Mikroskopische Aufnahme: Bakterienhaufen.
Klebsiella pneumoniae sind Stäbchenbakterien. Bildrechte: IMAGO / Science Photo Library

Antibiotika RKI warnt Kliniken vor multiresistenten Krankenhauskeimen aus der Ukraine

16. März 2023, 11:03 Uhr

Einzelne Ukrainer haben 2022 unabsichtlich multiresistente Krankenhauskeime nach Deutschland gebracht. Die sind für gesunde Personen meist harmlos, aber Kliniken müssen aufmerksam sein, warnt das Robert Koch-Institut.

Klebsiella pneumoniae sind eigentlich nichts Besonderes. Die kleinen Stäbchenbakterien können den Milchzucker Laktose spalten und leben daher unter anderem im menschlichen Darm, aber auch sonst praktisch überall auf der Welt. Problematisch sind sie allerdings, wenn sie sich in Kliniken einnisten und Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln. Einige dieser Keime sind 2022 offenbar mit Geflüchteten und Kriegsverwundeten aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Das Robert Koch-Institut warnt daher in der aktuellen Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins Kliniken vor der Gefahr.

Bakterien können sich gegen zwei der letzten noch wirksamen Antibiotika wehren

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Bereits Anfang Februar hatte das Nationale Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger an der Ruhruniversität Bochum vom Anstieg der Fallzahlen berichtet. Zwischen März und September wurden in 283 Fällen Klebsiella pneumoniae nachgewiesen, die Carbapenemasen herstellen konnten. Das ist eine Kombination aus zwei Enzymen, die den Erregern erlaubt, sich gegen zwei der letzten Reserveantibiotika zu wehren, die Medizinern gegen multiresistente Keime noch zur Verfügung stehen. In den Jahren der Pandemie waren nie mehr als 129 positive Nachweise pro Jahr registriert worden.

Grundsätzlich gesunde Menschen merken von einer Besiedlung mit den Keimen oft nichts. Bei Erkrankungen oder Verletzungen aber kann Klebsiella pneumoniae zu Lungenentzündungen, Wundinfektionen oder Harnwegsinfekten führen. Für Krankenhäuser sind die Keime daher sehr gefährlich. In Leipzig hatte das Universitätsklinikum 2010 und 2011 mit Ausbrüchen zu kämpfen. Dabei starben bis zu 30 Menschen an den Erregern.

Während ein Teil des Anstiegs auch mit der Rücknahme von Corona-Maßnahmen zu tun haben dürfte, waren in 24 Prozent der Fälle Aufenthalte in der Ukraine entscheidend. "Uns ist aufgefallen, dass viele der betroffenen Proben einen Bezug zur Ukraine hatten, dass die entsprechenden Patientinnen und Patienten beispielsweise von dort geflüchtet waren oder als Kriegsverletzte in Deutschland ins Krankenhaus eingeliefert wurden", erklärt Niels Pfennigwerth vom Referenzzentrum.

Keine Hinweise auf lokale Übertragungen in Deutschland

Die gestiegene Zahl der Nachweise in dem Referenzlabor sagt noch wenig über die absolute Zahl von Fällen, denn die Weiterleitung von Patientenproben an das Labor ist keine Pflicht für Kliniken und Arztpraxen. "Patientenproben werden in der Regel zunächst in krankenhauseigenen oder niedergelassenen Laboren untersucht und nur zum Teil an das NRZ weitergeschickt", teilt das RKI auf Anfrage von MDR WISSEN mit.

Dass es zu einer großen Zahl gefährlicher Infektionen gekommen ist, erscheint aber unwahrscheinlich. "Die bisherigen Auswertungen ergeben, dass der Anstieg der Fälle nicht auf einzelne, große Cluster zurückzuführen ist und dass die Mehrzahl der genetisch ähnlichen Isolate räumlich verteilt ist, das heißt wahrscheinlich nicht auf lokale Übertragungen in Deutschland zurückzuführen sind", so das RKI.

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Erregernachweise relativ selten – Risiko bei Ukrainern aber erhöht

Rund eine Millionen Geflüchtete kamen 2022 zwischen März und September an. "Vor diesem Hintergrund sind die Nachweise relativ seltene Ereignisse unter Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen. Allerdings deuten die Auswertungen darauf hin, dass Patientinnen und Patienten aus der Ukraine ein erhöhtes Risiko haben, mit den hier berichteten antibiotikaresistenten Erregern besiedelt oder infiziert zu sein, insbesondere nach Kontakt mit medizinischen Einrichtungen beziehungsweise vorausgegangener medizinischer Behandlung in der Ukraine."

Genetische Analysen der Erreger deuten auf eine hohe Verbreitung in der Ukraine hin. Kliniken hatten dort schon vor der groß angelegten Invasion Russlands im vergangenen Jahr Probleme mit diesen Keimen, zeigt eine Untersuchung für die Jahre 2014 bis 2016.

Die Forschenden empfehlen Kliniken und Ärzten daher, ukrainische Patienten bei einer Aufnahme in Kliniken auf die Erreger zu testen. Sollte der Test positiv ausfallen, müssen die Betroffenen isoliert und strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 16. März 2023 | 08:00 Uhr