Wissen-NewsNeurowissenschaftlicher Atlas: Gehirn der Fruchtfliege komplett kartiert
Forschern aus der ganzen Welt ist es gelungen, gemeinsam das Gehirn einer Fruchtfliege zu kartieren. Sie erhoffen sich davon einen Durchbruch in den Neurowissenschaften, der dabei hilft, Krankheiten wie Alzheimer zu verstehen.
Obwohl das Gehirn seit Jahrhunderten erforscht wird und moderne Methoden tiefe Einblicke in den Kopf des Menschen geben, versteht die Wissenschaft das Denkorgan noch lange nicht so sehr, wie sie gerne würde. Ärzte können neurologische Erkrankungen wie Demenz, Parkinson und Alzheimer nicht heilen, sondern nur die Symptome bekämpfen. Das komplexe Netzwerk zwischen unseren Ohren aus Millionen von Neuronen und hundert Billionen Synapsen, die die Nervenzellen verbinden, ist noch nicht entschlüsselt. Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben sich zusammengeschlossen und unter dem Namen "FlyWire" einen Schritt zum besseren Verständnis gemacht. Sie haben das Gehirn einer Fruchtfliege kartiert, Neuron für Neuron, Synapse für Synapse.
Auf dem Weg zum Verständnis durch das Gehirn
Auch wenn das Insekt mit "lediglich" 140.000 Neuronen und etwa 50 Millionen Synapsen weit weniger umfangreiche Hirnstrukturen als der Mensch aufweist, sei das sogenannte Konnektom ein Riesenschritt, meint Mala Murthy vom Institut für Neurowissenschaften in Princeton: "Dies ist ein großer Erfolg. Es gibt kein anderes vollständiges Gehirnkonnektom für ein erwachsenes Tier dieser Komplexität." Immerhin stimmen 60 Prozent des Erbguts der Fliege mit dem Menschen überein, die auch zu höheren kognitiven Leistungen in der Lage ist. So haben die Insekten soziale Beziehungen, ein Langzeitgedächtnis und können über weite Strecken navigieren.
Der Hauptautor des am Mittwoch (02. Oktober 2024) erschienen Leitartikels zur bahnbrechenden Gehirnkarte in der Fachzeitschrift Nature hat in Heidelberg studiert. Sven Dorkenwald erklärt die Leistung der 287 Forschenden aus 76 Laboren auf der ganzen Welt plastisch: "So wie man ohne Google Maps nicht an einen neuen Ort fahren möchte, möchte man auch das Gehirn nicht ohne eine Karte erkunden. Wir haben einen Atlas des Gehirns erstellt und Anmerkungen zu allen Unternehmen, Gebäuden und Straßennamen hinzugefügt. Damit sind die Forscher nun in der Lage, das Gehirn auf dem Weg zu seinem Verständnis zu navigieren."
Schaltplan manuell zu konstruieren wäre unmöglich
Millionen von Bildern eines weiblichen Fruchtfliegengehirns wurden von den Wissenschaftlern mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ausgewertet. Ohne die Hilfe von Maschinenlernen wäre das Projekt nicht möglich gewesen, sagt der Neuro- und Computerwissenschaftler Sebastian Seung: "Die Kartierung des gesamten Gehirns wurde durch die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz möglich gemacht. Es wäre nicht möglich gewesen, den gesamten Schaltplan manuell zu rekonstruieren. Dies ist ein Beispiel dafür, wie KI die Neurowissenschaften voranbringen kann." Beim Prozess habe geholfen, dass die Forschenden die noch in Arbeit befindliche neuronale Karte früh für Kolleginnen und Kollegen geöffnet hätten.
Das Konnektom biete nun viele Möglichkeiten für weitere Forschung, so Dorkenwald: "Jetzt, da wir diese Gehirnkarte haben, können wir den Kreis schließen, welche Neuronen mit welchem Verhalten in Verbindung stehen." Das Verständnis über die Abläufe in einem gesunden Gehirn biete in der Zukunft die Möglichkeit zu verstehen, was bei Krankheiten nicht korrekt funktioniert. Und so vielleicht irgendwann mehr als Symptome von Alzheimer und Co zu mindern.
Link zur Studie
Der Artikel "Neuroscience breakthrough: A Princeton-led research team has mapped the entire brain of an adult fruit fly for the first time" ist in der Zeitschrift "Nature" erschienen.
jar/pm
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | Thüringenjournal | 23. September 2024 | 19:00 Uhr
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