
Studie aus Australien Sind Radfahrer keine Menschen?
Hauptinhalt
27. März 2019, 16:03 Uhr
Radfahren in Australien ist offenbar kein Zuckerschlecken: In einer Studie gab mehr als die Hälfte der Befragten an, für sie zählten Radfahrer nicht als Menschen. Was ist los in Down Under?
Radler in Australien sind ähnlich unbeliebt wie Kakerlaken. Einer Studie zufolge gelten sie als Minderheit und werden nicht der humanoiden Spezies zugeordnet. So jedenfalls beschreibt eine Pilotstudie der Universität Queensland das soziale Standing australischer Pedalritter.
"Kakerlaken auf Rädern" haben kein Recht auf Straßennutzung
Das fängt in der Sprache an und endet in gefährlichen Aktionen, etwa Vorfahrt nehmen oder mit Gegenständen bewerfen. Gängige Beschimpfungen in Down Under für Radfahrer lauten nämlich "cockroach" oder "mosquito", also "Kakerlake" oder "Moskito".
Mit dieser Art von Beschimpfung hatte 2014 ein Polizist in Queensland für Schlagzeilen gesorgt, der in einem Sozialen Netzwerk Radfahrer als "Kakerlaken auf Rädern" beschimpft und erklärt hatte, "Radler hätten kein Recht auf Straßennutzung". Ein Paradies für Radler scheint Australien jedenfalls nicht zu sein. In Telefoninterviews wurde in allen Bundesstaaten erfragt, wie oft das Fahrrad in der vergangenen Woche genutzt wurde. Das Ergebnis: Zwischen 2011 und 2017 ging die Fahrradnutzung auf dem Kontinent zurück - von 18,2 Prozent auf 15,5 Prozent. Genutzt wird as hauptsächlich für Freizeittouren. Zum Vergleich: In Deutschland wird das Rad am häufigsten für kurze Erledigungen und Einkäufe genutzt, wie der Fahrradmonitor der Bundesregierung von 2017 zeigt.
"Kakerlake auf Rädern" - ein wortstarkes Bild: Schließlich wollen die meisten - sofern nicht Biologe von Beruf - Kalerlaken am liebsten unter der Fußsohle zerquetschen oder womit auch immer erschlagen. Der Fall des angeklagten Polizisten verdeutlicht genau diese "Entmenschlichung", vom Radfahrer zur Kakerlake: Der sprachliche Vergleich macht die Menschen auf Rädern zu idealen Zielscheiben für Aggressionen und Belästigungen, sagen die Forscher der Universität Queensland.
Läuft: Anpöbeln, schneiden, blockieren
In der Studie gaben Radfahrer und Nicht-Radfahrer aus verschiedenen Regionen Auskunft darüber, wie sie über Radfahrer denken. Anhand zweier Entwicklungsskalen – vom Affen zum Menschen und von der Kakerlake zum Menschen – sollten sie angeben, an welcher Stelle der Evolutionsstufe Radler stehen:
55 Prozent der befragten Nichtradler und 30 Prozent der radelnden Befragten ordneten Radfahrer demnach nicht komplett der menschlichen Spezies zu. Für die Forscher erklärt das auch die folgenden Verhaltensweisen: 17 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten schon einmal Radfahrer absichtlich blockiert, 11 Prozent waren extrem dicht an Radlern vorbeigefahren, und 9 Prozent hatten schon einmal Radfahrer bewusst geschnitten.
Mechanismus: Abwertung rechtfertigt Diskriminierung
"Sobald jemand einen anderen als 'nicht völlig menschlich' klassifiziert, kann er Hass oder Aggressionen leichter rechtfertigen", führt Studienleiterin Dr. Alexa Delbosc aus. Das wiederum führe zur klassischen sich selbst erfüllenden Prophezeiung - fühlt sich ein Radler von anderen Verkehrsteilnehmern als nicht gleichwertig behandelt, verhält er sich ebenfalls aggressiv - und erfüllt so das Vorurteil der Radfahr-Hasser.
Kann Sprache Menschen friedlicher machen?
Klingt fast wie ein unlösbarer gordischer Knoten. Ko-Autorin Navelle Haworth sieht das optimistischer und plädiert dafür, Radler wieder zu Menschen zu machen, nämlich indem man nicht von "Radlern", sondern "Menschen, die Fahrrad fahren" spricht: "Denn als Menschen teilen wir alle uns nun einmal die Straßen miteinander."
Über die Beliebtheit der Radler in Deutschland ist uns keine Studie bekannt. Was nicht heißt, dass sich hier im Straßenverkehr alle lieb haben. Aber egal ob Radfahrer, Autofahrer, Fußgänger - alle fallen, wenn man sich die landesüblichen Beschimpfungen anschaut, in die Kategorie Mensch (oder menschliches Körperteil): "Du Idiot!", "Du Penner!", "Du Pisser!", "Du A...loch!" - hört man hier im Straßenverkehr, wenn sich Menschen übereinander ärgern. Da klingt die sächsische Variante der Beschimpfung fast nett, auch wenn sie aus dem Gegenüber ein Tier macht: "Du Vochel!" - Vögel will immerhin keiner zertreten.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 04. März 2019 | 11:00 Uhr