Zentrum der Milchstraße Schwarzes Loch: Sagittarius A* kann hell und gefräßig werden

16. Juni 2020, 16:03 Uhr

Sagittarius A*, das superreiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, gilt als relativ ruhig im Vergleich zu anderen Galaxiekernen. Aber es kann mächtig hell und gefräßig werden, zeigt eine neue Simulation.

Computer Grafik eines Schwarzen Lochs, das von einer Akkretionsscheibe umgeben ist.
Künstlerische Darstellung eines Schwarzen Lochs, in das gerade Materie hineinfällt. Bildrechte: ESA/XMM-Newton/I. de la Calle

Sagittarius (Sgt.) A* , das Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße gilt als relativ ruhiger galaktischer Kern. Bisherige Beobachtungen zeigen nur selten Hinweise darauf, dass viel Materie ins Loch hineinfällt. Bei einem solchen Vorgang würde auch viel Materie ins All geblasen – in Form von mächtigen Jets, die Material auf extreme Geschwindigkeiten beschleunigen. Das kennen Astronomen etwa vom Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie M87, von dem die Wissenschaftler mit Hilfe des Event Horizon Telescope (EHT) das erste Foto machen konnten.

Ein Team von Forschern aus den USA wollte jetzt verstehen, ob auch Sgt. A* zu so einem mächtigen Ungeheuer werden kann, ob es also Momente gibt, in denen so viel Materie in das Loch hineinfällt, dass das Magnetfeld des Schwerkraftgiganten eine Sperre erzeugt und das Material stattdessen durch die Jets ins All befördert. Dazu stellten sie komplexe Simulationen an über die sie jetzt im Magazin "Astrophysical Journal Letters" berichten. Erstaunlichstes Ergebnis: Ja, Sgt. A* kann auch anders, nämlich mächtig aktiv werden.

Sekundengenaue Abbildung von 100.000 Jahren ist unmöglich

Um das zu zeigen, müssen Sgt A* und die umkreisenden Sterne simuliert werden. Das ist eine extrem komplexe Aufgabe, da die Bandbreite der Entfernungen und Zeiträume extrem groß ist. Zum Beispiel ist der Ereignishorizont noch relativ nah am Schwarzen Loch. Er ist die Grenze, an der Materie tatsächlich unwiederbringlich in Sgt. A* hineinfällt, und mit einer Entfernung von 6 bis 10 Millionen Kilometer ist er deutlich näher am Loch als der Planet Merkur an der Sonne (durchschnittliche Entfernung 57,9 Millionen Kilometer). Die äußeren umkreisenden Sterne, von denen das einströmende Material ausgeht, sind bis zu vier Lichtjahre weit entfernt, also so weit, wie Proxima Centauri, unser nächster Nachbarstern, von der Sonne entfernt sind.

Das gleiche gilt für die relevanten Zeiträume. Am Ereignishorizont fällt Material in wenigen Sekunden über die Grenze. Um aber von den umkreisenden Sternen überhaupt dorthin zu gelangen, war es oft mehrere tausend Jahre unterwegs. Eine einzige Simulation müsste also über extrem lange Zeiten eine hohe zeitliche Auflösung abdecken. Damit würden die Datenmengen rasch nicht mehr beherrschbar.

Drei Simulationen zeigen den Weg der Materie ins Schwarze Loch

Die Forscher unterteilten ihre Berechnungen daher in drei Simulationen, die sich überlappen. Zunächst nutzten sie die Beobachtungsdaten der etwa 30 sogenannten Wolf-Rayet-Sterne in der Umgebung von Sgt A*. Diese Sterne sind die Überbleibsel ehemals sehr großer Sterne, die jetzt sehr viel Materie ins Weltall schleudern. Mit den Daten simulierten sie einen Zeitraum von etwa 1.000 Jahren und beobachteten, wie viel Gas und Staub von diesen Sternen in welche Richtungen geschleudert werden.

Die Ergebnisse dieser Simulation nutzten sie, um mittlere Distanzen und Zeiträume zu berechnen. Und im dritten Schritt simulierten sie schließlich, was am Rand des Ereignishorizonts geschieht. So konnten sie schließlich den gesamten Vorgang nachvollziehen, wie Materie von den Sternen zum Schwarzen Loch gelangt und dort hineinfällt. Alle drei Simulationen lassen sich ineinander überblenden. Es gibt also keine harten Grenzen sondern fließende Übergänge.

Dreht sich Sagittarius A* um die eigene Achse*

Zu ihrer eigenen Überraschung zeigten die Berechnungen, dass eine magnetische Sperre eintreten kann. In diesem Zustand bildet sich eine massive Akkretionsschreibe um das Schwarze Loch und über den Polen entstehen gewaltige Jets, die Material ins All schleudern. Dieser Zustand konnte bei Sgt A* bislang aber noch nie beobachtet werden.

Allerdings kann auch die jetzige Studie noch nicht alle Faktoren, die eine Rolle spielen, sauber abbilden. Zum Beispiel ist unbekannt, ob sich das Schwarze Loch um die eigene Achse dreht, Forscher sprechen hier vom „Spin“. "Es gibt die Möglichkeit, dass es sich einfach nicht dreht", sagt Sean Ressler, Erstautor der Studie. Deswegen haben seine Kollegen und er Sgt A* für die jetzige Studie als ruhendes Objekt modelliert.

Nächster Schritt: Simulation mit rotierendem Schwarzen Loch

In einer Folgestudie soll es in Drehung versetzt werden. Das ist herausfordernd, weil dazu eine ganze Reihe neuer Variablen festgelegt werden muss, beispielsweise, wie die Achse des Schwarzen Loches gegenüber seiner Akkretionsscheibe gekippt ist. Die Ergebnisse der Berechnungen sollen anderen Astronomen ermöglichen, präzisere Daten über unser galaktisches Zentrum zu sammeln und diese eines Tages zu einem Foto von Sgt A* zusammenzusetzen. Das Team des Event Horizon Telescope habe schon Interesse an den Berechnungen angemeldet, heißt es in der Pressemeldung.

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