Flussperlmuscheln
Diese Flussperlmuscheln sind zehn Jahre alt. Bildrechte: Felix Grunicke

Gewässerschutz Älter als die Saurier: der Kampf um die Flussperlmuschel

12. Dezember 2021, 07:30 Uhr

Die Flussperlmuschel lebt in Flüssen und Bächen mit sauberem Wasser. Die Wasserqualität vieler Flüsse ist aber so schlecht geworden, dass die Muschel in vielen Gebieten als ausgestorben gilt. Jetzt gibt es aber wieder Hoffnung für sie. In Forschungsprojekten wird sie seit mehr als zwanzig Jahren vermehrt und ausgewildert, unter anderem Sachsen.

Am Ende eines eingezäunten Ackers, in einer Talsohle, irgendwo in Sachsen, schlängelt sich ein schmaler Fluss zwischen Bäumen und Buschwerk hindurch. Es regnet seit Stunden. Dem Hydrobiologen Felix Grunicke macht das nichts aus. Er steht bekleidet mit einer Gummihose knietief im Wasser und beendet gerade seine Messungen. Standardprogramm, wie er sagt. Wie sieht es mit den Parametern im Gewässer aus, Leitfähigkeit, PH-Wert, Sauerstoffgehalt? Ergebnis: Die Wasserqualität ist gut, hier könnten es Flussperlmuscheln aushalten.

Eine Person steht mit Funktionskleidung in einem Fluss.
Felix Grunecke kontrolliert einen Flussperlmuschel-Behälter in einem Bach in Sachsen Bildrechte: Annegret Faber

Zum Beweis fischt Felix Grunicke einen kleinen Käfig vom Grund des Baches. Er ist so groß wie eine Brotbüchse und mit einem Metallgitter umspannt, damit Wasser hindurchströmen kann. Grunicke öffnet den Käfig, und zum Vorschein kommen 15 Flussperlmuscheln. "Die wachsen hier nach und nach heran und werden zum richtigen Zeitpunkt ausgewildert, wenn wir denken, sie schaffen es jetzt auch wieder alleine im Bach." Die Muscheln sind braun und oval, zwei bis drei Zentimeter lang. Jede hat ein kleines, rotes Schild mit einer Nummer drauf.

Diese empfindlichen Organismen gibt es schon länger als Dinosaurier. Den ganzen Tag filtern sie Wasser und reagieren deshalb prompt auf Verschmutzungen. Für Hydrologen sind sie deshalb "Zeige-Organismen": Wo die Muschel lebt, ist das Wasser noch in Ordnung.

Sachsen: Gedeihen hier noch Flussperlmuscheln?

Nur - wo ist das noch so? Seit der Industrialisierung ging es bergab. Industrieanlagen leiteten Abwässer in die Flüsse, Landwirte bearbeiteten immer größer Flächen und setzten Pflanzen- und Insektenvernichtungsmittel ein, die nach und nach in die Flüsse sickerten. In den letzten Jahrzehnten war es dann soweit, dass die Muschel nicht mehr im Fluss, stattdessen aber auf der roten Liste der bedrohten Arten auftauchte.

Briefmarke - Bedrohte Tierarten-Flussperlmuschel - der Deutschen Bundespost
Als das Briefe-verschicken noch 56 Cent kostete, schaffte es die Flusspermuschel sogar auf eine Briefmarke Bildrechte: IMAGO / Schöning

Thomas Berendonk beobachtete das mit Sorge. Er leitet an der TU Dresden das Institut für Hydrobiologie: "Es gab vor knapp 100 Jahren noch Flussperlmuscheln. Es gab auch ein Recht darauf, die Flussperlen zu ernten, es gab also richtig große Flussperlmuschelbänke." Die Muschel sei nicht nur für den Fluss, sondern auch für die deutsche Kultur wichtig, denn sie ist die einzige Süßwassermuschel, die Perlen ausbildet. Thomas Berendonk verdeutlicht das: "Es ist ja nicht so, dass jede Muschel eine Perle hat. Sondern das ist jede Hundertste, oder jede Tausendste. Entsprechend viele Muscheln musste man haben, um überhaupt eine einigermaßen auskömmliche Anzahl an Perlen zu bekommen." Berendonks Schätzung ist optimistisch, andere sprechen nämlich von jeder fünftausendsten Muschel.

Flussperlmuscheln
Diese Flussperlmuschel wurde in Franken fotografiert Bildrechte: imago/blickwinkel

Felix Grunicke, der MDR WISSEN an einen der geheimen Orte mitgenommen hat, legt den kleinen Käfig zurück auf den Grund das Baches und sagt, er spreche nicht gerne über dieses Thema: "Die Stellen sind geschützt, denn es gibt immer wieder Leute, die hören Flussperlmuschel, hören nur "Perle" und wollen sofort ran und selber Perlen suchen. Dann ist die ganze Arbeit von mehreren Jahren hinüber. Von daher verfolgen wir ein relativ strikte Geheimhaltungsstrategie, um die Bestände zu schützen." Die Muscheln wachsen nämlich sehr langsam, können aber 120 Jahre alt werden. Die hier im Bach sind 12, 13 Jahre alt und stehen kurz vor der Geschlechtsreife. Danach werden sie freigelassen. "Ausgesetzt wurden hier im letzten Jahr etwas über 1.300, in vier verschiedenen Bächen. Im Vorgängerprojekt wurden 2.000 bis 3.000 Muscheln in den letzten 20 Jahren ausgewildert."

Saubere Flüsse und Bäche sind selten geworden

Vor 20 Jahren soll es in Sachsen noch wenige hundert Exemplare gegeben haben. Diese Talsohle ist durchschritten, dank verschiedener Forschungsprojekte und der Zusammenarbeit mit Landwirten. Der Acker neben diesem Bach gehört einem Biobauern, der mit den Forschern und Forscherinnen zusammenarbeitet. Das sei ein großes Glück, sagt Felix Grunicke, das sähe in der Regel anders aus. 90 Prozent aller Flüsse sind durch Einträge, auch aus der konventionellen Landwirtschaft, zu sehr belastet.

Die Muschel hat da keine Chance, bis auf wenige Bäche, die jetzt als Aufzuchtstation ausgewählt wurden. "In den vergangenen Projekten haben wir intensives Monitoring betrieben und geguckt, wie viele Muscheln wir wiederfinden. Wir konnten sehr gute Wiederfindungsraten dokumentieren. Bis zu 30 Prozent der Muscheln, die wir wiedergefunden haben, haben überlebt, wobei die Dunkelziffer höher ist."

In das Flussperlmuschel-Rettungsprojekt sind viele Partner involviert. Es gibt Projekte in Sachsen, in Bayern und in Nordrhein-Westfalen. Alle arbeiten zusammen und tauschen Daten aus. An der TU Dresden fließen dann alle Informationen zusammen.

1 Kommentar

ch27021990 am 13.12.2021

Ich hatte vor einem Jahr in der Pleiße bei Lobstädt,meinem Heimatdorf, fast handgroße Muscheln gefunden.Diese waren "geknackt" am Uferrand auf Steinen abgelegt. Das hatte mich schon überrascht.Es könnte aber sein, das die Muscheln durch den Grundablaß des naheliegenden Speichers Borna - "Adria" - eingespühlt wurden.Das Gewässer hat eine sehr gute Qualität und auch dort fand ich früher beim Baden Muscheln. Ob es allerdings dieselben waren, kann ich nicht sagen.

Jürgen Taudien