Ein buntes Pokemon bild mit drei verschiedenen Figuren.
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Hirnforschung und Computerspiele Pokémon hinterlässt Spuren im Hirn

07. Mai 2019, 16:41 Uhr

Wie lernt das Gehirn, wo es welche Informationen ablegt? Pikachu, Bisasam, Glumanda, Schiggy: Wer jetzt nur Bahnhof versteht, ist nicht mit Pokémon, den Pocket-Monstern groß geworden. Falls sich jemand gefragt hat, ob diese Wesen mit den wundersamen Namen Spuren in Kinderköpfen hinterlassen haben - Forscher haben es herausgefunden.

1996 tauchten Kinder in eine völlig neue Figurenwelt ab: Pokémon! Kuriose, kugelige, kantige Figuren mit noch seltsameren Namen bevölkerten Spielkarten und Gameboys, unendlich viele Kinder hockten stundenlang an den gleichen handlichen Mini-Spielgeräten und Spielkarten. Für alle Eltern, die sich damals stirnrunzelnd gefragt haben, "Was machen eigentlich diese tierähnlichen Lebewesen, diese pocket monster, mit meinem Kind?" gibt es jetzt eine Antwort.

Schematische Darstellung von zwei Hirnregionen mit verschieden großen, farbig markierten Arealen
Hirnregionen zweier Erwachsener im Vergleich: links der eines Nicht-Pokemonspielers, rechts der eines Pokemonspielers. Rot eingefärbt der Occipitotemporale Sulcus, der Bereich, der die Reaktion auf Pokemon-Bilder anzeigt. Bildrechte: Jesse Gomez

Tatsächlich hat das intensive Spiel mit den Figuren Spuren im Gehirn hinterlassen und zwar bei allen an derselben Stelle: Das haben Psychologen der kalifornischen Universität Berkeley herausgefunden. Sie verglichen Hirnreaktionen von ehemaligen Pokemon-Spielern und Nicht-Spielern auf den Anblick von Pokémon - und anderen Bildern. Und tatsächlich zeigte sich: Wer als Kind viel Pokémon gespielt hat, reagierte auch als Erwachsener auf die Spiel-Figuren - und zwar an derselben Stelle im Gehirn.

Beim Pokémon-Spielen fokussieren sich die Augen auf einem kleinen Bildschirm auf einen winzigen Ausschnitt. Damit bestätigt die Forschung die Exzentrizitäts-Bias-Theorie: Sie besagt, dass zum einen die Größe des Objekts, das wir anschauen, bestimmt, welche Hirnregion darauf antwortet und zum anderen, ob es zentraler oder periphärer Bildbestandteil ist. Studienautor Jesse Gomez:

Es war bisher immer offen, warum bestimmte Hirnregionen auf Gesichter und Worte reagieren, aber beispielsweise auf Autos nicht. Ebenso unklar war, warum diese Reaktionen bei allen Menschen in derselben Hirnregion auftreten.

Jesse Gomez, Universität Berkeley

An Studien mit Affen wurde das an der Harvard Medical School untersucht und festgestellt, dass das in jungen Jahren im visuellen Cortex passiert, wenn sich das Hirn noch entwickelt. Aber wie ist das bei Menschen? Bei allen verschieden oder gleich? Gomez vermutete also, dass nur die Menschen, die intensiv Pokémon gespielt hatten, auf den Anblick dieser Figuren Hirnreaktionen zeigen würden. Denn sie mussten alle Figuren genau kennen, die sie im Spiel fangen und trainieren sollten - und das konnten schon mal 150 sein.

Was ehemalige Pokemonspieler so attraktiv für die Hirn-Forschung macht

Um die Wirkungen einer visuellen Stimulierung an Heranwachsenden zu prüfen, deren Gehirn sich noch entwickelt, müsste man Probanden jahrelang regelmäßig stundenlang vor die gleichen Bilder setzen und sie im gleichen Abstand angucken lassen kann. Da das aus ethischen Gründen nicht umsetzbar ist, kamen die Forscher auf die Pokemon-Idee: Der Hype um die skurrile Figurenwelt startete in den 90er-Jahren, zunächst mit statischen Figuren in Schwarzweiß auf Gameboygeräten. Kinder beschäftigten sich über Jahre hinweg stundenlang mit dem Spiel, alle hielten etwa den gleichen Abstand vom Gameboy zu den Augen und alle starteten mit dem gleichen Figuren-Set. Ein perfektes Untersuchungsumfeld, ohne jeden Einfluss von außen, dessen Folgen sich also rückblickend untersuchen ließ.

Die Studie wurde im Fachmagazin Nature Human Behaviour veröffentlicht.

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