Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Sparen ist umso effizienter, je früher es beginnt, raten Finanzwissenschaftler. Bildrechte: imago/Westend61

Psychologie & WirtschaftSo lässt sich sinnvoll Geld sparen

21. Oktober 2022, 16:13 Uhr

Wie soll ich die Nebenkostenabrechnung bezahlen? Wie finanziere ich eine neue Waschmaschine? Werde ich später im Alter genug Geld haben? Solche Fragen beschäftigen uns sehr in diesen Tagen. Wer Rücklagen ansparen will, oder sich langfristig nach mehr finanzieller Sicherheit sehnt, dem geben Ökonomen und Wirtschaftspsychologinnen Tipps. Denn Sparen kann man lernen.

von Maike zum Hoff und Klara Fröhlich

Sparen ist nicht gleich Sparen

Sparen hat nicht unbedingt ein attraktives Image. Wer jeden Cent umdreht oder Geld hortet, wird deshalb nicht unbedingt zufriedener. Aber jeder kennt so eine Situation. Die Nebenkostenabrechnung fällt höher aus als erwartet (in diesem Jahr bedrohlich absehbar), die Waschmaschine ist kaputt, das Auto braucht neue Reifen, es steht eine Zahlung ins Haus. In solchen Fällen ist es nützlich, Erspartes auf der hohen Kante liegen zu haben. Wer sparen möchte, kann sich bewusstmachen:

Andreas Hackethal ist Finanzprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und forscht am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE. Bildrechte: MDR/Andreas Hackethal/Uwe Dettmar

"Sparen ist nichts anderes, als Konsum in der Zeit zu verschieben oder Geld ausgeben. Ich verzichte heute darauf, etwas auszugeben und verschiebe das über das Sparen in die Zukunft", erklärt Andreas Hackethal, Finanzprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiter des Bereichs “Household Finance” am Leibniz-Institut SAFE. Sparen ist nämlich nicht gleich sparen. Unterschieden wird zwischen dem Sparen, das man vornimmt, um sich mittelfristig einen Puffer für den Notfall aufzubauen und unangenehme Situationen zu vermeiden, und dem langfristigen Sparen fürs Alter.

Sparen ist nicht gleich sparen.

Andreas Hackethal, Finanzprofessor an der Goethe-Universität Frankfurt

Sparen ist derzeit nicht leicht

Zu welchem Zeitpunkt vom Ersparten profitiert werden kann, hängt ein bisschen davon ab, welche "Spar-Art" man verfolgt. Allerdings: Ist Sparen derzeit nicht gerade leicht. Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung untersuchten Ökonomen, welchen Veränderungen das Einkommen von Personen aus der Mittelschicht unterliegt. Das Fazit der Studie lautete: Es wird schwieriger für die untere Mittelschicht in höhere soziale Schichten aufzusteigen und es gibt mehr Personen aus der unteren Mittelschicht, die in die untere Einkommensschicht rutschen und damit von Armut betroffen sind.

Dass derzeit die Preise steigen, erschwert es zu sparen, erklärt Andreas Hackethal. "Deutschland hatte über lange Zeit eine der höchsten Sparquoten international – aus verschiedenen Gründen. Das meiste Geld landete in der Lebensversicherung oder auf dem Sparkonto, was für das Gros des Geldes langfristig keine gute Idee ist. Aktuell mit der Preissteigerung und den steigenden Ausgaben für Energie bleibt plötzlich weniger Raum fürs Sparen."

Denn: Viele Personen fragen sich, wäre es nicht besser, wenn alles teurer wird, noch dringende Anschaffungen zu machen? Sparen ist – das zeigt schon dieses Beispiel – höchst individuell. Jeder und jede startet mit anderen Ausgangsbedingungen, und geht mit anderen Motiven ans Sparen heran.

Spartipps und fürs Alter vorsorgen

Wer mehr sparen will, sollte sich über seine finanzielle Situation aufklären lassen, rät Andreas Hackethal. In einer Studie zur Rentenvorsorge visualisierten der Finanzprofessor und Kollegen anhand der Informationen über das Einkommen ihrer Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen, wie viel Geld sie später im Rentenalter bekommen würden. Das führte dazu, dass die Personen mehr Geld für ihr Alter beiseitelegten. Die Forscher zeigten damit, dass ihre Studien gleichzeitig auch einen praktischen Effekt haben können, und zu einer Verhaltensänderung der Teilnehmenden führen. Dass Praxis und Theorie sich quasi ergänzen.

"Wir gehen die Forschung so an, dass wir Experimente aufziehen, in denen wir Menschen zum Beispiel über ihren CO2-Verbrauch, den wir aus Bankdaten erkennen, aufklären, oder darüber, dass ihr Depot nicht hinreichend diversifiziert ist und sie dadurch mehr Risiko tragen als sie müssten. Und einer Kontrollgruppe geben wir weniger Informationen, die nicht diesen Effekt erzeugen soll – sodass wir vergleichen können, inwieweit die Informationsbereitstellung zu anderem Verhalten führt. Und da sehen wir sehr wohl eine Veränderung", erklärt Andreas Hackethal.

Wer sparen will, braucht also Klarheit darüber, wo Geld herkommt und hinfließt. Dazu macht es Sinn, sich drei Fragen zu stellen: "Wie viel werde ich bekommen? Was brauche ich? Und was soll ich dafür tun?" Wer sich diese Fragen stellt, geht das Problem aktiv an.

Faustregeln, die bei der Umsetzung helfen

Aktiv Entscheidungen zu fällen, hält auch Dani Parthum für wichtig. Sie ist studierte Ökonomin, Finanzjournalistin und coacht Frauen im Umgang mit Geld – zum Beispiel über einen Blog, in dem sie über Geldanlagen und ökonomische Zusammenhänge aufklärt. Sich etwas nicht unmittelbar zu gönnen, bedeutet nicht, dass man nicht zu einem späteren Zeitpunkt davon profitieren kann. Ihr erster Tipp lautet deshalb, drei Monatsgehältern oder vier Monatsgehälter netto auf einem Tagesgeldkonto anzusparen.

Es ist wichtig drei oder vier Monatsgehältern netto auf der hohen Kante liegen zu haben, am besten auf einem Tagesgeldkonto, damit es leichter ist, schwierige Phasen abzufedern.

Dani Parthum gibt Workshops und bloggt rund um das Thema Finanzen. Bildrechte: MDR/Dani Parthum

Diese Faustregel ist vor allem dafür gut, bei unerwarteten Veränderungen im Leben nicht mit dem Rücken zur Wand zu stehen, sondern aktiv handeln zu können und zu schauen, was möchte man stattdessen im Leben machen. Denn: "Der Notgroschen bringt unglaublich viel Sicherheit und Ruhe." Um das umsetzen zu können, rät sie Personen daher oft, sich Gedanken zu machen, wie sie sich grundsätzlich ein Finanzfundament aufbauen können. "Zu einem Finanzfundament gehört eine gute Kontenstruktur. Das heißt, dass es ein Girokonto und ein Tagesgeldkonto gibt. Auf das Tagesgeldkonto können wir nicht mit Debit-Karten zugreifen, kein Bargeld am Cash-Automaten abholen, und es muss vom Tagesgeldkonto auf das Girokonto überwiesen werden, wenn es ausgegeben werden soll."

Wem es schwer fällt zu sparen, rät Dani Parthum außerdem gleich zu Beginn des Monats fünfzehn oder 20 Prozent des Einkommens auf ein separates Tagesgeldkonto zu überweisen, um erst gar nicht in Versuchung zu kommen, das Geld auszugeben.

Und es ist sehr befriedigend und zufriedenstellend, wenn du siehst, wie das Geld auf dem Tagesgeldkonto wächst über die Monate.

Dani Parthum, Finanzcoachin

Diese Ausgaben sind zuerst anzugehen

Sind die Grundlagen fürs Sparen gelegt, geht es daran zu schauen, wo zu viel Geld für unnötige Sachen ausgegeben werden. Das lässt sich zum Beispiel gut mit einer App wie Mein Haushaltsbuch (von one two apps), Money Control oder Expense Manager angehen. Das Ziel davon? Die variablen Ausgaben zu monitoren und zu analysieren.

Als Orientierung empfiehlt Dani Parthum 50 Prozent des Nettoeinkommens für feste Ausgaben einzuplanen. Dazu zählen Ausgaben wie die Miete, Gebühren für die Kinderbetreuung oder Kita, Strom, Versicherungen, Telefonkosten oder ein Auto. Sie rät: Mit 30 Prozent der Ausgaben für alles zu rechnen, was das Leben angenehm macht. "Das Ziel dieses Ausgaben-Monitorings ist es zu lernen, Geld zu budgetieren und es gedanklich in verschiedene Töpfe einzuteilen." Ist eine strukturierte Analyse erfolgt, wohin wie viel Geld fließt und auf welche Posten sich Ausgaben verteilen, fällt fast meist von allein auf, wo sich etwas einsparen lässt. Das Abo einer Zeitung, aus der man herausgewachsen ist, überteuerte Kosmetik, das dritte Paar Sneakers …

Wer sich fragt, ob es mehr bringt, fixe Kosten runterzuschrauben, als im Supermarkt 20 Cent beim Toilettenpapier zu sparen, dem rät Dani Parthum, zuerst die großen Posten unter die Lupe zu nehmen. Ist es zum Beispiel die Miete, die viel vom Einkommen auffrisst, ist geraten darüber nachzudenken, ob eine preiswertere Wohnung in Frage kommt, oder eine Untervermietung möglich ist. Auch bei Impulskäufen lässt sich so etwas machen. Das bewusste Monitoren hilft gegen spontane Ausgaben, die man hinterher bereut.

Aus vielen Finanzcoachings weiß Dani Parthum: selbst mit Disziplin und einer passenden Kontostruktur fällt es schwer, auf unmittelbar genussbringende Dinge zu verzichten. Woran liegt das?

Das Gehirn reagiert stärker auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung

Bedürfnisse sind individuell. Geld zusammenzuhalten, fällt dem einen leichter, dem anderen schwerer, erklärt Psychologin Katharina Sachse von der FOM Berlin. Bildrechte: MDR/Katharina Sachse/Die Hoffotografen

Das lässt sich teilweise mit dem menschlichen Denken und Fühlen erklären. "Sparen steht nämlich gewissermaßen im Widerspruch zur menschlichen Kognition, bei der es ein Belohnungssystem gibt, das vor allem immer dann anspringt, wen wir uns etwas Gutes tun", erklärt Katharina Sachse, Wirtschaftspsychologin an der FOM Hochschule für Management und Ökonomie.

Das Belohnungssystem ordnet Sparen auf lange Zeit viel weniger attraktiv ein, als Sparen für den unmittelbaren Genuss. Weshalb es auch leichter fällt, für eine neue Spielekonsole Geld beiseite zu legen als für die Altersvorsorge. "Es gibt hier so eine abnehmende Nutzenfunktion. Je weiter das Ereignis weg ist, umso geringer ist der Nutzen für mich jetzt in dem Moment. Und das macht es so schwer, wenn man aus dieser Belohnungs-Perspektive argumentiert, vernünftig zu sein." Was wir stattdessen machen, ist das Ereignis mental abzuwerten. Wenn es noch fern in der Zukunft ist, sagen wir uns: "Ach das ist noch weit weg, wer weiß, was bis dahin noch passiert" oder "Ich lebe lieber jetzt gut und schaue, was später passiert", erklärt die Psychologin.

Insofern spielt die Psyche keine kleine Rolle, wenn es ums Sparen geht. Ein Trick, der gegen Impulskäufe helfen kann, ist, sich möglichst konkret ein Zukunftsziel vorzustellen, eine episodische Zukunftsvision. Das kann helfen, Motivation fürs Sparen zu erzeugen. "Wie fühlt es sich denn an, wenn ich mir mit 65 ein Häuschen am See kaufen kann und da den Enten beim Schwimmen zugucke?", solche oder ähnliche Fragen kann man sich stellen und dabei möglichst auch gleich einen konkreten Erinnerungsreiz schaffen, einen Spruch am Spiegel vor der Wohnungstür oder ein Foto vom Traumhaus am Kühlschrank etwa.

"Das weckt positive Emotionen, die sich auch jetzt schon spüren lassen", erklärt die Psychologin Katharina Sachse. So gesehen kann also auch etwas so unattraktives wie Sparen im Gehirn die Aktivierung von wohltuenden, belohnenden Gedanken bewirken. Es dauert nur einfach ein wenig länger, bis sich der Effekt zeigt. Jeden Cent umzudrehen macht vielleicht nicht glücklich. Ein Notfallgroschen, wenn die neue Waschmaschine ansteht, allerdings garantiert weniger Bauchgrummeln vorm Einschlafen.

Mehr Challenges zum Thema Sparen oder Altersvorsorge

Dieses Thema im Programm:MDR WISSEN Podcast "Meine Challenge" | 21. Oktober 2022 | 12:00 Uhr