ErnährungsforschungWann probiotische Drinks uns schaden können
Im Kühlregal sind sie nebeneinander aufgereiht und versprechen ein stärkeres Immunsystem und eine bessere Verdauung. Doch probiotische Drinks können auch schaden und unsere Denkleistung beeinflussen.
Na, hatten Sie heute auch einen probiotischen Drink zum Frühstück? Da sind sie nicht allein. Viele Menschen schwören auf das Joghurtgetränk in den kleinen Fläschchen, verspricht es doch, unsere Gesundheit und Fitness zu fördern. Doch das vermeintliche Wundermittel kann uns auch schaden.
Aus dem Gleichgewicht geraten
Die lebenden Milchsäurebakterien in den Drinks sollen sich im Darm ansiedeln und bei Verdauungsproblemen helfen. Das kann funktionieren, muss aber nicht, erklärt Stefan Suckert. Er leitet das Ernährungsteam an der Universitätsklinik in Leipzig.
Auswirkungen könnten auch sein, dass sie das Gleichgewicht der Mikroflora, die so oder so im Darm natürlicherweise vorhanden ist, durcheinander bringen und dadurch neue Krankheiten auftreten können, aber auch Verdauungsbeschwerden.
Stefan Suckert, Unversitätsklinik Leipzig
Bei Vorerkrankungen könnte das gravierende Effekte haben. Eine Studie niederländischer Wissenschaftler zeigte schon 2008, dass bei Patienten mit einer entzündeten Bauchspeicheldrüse, die zugegebenen Milchsäurebakterien so viel Sauerstoff benötigten, dass sie zum Teil Durchblutungsstörunen verursachten.
Konzentrationsschwierigkeiten und Gedächtnisverlust
Zuletzt legte eine US-Studie nun nahe, dass auch die Hirnleistung unter den Probiotika leiden könnte. Probanden, die gegen Verdauungsprobleme regelmäßig Probiotika zu sich nahmen, fühlten sich verwirrt, hatten Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zum zeitweisen Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Ungewöhnlich, meint Suckert, es sei denn, die Dickdarmbakterien sind nicht dort, wo sie hingehören.
Wenn es fehlbesiedelt ist im Dünndarm und zu hohe Konzentrationen von Stoffen gebildet werden, gerade bei Milchsäurebakterien wäre es die Milchsäure, und diese ins Blut gelangen, kann das natürlich auch ins Gehirn gelangen.
Stefan Suckert
Dort schädigte die Milchsäure die Neuronen, was sich auf die Denkleistung auswirkte. Weshalb es zu der Ansiedlung im Dünndarm kam, lässt die Studie offen. Eigentlich tritt so etwas aber nur bei Patienten auf, denen zwischen Dünn-und Dickdarm ein entscheidender Teil fehlt, meist durch eine Operation. Es wären Sonderfälle. Diverse Experten zweifeln deshalb an den Studienergebnissen, aber auch, weil die Probanden daraufhin die Probiotika absetzten und zeitgleich Antibiotika bekamen. So ist es unmöglich zu sagen, welches Mittel gewirkt hat.
Kein kontrolliertes Medizinprodukt
Verteufeln muss man die Drinks nun nicht. Wer länger anhaltende Gesundheitsprobleme hat, sollte aber zum Arzt gehen statt zum Kühlregal. Denn die Trinkjoghurts sind nur Nahrungsergänzungsmittel, kein kontrolliertes Medizinprodukt. Gesunde Menschen können weiterhin zu den Drinks greifen. Suckert meint aber, es gäbe eine deutlich preiswertere Alternative: ein ganz normaler Naturjoghurt, der nicht wärmebehandelt ist, denn da sind die lebenden Bakterienkulturen noch drin.
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 17. Oktober 2018 | 16:23 Uhr