Covid-19 Russen veröffentlichen Daten zu Corona-Impfstoff
Hauptinhalt
04. September 2020, 15:49 Uhr
Im August verkündete Russland die Zulassung einer Coronaimpfung. Jetzt reichen Forscher die Daten aus den ersten klinischen Tests nach. Demnach sei die Impfung verträglich und wirksam. Der entscheidende dritte Test fehlt aber noch.
Mit großem Tamtam hatte die russische Regierung am 11. August die Registrierung einer Impfung gegen Corona verkündet und damit so etwas wie eine vorläufige Zulassung gemeint. Präsident Putin sprach von einem "Sputnik-Moment". Allerdings reagierten viele Wissenschaftler und Behörden außerhalb Russlands extrem skeptisch. Die russischen Behörden hatten offenbar auf die entscheidende dritte klinische Testphase verzichtet, die ein international wichtiger Sicherheitsstandard bei der Zulassung von Medikamenten ist. Zudem hatten die Forscher zunächst keine Daten aus den ersten beiden klinischen Tests veröffentlicht. Immerhin das haben sie jetzt nachgeholt.
Russen nutzen zwei Adenoviren als Impfvektoren
Im international renommierten medizinischen Fachblatt "The Lancet" haben die russischen Forscher um Denis Logunov vom russischen Zentrum für Epidimiologie und Mikrobiologie nun Details zu ihrem Impfstoffkandidaten sowie die bisherigen Testergebnisse publiziert. Die Wissenschaftler nutzen demnach zwei Adenoviren als Impfvektoren.
Bei diesem Verfahren wird einem gewöhnlichen Erkältungsvirus die Fähigkeit zu Vermehrung genommen und stattdessen ein Teil der Erbinformation des Zielvirus eingesetzt. Es ist ein altbekanntes und erprobtes Verfahren für die Herstellung einer Impfung. Neben Russland verfolgen derzeit britische und chinesische Gruppen die gleiche Strategie.
Im konkreten Fall statteten die Forscher ein Typ-26 und ein Typ-5 Adenovirus mit der Bauanleitung des Spikeproteins von Sars-CoV-2 aus. Damit dringt Corona in die menschlichen Zellen ein, wo es sich dann vermehrt. Typ-26 wurde laut den Daten für die erste Impfung benutzt. 21 Tage später folgte eine Spritze mit dem Typ-5 Impfstoffvektor. Die Nutzung von zwei verschiedenen Vektoren soll sicherstellen, dass die Immunabwehr den Vektor erkennt, ausschaltet und so die zweite Impfung unwirksam macht.
Zudem wurden zwei Verfahren zur Haltbarmachung des Impfstoffs getestet: Ein Teil der Dosen wurde eingefroren, ein anderer gefriergetrocknet. Letzteres Verfahren ist etwas aufwendiger und teurer, aber wichtig für die Versorgung von entlegenen Gebieten.
Gute Antwort des Immunsystems
Getestet wurde die Impfung offen an insgesamt 76 Studienteilnehmern. Das bedeutet, die Teilnehmer wussten darüber Bescheid, dass sie einem Impfstoffkandidaten bekamen. Laut den Daten gab es keine schwerwiegenden Nebenwirkungen innerhalb von 42 Tagen nach der Injektion. Zudem hatten alle Teilnehmer nach 21 Tagen Antikörper gegen das Spikeprotein von Corona gebildet. Außerdem gab es Hinweise, dass der Impfstoff nach 28 Tagen eine T-Zellantwort ausgelöst hatte. Das ist gut, es zeigt, der Kandidat aktiviert die Immunabwehr an mehreren Stellen.
Laut der veröffentlichten Daten war die gemessene Immunantwort bei den Geimpften sogar stärker, als bei einer Vergleichsgruppe von Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden hatten. Bei den Teilnehmern handelte es sich um gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 60 Jahren. Als Nebenwirkungen traten vor allem Schmerzen an der Einstichstelle (bei 58 Prozent), erhöhte Temperaturen (50 Prozent), Kopfschmerzen (42 Prozent), Abgeschlagenheit (28 Prozent) und Schmerzen in Muskeln und Gelenken (24 Prozent) auf. Die meisten dieser Nebenwirkungen fielen laut den Autoren mild aus.
Phase-3-Studie wurde Ende August genehmigt
Kritik am russischen Vorgehen hatte sich vor allem daran entzündet, dass der Impfstoff ohne eine folgende Phase 3 zugelassen wurde, bei der ein Kandidat an mindestens 30.000 Teilnehmern getestet werden muss. Im jetzt veröffentlichten Report heißt es, die Zulassung sei lediglich provisorisch erfolgt, eine Ausgabe des Impfstoffs nur für besonders gefährdete Gruppen gedacht, die nur unter strenger medizinischer Aufsicht erfolgen sollte. Zugleich sei eine Phase-3-Studie am 26. August genehmigt worden. Dafür würden nun 40.000 Teilnehmer gesucht.
Die russischen Ergebnisse sind ähnlich vielversprechend wie die von anderen Gruppen zuvor. Allerdings hat bislang noch kein Impfstoffkandidat die Phase-3 abgeschlossen. In dieser Phase aber scheitern viele Teststoffe, meistens weil sie sich als nicht genügend wirksam erweisen. Patienten würden sich dann trotz Impfung mit Corona anstecken und an einer Covid-19 erkranken. Hauptproblem an den Phase-1 und 2 Studien ist, dass hier in der Regel gesunde und junge Erwachsene teilnehmen. Damit lassen sich kaum Aussagen darüber treffen, ob ein Impfkandidat auch ältere Menschen mit Vorerkrankungen wirksam vor einer Ansteckung schützt.
Eulenspiegel am 05.09.2020
Also ich denke die Russen sind in der Forschung weder besser noch schlechter als andere. Darum geht es ja auch gar nicht. Es geht um die international geltenden Zulassungsregeln für einen neuen Impfstoff. Und die Frage darf man auf der entscheidenden dritten Testreihe, in der Wirkung und Nebenwirkungen genau ausgetestet werden verzichten. Russland meint ja. Der Rest der Welt meint nein.
Der Matthias am 04.09.2020
@ Rain Man
"Der russische Impfstoff ist aber immerhin keine genverändernde Impfstoffbrühe"
Woher wollen Sie das so genau wissen? Weil die Russen das so erzählt haben?
"von der man nicht mal ansatzweise weiß, was diese für Langzeitfolgen hat."
Diese möglichen Langzeitfolgen sind bei dem neuen russischen Impfstoff (logischerweise) auch noch völlig unbekannt! Zumal er bislang großflächig noch gar nicht zur Anwendung gekommen ist.
Beide Ihrer Aussagen beruhen daher auf reinen Spekulationen bzw. Behauptungen!
AndiB am 04.09.2020
"Im jetzt veröffentlichten Report heißt es, die Zulassung sei lediglich provisorisch erfolgt...." Was anderes hat die russische Seite auch nie gesagt. Und, wenn in der Phase III die Wirksamkeit nicht nachgewiesen wird, verliert er automatisch mit dem 31.12.2020 seine vorläufige Zulassung. Lässt sich alles problemlos seit 11. August nachlesen.