Künstlerische Darstellung, die die Besonderheit von Insel-Säugetieren und den Einfluss des Menschen hervorheben soll.
Insel-Säugetiere waren oft extrem groß oder extrem klein. Und sie waren und sind mehr vom Aussterben bedroht als ihre Festland-Verwandten. Der "Fußabdruck" des Menschen spielt dabei eine wichtige Rolle. Bildrechte: Scott Schrage, University of Nebraska-Lincoln

Evolution Auf Inseln ist bei Tieren alles anders, auch das Aussterben

11. März 2023, 14:00 Uhr

Kleine Tiere wurden auf Inseln zu Riesen, große Tiere wurden zu Zwergen, und am Ende starben sie früher aus als ihre "normalen" kontinentalen Artgenossen. Besonders dann, wenn der Mensch ins Spiel kam.

Obwohl Inseln nur sieben Prozent aller Landflächen der Erde ausmachen, sind auf ihnen 20 Prozent aller Landtierarten zu finden. Andererseits sind aber auch 50 Prozent aller als bedroht eingestuften Arten auf Inseln heimisch. Inseln sind definitiv ein besonderer Lebensraum für Tiere.
Hinzu kommt, dass auf den Eiländern die Größenmaßstäbe extrem verschoben werden. Es gab Nagetiere, die auf das 100-fache der Masse ihrer Festland-Verwandten anwuchsen. Im Gegensatz dazu Mammuts, die auf dem Festland zehn Tonnen wogen, auf Inseln aber auf ein Zehntel davon "geschrumpft" sind. Wie kommt das?

Die Insel als großer "Gleichmacher" unter den Tieren: Auf dieser Illustration der Tierwelt Sardiniens im Pleistozän sieht man unter anderem ein Zwergmammut und einen Riesenfischotter, deren Größenunterschied durch das sogenannte Insel-Syndrom nur noch sehr gering war. Das Mammut war viel kleiner als seine Festland-Verwandten, der Fischotter dagegen viel größer.
Die Insel als großer "Gleichmacher" unter den Tieren: Auf dieser Illustration der Tierwelt Sardiniens im Pleistozän sieht man unter anderem ein Zwergmammut und einen Riesenfischotter, deren Größenunterschied durch das sogenannte Insel-Syndrom nur noch sehr gering war. Das Mammut war viel kleiner als seine Festland-Verwandten, der Fischotter dagegen viel größer. Bildrechte: Peter Schouten

Die Forschung erklärt es sich so: Kleinere Säugetiere wie z. B. Mäuse haben es auf Inseln mit weniger Raubtieren zu tun und können sich, da sie weniger Grund haben, sich zu verstecken oder zu fliehen, zu riesigen Versionen ihrer Festland-Verwandten entwickeln.
Größere Säugetiere wie Büffel oder Flusspferde, sehen sich dagegen auf Inseln mit mehr Zwängen konfrontiert. Weniger Nahrung oder Beute und weniger Territorium, um beides zu finden. All das setzt dem Wachstum Grenzen oder sorgt evolutionär sogar für ein Schrumpfen.

Das Wasserbüffelchen

Der letzte in Gefangenschaft lebende Tamarau der Welt hieß Kalibasib. Er starb im Jahr 2020.
Der letzte in Gefangenschaft lebende Tamarau der Welt hieß Kalibasib. Er starb im Jahr 2020. Bildrechte: Gab Mejia

Sind Sie schon mal einem Tamarau begegnet? Höchstwahrscheinlich nicht. In Zoos oder ähnlichen Einrichtungen gibt es keinen mehr, der letzte in Gefangenschaft lebende starb 2020. Und um einen Tamarau in freier Wildbahn gesehen zu haben, müssten Sie schon mal auf Mindoro, einer zu den Philippinen gehörenden Insel gewesen sein. Denn nur dort lebt diese kleine, stämmige Wasserbüffel-Art, die eine Schulterhöhe von höchstens einem Meter erreicht, was man im Vergleich mit "herkömmlichen" Wasserbüffeln durchaus als zwergwüchsig bezeichnen darf.
Ach ja, der Tamarau ist vom Aussterben bedroht. Auch das ist typisch, wie eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) nun statistisch belegt hat.

Dazu wurden Daten von 1.231 noch existierenden und 350 ausgestorbenen Säugetierarten untersucht. Sie stammten von 182 immer noch vorhandenen oder ehemaligen Inseln. Das Ergebnis war deutlich, nämlich, dass die Entwicklung zu Zwergwuchs oder Gigantismus häufig mit einer erhöhten Anfälligkeit für das Aussterben einhergeht.

Naivität der Inseltiere

Eine mögliche Erklärung ist, dass Arten, die vom Festland auswanderten, mit den Fleischfressern in ihrer neuen Insel-Heimat nicht vertraut waren und möglicherweise keine angemessene Angst vor den neuen Nachbarn hatten. Einige der Säugetierarten, die am ehesten dazu neigen, zu wachsen oder zu schrumpfen, könnten also eine ahnungslose Beute gewesen sein, so die Forscher.

"Sie sind sehr naiv gegenüber Raubtieren, insbesondere gegenüber großen Primaten wie uns, die hier auftauchen", so Kate Lyons, Professorin für Biowissenschaften in Nebraska, die ebenfalls an der Forschungsarbeit beteiligt war. "Sie sind also viel leichter zu fangen, zu töten und zu essen. Und da Inseln isoliert sind, ist es für ein neues Raubtier auch leichter, sie zum Aussterben zu bringen."

Das Raubtier namens Mensch

Als größter Fressfeind der Inseltiere stellte sich aber (mit Abstand) der moderne Mensch heraus, Homo sapiens. Auch wenn Riesen- und Zwergtiere die Inseln bereits bedrohten, vervielfachte die Ankunft des modernen Menschen die Wahrscheinlichkeit des Aussterbens noch einmal um das 16-fache. Dies übertraf bei weitem die Auswirkungen früherer, weniger fortgeschrittener Homo-Arten, deren Auftreten "nur" mit einer Verdopplung des Aussterbens einherging.

Dieser Anstieg des durch den Menschen verursachten Aussterbens zeigte sich in den Fossilienaufzeichnungen in Form von Impulsen. Der erste trat vor etwa 100.000 Jahren auf, ein weiterer vor etwa 16.000 Jahren, kurz vor dem Ende der letzten Eiszeit, und ein dritter vor gerade mal 2.000 Jahren. Dieser letzte Impuls führte aber dann zu einer Aussterberate, die etwa 88-mal höher war als die erste.

Diese vom Menschen gesetzten Impulse verdeutlichen laut den Forschern, dass der Mensch mit anderen Raubtieren kaum gleichzusetzen ist. Die meisten Raubtiere, so Kate Lyons, bringen ihre Beute nicht zum Aussterben. Wenn die Beutetierpopulation durch die Bejagung sinkt, haben die Raubtiere weniger zu fressen und müssen schließlich feststellen, dass auch ihre eigene Zahl sinkt. Dadurch kann sich die Beutepopulation wieder erholen, und die Raubtiere ziehen nach und so weiter und so fort.

"Der Mensch tut das (historisch gesehen) nicht", sagt Lyons. "Wir wechseln ständig die Beute. Wir essen etwas, bis es weg ist, oder bis es schwer zu fangen ist, und dann essen wir etwas Anderes, bis es weg ist. Aber wir hören nicht auf, das zu essen, was wir zuerst gegessen haben. Wenn wir es finden, essen wir es weiter, der Druck auf die Population bleibt also bestehen."

Der Beschützer namens Mensch?

Die Forschungsgruppe wünscht sich nun im 21. Jahrhundert aber einen ganz anderen menschlichen Einfluss auf Inseltiere, nämlich verstärkte Schutzbemühungen. Der Nachweis, der in der Arbeit erbracht wurde, dass besonders groß- und kleingewachsene Inseltiere auch schon ohne den Einfluss des Menschen anfälliger fürs Aussterben sind, müsse von nun an immer mitbedacht und in Naturschutzplänen mit besonderer Priorität versehen werden.

Links / Studien

Die Forschungsarbeit "Dwarfism and gigantism drive human-mediated extinctions on islands" ist im Journal "Science" erschienen.

(rr)

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