Frau, neben einem Kühlschrank stehend
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Alltagsgeschichten Lebensmittelverschwendung vermeiden: Von den Älteren lernen

31. August 2021, 18:14 Uhr

Lebensmittelverschwendung ist im Alltag von Ruth Schlag kein Thema. Die Rentnerin wirft fast keine Lebensmittel in den Abfall. Ihre Vergangenheit und Erziehung spielen dabei eine große Rolle.

Ruth Schlag ist geschieden, hat drei Kinder und lebt schon lange in Leipzig. Lebensmittelverschwendung ist in ihrem Haushalt kein Thema, und war es auch noch nie. "Wir mussten immer rechnen. Jetzt ist das genauso", erzählt sie.

Ein sparsames Leben

Die 83-Jährige hat in ihrem Leben schon viel erlebt und auch, wenn es nicht immer leicht war, wusste sie sich zu helfen. "Ich habe meine Kinder alleine großgezogen, bin immer arbeiten gegangen: bis zu meinem 79. Lebensjahr." Mindestens einmal pro Woche half sie damals noch in einem Wild- und Geflügelgeschäft im Leipziger Osten aus. Ein sparsamer Umgang mit Lebensmitteln ist bei Ruth Schlag auch eine Geldfrage. Weggeschmissen wird bei ihr jedenfalls kaum etwas.

Lehren aus dem Krieg

Begonnen hat das schon in ihrer Kindheit. Ruth Schlag ist in den letzten Kriegsjahren in Borsdorf, zwischen Leipzig und Wurzen, groß geworden. Ihr Vater war im Krieg, ihre Mutter alleine. Damals war ein genügsamer Umgang mit Lebensmitteln wichtig. "In dieser Zeit und nach dem Krieg haben wir wirklich viel gespart. Wir waren Ähren lesen, Kartoffeln und Rüben stoppeln." Stoppeln bedeutet, dass man die nach der Kartoffelernte übriggebliebenen Kartoffeln einsammelte. "Das kommt mir aber heute zugute", sagt sie. "Geschieden und alleinerziehend: Da ist nicht viel übriggeblieben. Zu DDR-Zeiten habe ich auch nicht viel verdient. Nach der Wende sind geschiedene Frauen auch nicht berücksichtigt worden."

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Mi 27.01.2021 16:18Uhr 00:51 min

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Gezieltes Einkaufen

Heute geht Ruth Schlag gezielt einkaufen, einmal pro Woche. "Wenn in der Küche irgendetwas ausgeht, dann wird das aufgeschrieben und den Zettel nehme ich mit." Beim Einkaufen lässt sie sich von den Angeboten inspirieren, aber plant dabei direkt ein Gericht: "Zu dem Gemüse, was es gibt, kaufe ich dann gleich noch Gehacktes."

Ein kleines Laster wird sie aber dennoch nicht los: "Wir waren ja immer eine große Familie. Da habe ich mir nicht abgewöhnen können, den großen Topf zu kochen." Aber es mache ihr nichts aus, zwei, drei Tage hintereinander das gleiche zu essen. "Es wird immer aufgeteilt auf bestimmte Tage und in den Kühlschrank gestellt. Meine Mikrowelle ist jeden Tag in Betrieb." Angebrochene Lebensmittel packt sie sofort in einen Kühlschrankbehälter aus Plastik. Wenn gekochte Kartoffeln übrig sind, gibt es am nächsten Tag Bratkartoffeln.

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Erfahrungen an die Kinder weitergeben

Vom sparsamen Umgang mit Lebensmitteln profitieren auch Ruth Schlags Kinder. "Meine Töchter, die machen das eigentlich genauso. Die sagen beide: Mutti, es war immer gut, dass wir nie viel Geld hatten. So fällt es uns nicht allzu schwer, wenn man doch mal eine Zeitlang weniger verdient." Und nicht nur davon profitieren die Kinder. Wenn der große Topf wieder randvoll ist, tragen auch sie dazu bei, dass nichts weggeworfen wird. "Meine eine Tochter kommt jedes Wochenende zum Essen. Die weiß, die hat ihre Dosen und Töpfe mitzubringen, damit sie etwas mitnehmen kann."

Lebensmittelretten wird an Weihnachten zur Herausforderung

Letzte Weihnachten wäre das fast schiefgelaufen. "Am zweiten Feiertag kommt immer meine Familie zu mir. Dieses Jahr natürlich nur der engste Kreis." Dafür bereitete Ruth Schlag den Kaninchenbraten vor. "Die Knödel waren schon aus der Packung und das Glas Rotkraut schon offen, da rief meine Tochter an." Ihre Enkelin, die als Krankenschwester arbeitet, sei möglicherweise Corona-positiv. Die Weihnachtsfeier war abgesagt.

"Ich war erstmal voller Panik. Wo sollte ich denn mit dem ganzen Essen hin? Ich habe überlegt, was kann ich umräumen oder ausräumen. Mein Kühlschrank ist ja nicht groß und mein Gefrierschrank noch kleiner." Eine Stunde später dann der erneute Anruf: Ihre Tochter und deren Mann kommen mit Gefäßen vorbei und holen das Essen. "Da war ich natürlich erleichtert. Mein Schwiegersohn isst gerne Fleisch. Für ihn hatte ich zwei Kaninchenkeulen. Es ist ja schon einiges, was man da einkauft." Am nächsten Tag kam dann die Entwarnung, ein negativer Testbescheid. So waren nicht nur die Reste, sondern auch Weihnachten gerettet.

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