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Kohlekraftwerke sind weltweit für etwa 30 Prozent aller energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich. Eine ALF genannte chemische Verbindung könnte all das CO2 vielleicht "auffangen". Bildrechte: imago/Sven Simon

AluminiumtriformiatHolt ALF das ganze CO2 aus den Abgasen von Kohlekraftwerken?

04. November 2022, 16:59 Uhr

Es ist einfach und relativ preiswert herzustellen, Aluminiumtriformiat, kurz ALF genannt. Laut einer Studie könnte es zum "Gamechanger" in Kraftwerken werden, indem es deren Emissionen komplett CO2-frei macht.

Wie kann man das Treibhausgas Kohlendioxid aus den Abgasen fossiler Kraftwerke entfernen, bevor es in die Atmosphäre gelangt? Neue Erkenntnisse deuten darauf hin, dass eine vielversprechende Antwort in einem einfachen, kostengünstigen und potenziell wiederverwendbaren Material liegt, das in den USA am National Institute of Standards and Technology (NIST) analysiert wurde. Wissenschaftler mehrerer Institutionen haben dabei herausgefunden, warum dieses Material so gut funktioniert, wie es funktioniert.

Es geht um Aluminiumtriformiat (von den Wissenschaftlern kurz ALF genannt), das zu einer Klasse von Substanzen gehört, die als metallorganische Gerüstverbindungen bezeichnet werden. Diese haben großes Potenzial für die Filterung und Trennung organischer Stoffe. Einige dieser Verbindungen haben sich als vielversprechend für die Raffination von Erdgas oder die Trennung der Oktan-Komponenten von Benzin erwiesen.
Ihre Fähigkeit, solche Trennungen durchzuführen, beruht auf ihrer inhärenten porösen Natur. Aluminiumtriformiat hat zum Beispiel das "Talent", Kohlendioxid (CO2) von anderen Gasen zu trennen, die üblicherweise aus den Schornsteinen von Kohlekraftwerken entweichen. Und es weise auch nicht die Mängel auf, die andere vorgeschlagene Kohlenstoff-Filtermaterialien haben, sagt Hayden Evans vom NIST, einer der Hauptautoren einer neuen Forschungsarbeit.

Aluminiumhydroxid und Ameisensäure

ALF wird aus Aluminiumhydroxid und Ameisensäure (auch Methansäure genannt) hergestellt, zwei Chemikalien, die auf dem Markt reichlich vorhanden und leicht erhältlich sind. Es würde weniger als einen Dollar pro Kilogramm kosten, sagt Evans, was bis zu 100-mal billiger sein soll als bei anderen Materialien mit ähnlicher Leistung. Niedrige Kosten sind natürlich wichtig, da für die Kohlenstoffabscheidung in einer einzigen Anlage bis zu zehntausende Tonnen Filtermaterial benötigt werden könnten.

"Was diese Arbeit so spannend macht, ist die Tatsache, dass ALF im Vergleich zu anderen leistungsstarken CO2-Adsorptionsmitteln wirklich gut abschneidet, aber in Bezug auf seine Einfachheit, allgemeine Stabilität und einfache Herstellung mit Designer-Verbindungen konkurriert", sagt Evans. "Es besteht aus zwei Substanzen, die leicht und im Überfluss vorhanden sind, so dass es möglich sein sollte, mit sehr geringen Kosten genügend ALF für einen breiten Einsatz herzustellen."

Wie eine Hand in einen Handschuh.

Hayden Evans, Chemiker und Hauptautor der Studie

Auf mikroskopischer Ebene ähnelt ALF einem dreidimensionalen Drahtkäfig mit unzähligen kleinen Löchern. Diese Löcher sind gerade groß genug, damit CO2-Moleküle eindringen und eingeschlossen werden können, aber gerade klein genug, um die etwas größeren Stickstoffmoleküle auszuschließen, die den Großteil des Rauchgases ausmachen.
Mittels Neutronenstreuung beobachtete das Forscherteam aus den USA und Singapur, wie sich die einzelnen "Käfige" in dem Material mit CO2 füllen. Das CO2 passte dabei ins Aluminiumtriformiat "wie eine Hand in einen Handschuh", so Evans.

Kostengünstige Alternative?

CO2 aus dem Rauchgas zu filtern oder abzuscheiden, bevor es überhaupt in die Atmosphäre gelangt, ist zwar ein längst bekannter Ansatz. Aber es hat sich bislang als schwierig erwiesen, einen wirksamen und preiswerten Stoff zu entwickeln, der das schafft. Denn das Gasgemisch, das durch die Schornsteine von Kohlekraftwerken strömt, ist in der Regel ziemlich heiß, feucht und korrosiv. Einige andere metallorganische Gerüstverbindungen funktionieren zwar, bestehen aber aus teuren Materialien. Andere sind wiederum weniger kostspielig, funktionieren dafür aber nur unter trockenen Bedingungen, so dass ein "Trocknungsschritt" erforderlich ist, der die Gesamtkosten des Reinigungsprozesses erhöht.

Man brauche schon eine Art "Wundermaterial", das alles Gute zusammenbringe, sagt Hayden Evans. Aber mit ALF sei man nahe dran. Nur unter sehr feuchten Bedingungen sei die Stabilität noch nicht gut genug. "Die Verwendung von ALF wäre jedoch so kostengünstig, dass ein Trocknungsschritt eine praktikable Option wäre", so Evans.

Bildrechte: B. Hayes / NIST

Trotz seines Potenzials ist Aluminiumtriformiat noch nicht sofort einsatzbereit. Es fehlt noch an einem Verfahren, ALF in großem Maßstab zu erzeugen. Kohlekraftwerke bräuchten außerdem ein kompatibles Verfahren, um die Feuchtigkeit des Rauchgases zu reduzieren. Aber laut Wissenschaftler Evans weiß man schon viel darüber, wie man diese Probleme angehen kann – und dass sie die Kosten nicht in unermessliche Höhe katapultieren würden.

CO2-Kreislauf

Aber mal angenommen, man kann demnächst wirklich jegliches CO2 aus Kohlekraftwerken auffangen – was tut man dann damit? Es gibt Forschungsanstrengungen, dieses CO2 in Ameisensäure umzuwandeln, also genau einen der beiden Stoffe, aus dem auch ALF gemacht wird.
Die Idee ist deshalb, dass ALF Teil eines zyklischen Prozesses werden könnte: ALF fängt CO2 auf, aus CO2 wird Ameisensäure gemacht und aus Ameisensäure (unter Zugabe von Aluminiumhydroxid) dann wieder ALF. Wenn das funktioniert, würden natürlich auch die Kosten des Materialkreislaufs weiter reduziert.

Eine Lösung, die dem Planeten helfen würde.

Hayden Evans, Wissenschaftler

"Heutzutage wird viel darüber geforscht, was man mit all dem aufgefangenen CO2 machen kann", sagt Hayden Evans. "Es scheint möglich, dass wir Sonnenenergie nutzen könnten, um Wasserstoff aus Wasser zu spalten und diesen Wasserstoff dann mit dem CO2 zu kombinieren, um mehr Ameisensäure herzustellen. In Kombination mit ALF wäre das eine Lösung, die dem Planeten helfen würde."

Links / Studien

(rr)