Psychologie Angst vor Spinnen? Das können Sie tun!
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23. September 2024, 07:20 Uhr
Der Herbst ist eine schöne Jahreszeit, wenn man Spinnen mag. Wem Spinnen Angst und Ekel verursachen, der erlebt September und Oktober anders. Schließt vielleicht penibel Türen und Fenster, kehrt ständig alle potentiellen Ecken, in denen Spinnen hocken könnten. Schickt andere in die Garage, die Luftpumpe holen. Sagt Freunden ab, die zu einem Wochenende auf ein Landgut einladen oder einem Lagerfeuer im Kanuverein. Schade, wenn man durch Spinnen so viel verpasst. Was tun?
Mit Spinnen ist es wie mit Menschen, die man nicht mag oder die einem Angst machen. Man kann ihnen begegnen, aber mit ein bisschen Fantasie kann man sie auch meiden. Auch Menschen, die Spinnen fürchten, finden dabei viele Methoden, weiß Jürgen Hoyer, Professor für Behaviorale Psychotherapie an der Technischen Universität Dresden: "Die einen putzen viel, die anderen ziehen in ein Hochhaus, so dass es extrem unwahrscheinlich wird, mit Spinnen in Kontakt zu kommen. Andere kompensieren sie, indem sie Dritte vorschicken. Da können sich Partner geschmeichelt fühlen, weil sie so toll und mutig sind und die Person mit der Angst schützen können." Wer so dem Spinnen-Kontakt ausweicht, empfindet seine Angst dann auch nicht als einschränkend, beschreibt der Wissenschaftler diesen Umgang mit der Angst: "Eine Spinnenphobie lässt sich in den meisten Fällen gut kompensieren."
Wann ist es eine Spinnenphobie?
Haarig wird es dann, wenn die Phobie überhandnimmt und dafür sorgt, dass Angst oder Ekel den Alltag, das Privatleben oder sogar Lebensentscheidungen bestimmen.
"Da ist es dann gut, sich Hilfe zu holen", sagt Dr. Hoyer. Wo ist der Kipppunkt, zwischen ein bisschen Ekel vor Achtbeinern und einer ausgewachsenen Spinnenphobie? Indem man mutig genau dahin schaut: Wo beginnen eigentlich die Einschränkungen durch Vermeidung? Zum Beispiel: "Der Partner will nach Afrika fliegen. Mir selbst erscheint das plötzlich kein interessantes Reiseziel zu sein. Dabei gäbe es vielleicht gar keinen Konflikt wegen des Reiseziels – wenn da nicht die Angst vor ungewohnter, nicht kontrollierbarer Umgebung wäre, in der Spinnenkontakt möglich sein könnte."
So schildert Hoyer ein Beispiel dafür, wie die Angst vermieden wird, indem man etwas ganz anderes vorschiebt. Wieso soll ich schön finden, was mein Partner schön findet? Statt: Ich habe Angst vor unverhofften Spinnen-Begegnungen. Um solche Einschränkungen im Alltag zu vermeiden, hilft nur eines, sagt Hoyer: "Ehrlich Bilanz ziehen. Sich selbst fragen: Ist das Vermeidung? Schränke ich mich im Alltag ein, wenn ich mal ganz offen vor mir selbst bin?"
Der erste Schritt gegen die Angst: Eine ehrliche Bilanz
Und damit ist eigentlich der erste und wichtigste Schritt getan: Die Angst beim Namen nennen, sich eingestehen, hier bin ich fremdbestimmt, hier beschneide ich meine Lebensqualität, meinen Alltag, meine Beziehungen, meinen beruflichen Werdegang. Tatsächlich, sagt der Therapeut, lässt sich eine Spinnenphobie in wenigen, manchmal auch einer einzigen, mehrstündigen Sitzung so reduzieren, dass man sich im Alltag nicht mehr einschränkt.
Ziel der Therapie hat sich gewandelt
Und wie geht das konkret? "Nach wie vor ist die Expositionstherapie die bewährteste Methode, mit der Betroffene lernen, sich Spinnen zu nähern und lernen, die Furcht beim Nähern zu bewältigen", sagt der Therapeut. Wobei sich der Ansatz gewandelt habe. Früher zielte die Therapie darauf, sich lange der Angst auszusetzen, bis sie von selbst (aus rein physiologischen Gründen) zurückgeht. Heute geht es mehr darum, überzogene Befürchtungen ("die Angst macht mich noch verrückt") durch neue Erfahrungen zu überprüfen und so den Betroffenen zu einer besseren Bewältigung der Angst und zu einem Alltag ohne Einschränkungen durch Angst vor Spinnen zu befähigen.
Spinnenangst-Therapie ohne Spinne?
Als unterstützendes Element in der Therapie kann auch Virtuelle Realität (VR-Technik) eingesetzt werden. Eine Methode, die an der TU Dresden weiterentwickelt wurde, bei der die Betroffenen einerseits über die VR-Brille Spinnen sehen, verschieden nah oder fern. Gleichzeitig aber sehen sie auch den Therapeuten und sind somit nicht allein in dieser (vorgespielten) Situation.
Also Spinnenphobie-Therapie ganz ohne Spinne? Aus Hoyers Sicht reicht das schlussendlich doch nicht. Ziel für ihn ist es, dass Betroffene der echten Spinne gelassen begegnen können: "Patient und Therapeut sitzen in einem Boot, man macht nichts, wozu der Patient, die Patientin nicht selbst bereit ist. Wenn jemand genügend vorbereitet ist, geht es am Ende nicht ohne den Kontakt mit der Spinne. Davor haben die Betroffenen zwar Bammel, aber manche haben dann auch das Hochgefühl, 'jetzt komme ich weiter!', oder erleben das Gefühl 'Ich muss mich nicht mehr klein, unterlegen fühlen'." Häufig verschwinde die Furcht weitgehend, und damit ist dann das Ziel erreicht, dass man sich von der Angst vor Spinnen nicht mehr einschränken lässt.
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 21. September 2024 | 17:15 Uhr