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Meine ChallengeIn einer Woche Programmieren lernen

14. Juni 2019, 15:00 Uhr

Programme schreiben gilt als Nerd-Spezialität: Nur wer in der Schule gut in Mathe war, hat es später leicht beim Coden, so das Vorurteil. In Wirklichkeit ist Programmieren ein Handwerk, das jeder lernen kann.

Daniela Schmidt war nie ein Computer-Nerd. Natürlich nutzt die MDR-Wissen-Podcasterin PC und Smartphone bei der Arbeit und in ihrer Freizeit. Texte schreiben, Radiobeiträge schneiden, Fotos machen und ins Internet hochladen, all das macht sie beinahe täglich. Aber was die Apps im Hintergrund eigentlich tun? Keine Ahnung.

Algorithmen haben aber immer größeren Einfluss auf unseren Alltag. Musikempfehlungen bei Streamingdiensten, Einkaufsratschläge beim Online-Shopping oder Veranstaltungstipps in sozialen Netzwerken: Immer häufiger werden uns Dinge im Internet von Computern schmackhaft gemacht. Dabei sind sie oft erfolgreicher, als menschliche Verkäufer.

Deshalb fragt sich Daniela, wie funktionieren diese Algorithmen eigentlich, die ihr ständig begegnen? Wie komplex ist die Arbeit der Programmierer, die dahinter steckt? Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden: Sie muss selbst ein paar Grundschritte im Programmieren lernen.

Hilfe für Programmierneulinge

Gründe gibt es viele, sich mit Code zu beschäftigen. Viele Menschen schrecken vor Informatik zurück. Programmieren gilt als Domäne von Spezialisten, als kompliziert und schwer zu lernen. Dabei ist Software-Entwicklung mittlerweile ein riesiges Feld, das durchaus viel Platz für Quereinsteiger bietet. Viele Unternehmen suchen händeringend nach Personal im IT-Bereich, ein Informatikstudium ist längst nicht mehr Voraussetzung für eine Einstellung. Geboten werden gute Verdienstmöglichkeiten.

Britta Matthes, Forscherin am Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) glaubt nicht, dass diese Entwicklung in Zukunft nachlässt. "Menschen, die Code produzieren können, bleiben gefragt. Die Fähigkeit, Programme zu schreiben, ist eine Schlüsselkompetenz."

Wer erste Schritte in Sachen Coding unternehmen will, stößt im Internet auf zahlreiche Anbieter von Onlinekursen. Daniela sucht allerdings Hilfe außerhalb der virtuellen Welt. Fündig wird sie bei der OpenTechSchool (OTS), einer Initiative von Technikenthusiasten. Ihre Mitglieder bieten in verschiedenen Städten kostenlose Technikkurse für Menschen an, die sich nicht zu den klassischen Nerds zählen. In Leipzig organisieren sie unter anderem "Django Girls" einen eintägigen Workshop für Frauen, die erste Schritte im Coden unternehmen wollen.

Fehler suchen

Alexa Steinbrück, freie Softwareentwicklerin und IT-Trainerin aus Leipzig, wird Danielas Mentorin. Die Podcasterin bekommt ein kleines Lernpaket. Dabei muss sie sich zunächst Lernvideos und einige Tutorials anschauen. Immer wieder gibt es kleine Erfolgserlebnisse, aber auch Rückschläge. Warum funktioniert dies nicht, was hab ich an jener Stelle falsch gemacht - solche Fragen plagen die angehende Programmiererin.

Bildrechte: Alexa Steinbrück

Das ist aber nichts ungewöhnliches, auch gestandene Profis kennen das Gefühl, manchmal nach der Nadel im Heuhaufen zu suchen, wenn irgendwo kleine Fehler passiert sind. "Naja, man hat natürlich über die Jahre viele Sachen ausprobiert. Man ist ganz oft gescheitert und hat eben gelernt, was richtig und was falsch ist, wenn man jetzt ein Programm anfängt", sagt zum Beispiel Matthias Ungethüm. Der Informatiker aus Sachsen ist als Hacker berühmt geworden, dem sogar gelang, die Webseite des amerikanischen Geheimdienstes NSA zu knacken. Wenn er inzwischen im Auftrag von Unternehmen die Sicherheit von Programmen untersucht, stellt er oft fest, kleine Lücken und Fehler gibt es praktisch überall.

Als Entwickler profitiert man jedoch von der Erfahrung, die man über die Jahre sammelt. "Bei vielen Aufgaben, die mir gestellt werden, habe ich eine Logik drin, wie ich das Thema angehen kann. Das geht natürlich viel schneller als bei Anfängern", sagt Ungethüm.

Komplexe Algorithmen

Natürlich unterscheiden sich auch die Niveaus, die man als Entwickler erreichen kann. Während Daniela noch eine kleine App schreibt, beschäftigen sich Spezialisten bei Konzernen oder in Forschungseinrichtungen inzwischen mit künstlicher Intelligenz. Dahinter stecken wirklich komplizierte Algorithmen und eine Menge Mathematik.

Dr. Andreas Bischof von der TU-Chemnitz Bildrechte: Jan-Philipp Stein / TU-Chemnitz

Wobei, eigentlich sei Künstliche Intelligenz kein guter Begriff, sagt Andreas Bischof. "Das lockt uns ein bisschen auf eine falsche Fährte", sagt der Soziologe, der sich an der Technischen Universität Chemnitz mit den Schnittstellen zwischen Informatik und Gesellschaft beschäftigt. Hinter künstlicher Intelligenz stecke nicht eine Art Bewusstsein, die eigene Gefühle oder Absichten entwickelt. Stattdessen seien meist komplexe statistische Verfahren gemeint, die einfach in großen Datenmengen durch viel Rechenpower Muster herausfiltern können.

Ein Beispiel dafür sei das System, dass hinter den Kaufempfehlungen beim Shoppingportal Amazon stecke, sagt Bischof. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Recommender. Das System wertet alle möglichen Daten aus. Einerseits die Eingaben der Nutzerinnen und Nutzer, so Bischof, "also, was wir bestellt haben, was die Versandadresse ist und durch eine Kreditkarte auch, was das Geburtsdatum ist." Doch das sei nur ein kleiner Bruchteil.

Amazon trackt auch alles, was wir fast gekauft haben. Es wird jeder einzelne Klick auf der Webseite registriert und in einem sogenannten Klickstream für jeden einzelnen Nutzer festgehalten. Der wird in über 25 verschiedenen Kategorien nochmal mit zusätzlichen Informationen versehen, nicht nur auf welcher Seite geklickt wurde und an welcher Stelle, sondern auch wie lang ich auf der Seite war, in welcher Region die IP ist, von der ich zugreife. Also wo ich mich befinde, wenn ich surfe, welches Endgerät das ist.

Dr. Andreas Bischof, TU-Chemnitz

Wie mächtig solche Auswertungen werden können, zeigt ein Beispiel der amerikanischen Supermarktkette Target. Dessen Computersysteme konnten bei einem pubertierenden Mädchen anhand des Surfverhaltens erkennen, dass sie schwanger ist, bevor sie es selbst wusste.

Kreative Knobelei

So sieht das Programm aus, das Podcastreporterin Daniela Schmidt geschrieben hat. Bildrechte: Alexa Steinbrück

Nach etwa einer Woche lernen und trainieren hat MDR-Podcasterin Daniela Schmidt ihr erstes Programm geschrieben. Weil sie selbst keinen Sport mag, sortiert ihr die kleine App das Angebot einer Dating-App vor. Potenzielle Partner, die über sportliche Hobbys schreiben, werden von dem Programm aussortiert. Daniela ist glücklich und zieht das Fazit:

Ja, programmieren ist schwierig. Aber man kann ja viel Hilfe bekommen. Ich habe Berührungsängste und Vorurteile abgebaut. Das wird insgesamt für viele Menschen wichtiger, denn nur so können wir mitreden, wie wir Algorithmen in unserer Gesellschaft nutzen wollen. Damit wir eben nicht von ihnen benutzt werden. Und ich überlege, dran zu bleiben an der Programmiererei. Denn das ist nicht langweilig, sondern richtig kreativ. Man kann knobeln und probieren und sieht sofort Ergebnisse.

Daniela Schmidt, MDR-Wissen-Podcasterin

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Einfach genial | 27. März 2018 | 19:50 Uhr