industrieländern ist dieser sogenannte Flächenfußabdruck inzwischen aber deutlich größer, vor allem, wenn viele tierische Produkte konsumiert werden.

Meine Challenge zu Besuch bei der Gemüsekooperative Rote Beete

Beim Gärtnern mithelfen, dafür regelmäßig frisches, biologisch angebautes Gemüse bekommen, das ist das Konzept der Gemüsekooperative Rote Beete am Rand von Leipzig. Reporter Max hat sich dort umgesehen und gegärtnert.

MDR-Reporter Max Heeke vor der Hofeinfahrt zur Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Meine-Challenge-Reporter Max vor dem Hof der Gemüsekooperative Rote Beete in Sehlis. Bildrechte: Clemens Haug/MDR
MDR-Reporter Max Heeke vor der Hofeinfahrt zur Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Meine-Challenge-Reporter Max vor dem Hof der Gemüsekooperative Rote Beete in Sehlis. Bildrechte: Clemens Haug/MDR
MDR-Reporter Max Heeke und Gärtner Karl Giesecke im Gewächshaus der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Max mit Karl Giesecke, der Gärtner bei der Roten Beete ist. Beide stehen vor einem Gewächshaus mit Gurken. Bildrechte: Clemens Haug/MDR
Blick in das Gurken-Gewächshaus der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig: Neben den Tomaten wächst Basilikum, da beide Pflanzen gut miteinander wachsen.
Gurken wachsen gut zusammen mit Basilikum. Die Gärtner der Roten Beete pflegen an vielen Stellen gemischte Kulturen, die sich gegenseitig helfen. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
Blick in das Gurken-Gewächshaus der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Dicht an dicht stehen die Gurken im Gewächshaus. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
MDR-Reporter Max Heeke und Gärtner Karl Giesecke von der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Max im Interview mit Gärtner Karl Giesecke. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
MDR-Reporter Max Heeke hat eine Honigmelone in der Hand, die im Gewächshaus der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig wächst.
Im Gewächshaus der Gemüsekooperative wachsen sogar Honigmelonen. Bildrechte: Clemens Haug/MDR
Eine Honigmelone wächst im Gewächshaus der Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig.
Die Melonen werden aber nicht ganz so groß, wie in südlichen Ländern. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
MDR-Reporter Max Heeke auf einem Beet der Gemüsekooperative Rote Beete in Tauche bei Leipzig.
Max Aufgabe an diesem Tag bei der Gemüsekooperative: Rote Beeten vereinzeln. Bildrechte: Clemens Haug/MDR
MDR-Reporter Max Heeke bei der Arbeit in einem Beet.
Max muss auf einem großen Feld einzelne Pflanzen rausreißen, damit die übrigen genug Platz zum wachsen haben. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
MDR-Reporter Max Heeke bei der Arbeit in einem Beet.
Die Arbeit auf dem Feld nimmt viele Stunden in Anspruch. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
Hinweis an einer Scheune der Gemüsekooperative Rote Beete in Tauche bei Leipzig: Das Tor soll offenbleiben, damit Schwalben zu ihren Nestern gelangen können.
Den Mitgliedern der Kooperative ist Tier- und Umwelschutz wichtig. So wird auch Rücksicht auf die gefiederten Untermieter in der Scheune genommen. Bildrechte: MDR/Clemens Haug
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Allerdings sei es zu kurz gegriffen, einfach nur die Fleischproduktion für dieses Problem verantwortlich zu machen, sagt Ursula Hudson. Sie ist Vorsitzende von Slow Food Deutschland. Der Verein setzt sich für hohe Qualität in der Lebensmittelherstellung ein. "Bei der Produktion von Rindfleisch wird oft genau geschaut: Wie viel Fläche verbraucht die Tierhaltung und wie viel die Futtermittelproduktion? Aber das ist nicht fair, denn das gilt auch für die Produktion von Milchprodukten", sagt sie.

Umgekehrt könne auch Fleischproduktion nachhaltig sein. Etwa, wenn Landwirte statt auf hoch gezüchtete Spezialtiere auf alte Zweinutzungsrassen setzen. Vieh, dass beispielsweise traditionell im Alpenraum auf Weiden gehalten werde, bringe vielleicht nicht so viel Milch wie eine Hochleistungskuh. Aber dafür seien die Tiere viel robuster. "Und eine Kulturlandschaft wie Oberbayern mit seinen Wiesen würde es ohne diese Tiere nicht geben", so Hudson.

Landwirtschaft für Großsstädter

Viele Menschen wollen aber nicht warten, bis die Politik die Landwirtschaft zum umsteuern bringt. Sie wollen stattdessen selbst mithelfen, bessere Bedingungen für Land und Tiere zu schaffen und nachvollziehen, was eigentlich auf den eigenen Teller kommt. Das führt einerseits zu Trends wie "Urban Gardening", andererseits zu einer Wiederbelebung der Kleingartenvereine in vielen Städten.

Ein anderer Ansatz ist die sogenannte "Community Supported Agriculture", die auch solidarische Landwirtschaft genannt wird. Menschen schließen sich zu Genossenschaften zusammen und betreiben gemeinsam eine Gärtnerei, die Lebensmittel zu den Bedingungen produziert, die sich die Mitglieder wünschen. Dafür zahlt jeder einen festen Betrag pro Jahr, wodurch die Gärtnerinnen und Gärtner eine stabile Einkommensperspektive haben.

Bestandteil dieses Modells sind einige verpflichtende Arbeitseinsätze bei den Betrieben. So sinken einerseits die Kosten für Menschen oder Maschinen, die für arbeitsintensive Schritte sonst gebraucht würden. Andererseits können die Mitglieder - zumindest für einige Tage - wieder Landarbeit erleben. Dabei lernen sie die Herkunft der eigenen Lebensmittel unmittelbar kennen. Mehr Kontrolle geht eigentlich nicht.

Solidarische Landwirtschaft in Leipzig

Gemüsekooperative Rote Beete in Taucha bei Leipzig https://rotebeete.org/

In Gründung
Kooperative Landwitschaft http://kolaleipzig.de/
Ackerrilla https://crowdinvest.ackerilla.de/

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 20. Juni 2019 | 15:00 Uhr