Schwangere Frau und Mann mit dickem Bauch in der selben Pose ihren Bauch umfassend.
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Gebärmutter-Transplantation Können Männer Kinder austragen?

29. Mai 2019, 08:32 Uhr

Das kennen nur Frauen: Den prüfenden Blick von Freunden, Verwandten, Kollegen auf den Bauch, ein wissendes Grinsen gefolgt von der Frage: "Stimmt's, Du bist schwanger!" Männer mussten sich diese Frage bisher nicht gefallen lassen. Ein Bierbauch ist ein Bierbauch, ist ein Bierbauch. Das könnte sich ändern, denn Gebärmütter lassen sich verpflanzen - medizinisch gesehen auch in Männer.

Können auch Männer Kinder austragen? Eine verrückte Frage mit einem realen Hintergrund: Im Universitätsklinikum Tübingen haben in diesem Jahr schon zwei Frauen mit einer transplantierten Gebärmutter Kinder zur Welt gebracht. Beide Frauen waren ohne Gebärmutter zur Welt gekommen. Spenderinnen waren in beiden Fällen deren leibliche Mütter - wegen Abstoßungsreaktionen eignen sich nur nahe Verwandte.

Die Frage liegt also nahe, ob das auch bei Männern möglich ist. Neu ist die Überlegung nicht. Hollywood hat das Thema 1994 mit "Junior" in die Kinos gebracht - Arnold Schwarzenegger als Wissenschaftler Alex Hesse, der sich zusammen mit seinem Kollegen Larry Arbogast (gespielt von Danny de Vito) mit der Entwicklung menschlicher Embryos beschäftigt. Für ein Experiment lässt sich Alex/Arnold von Larry/Danny eine befruchtete Eizelle einsetzen. Statt es nach drei Monaten zu beenden, entschließt er sich, das Baby auszutragen.

Würde ein Mann das wirklich machen?

Theoretisch denkbar, sagt Professor Dr. Matthias Beckmann im Gespräch mit MDR Wissen. Er ist Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Für ihn ist es rein medizinisch vorstellbar, dass Männer auch Mutter werden, also ein Kind austragen.

Er vermutet aber auch, dass es keiner machen würde. Denn der Preis, den der Mann dafür zahlen müsste, wäre ziemlich hoch: Die männliche Anatomie ist nicht ganz identisch mit der einer Frau. Knackpunkt sind dem Mediziner zufolge aber die Blutgefäße, die zur Gebärmutter führen. Generell kann man Gefäße verlegen, vom Bein in den Bauchraum. Möglich sei alles, aber sehr, sehr aufwendig, denn beim Mann sind diese Arterien für Penis und Hoden zuständig:

Das heißt, Sie müssen den Mann quasi von der Blutzufuhr zum Hoden und zum Penis abschneiden, um dann die Blutgefäße zu nutzen, um das anzuschließen.

Prof. Matthias Beckmann Universitätsklinikum Erlangen

Wahrscheinlich würde das Folgen haben, die nicht mehr rückgängig zu machen seien.

Medizinisch ein Wunder - und ethisch?

Aber allein die Möglichkeit, dass das im Bereich des Vorstellbaren liege, sei medizinisch bemerkenswert. Dabei sei die Fiktion, ob es bei einem Mann möglich sei oder bei einer Frau, die ohne Uterus geboren wurde, gleichermaßen ein Wunder der Medizin:

Für mich ist das ein technischer Erfolg, weil es zeigt, dass man von einer lebenden Spenderin auf eine Empfängerin die Gebärmutter übertragen kann.

Prof. Matthias Beckmann

Wenn so etwas grundsätzlich funktioniert und es weltweit schon 14 Geburten nach einer Gebärmuttertransplantation gab, scheint es nur noch eine Frage der Zeit, wann der erste Mann ein Kind austrägt. Die Erfahrung zeigt nämlich: was gemacht werden kann, wird irgendwann, irgendwo auch versucht.

Männer, die Kinder austragen - was sagen Ethiker?

Das wäre eigentlich sogar wünschenswert. Da könnte man wirklich mal Gender-Gerechtigkeit herstellen.

Dr. Claudia Bozarro Universität Freiburg

Medizin-Ethikerin Dr. Claudia Bozzaro von der Universität in Freiburg hätte aus ethischer Sicht kein Problem damit. Zwar habe die Natur beim Mann bisher nur einen Bierbauch eingeplant, aber keinen Babybauch. Der Gedanke der Natürlichkeit stehe in der Medizin aber schon lange nicht mehr an erster Stelle.

Man könnte auch sagen, eine Frau, die ohne Uterus geboren ist, ist von  Natur aus auch nicht dazu in der Lage.

Dr. Claudia Bozzaro

Ob ein Mann oder eine Frau diesen Wunsch hat, sei dahin gestellt. Medizinisch sei viel möglich. Auch dass Männer stillen können, würde man schon irgendwie hinkriegen.

Mit einer vernünftigen Hormontherapie. Aber es gibt ja genügend Ersatz für die Muttermilch, insofern dürfte das bei einer solchen Prozedur das geringste Problem sein.

Dr. Claudia Bozarro

Aber Dr. Claudia Bozzaro hat grundsätzlich Bauchschmerzen bei dieser Art von Implantation. Egal ob von Frau zu Frau oder von Frau zu Mann. Der Eingriff widerspreche dem Medizin-ethischen Prinzip des "nicht schadens". Immerhin wird das Leben einer gesunden Frau, also der Spenderin, aufs Spiel gesetzt. Da gehe es nicht um Lebenserhaltung, sondern um den Kinderwunsch eines Menschen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 28. Mai 2019 | 08:50 Uhr