Sexuell übertragbare Krankheiten Chlamydien: Sexbakterien brauchen Glutamin

05. August 2020, 14:49 Uhr

AIDS, Hepatitis, Syphilis sind bekannte sexuell übertragbare Krankheiten. Chlamydien werden erst langsam bekannt, weil sie meist unauffällig sind aber viel häufiger vorkommen. Forscher haben ihre Schwachstelle entdeckt.

Links ruhende Chlamydien (helle Kreise), die ohne Glutamin gehalten werden. Nach der Zugabe von Glutamin (rechts) gehen die Bakterien in die Teilungsstadien über (dunklere Kreise). 3 min
Bildrechte: Lehrstuhl für Mikrobiologie, Universität Würzburg

Hätten Bakterien Charakterzüge, würde man Chlamydien wohl als hinterhältig bezeichnen: Diese fiesen Gesellen machen oftmals nämlich erst einmal überhaupt nichts. Sie ducken sich weg. Bei bis zu 80 Prozent der Frauen und der Hälfte der Männer verläuft eine Infektion ohne Symptome. Das erleichtere die Verbreitung des Erregers und führe teils erst Jahre später zu schweren oder chronischen Krankheitsverläufen, erläutert Mikrobiologie-Professor Thomas Rudel von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Chlamydien könnten Krebs auslösen

Doch die sexuell übertragbaren Chlamydien können Entzündungen in der Harnröhre, der Scheide oder im Analbereich auslösen. "Eine Folge davon kann sein, dass Frauen unfruchtbar werden, dass sie später starke Probleme bekommen und sie möglicherweise sogar operiert werden müssen. Wir vermuten auch, dass Chlamydien langfristig Krebs auslösen können", sagt der Mediziner.

Chlamydien brauchen menschliche Wirtszellen zur Vermehrung

Doch bisher seien die Bakterien nur wenig untersucht, ergänzt Rudel. Deshalb wollte das interdisziplinäre Team herausfinden, wie es die Bakterien schaffen, sich zu vermehren. Denn eigentlich haben Chlamydien gar keine Zellwand. Wenn sie aber in eine menschliche Wirtszelle eindringen, um sich zu vermehren, brauchen sie unbedingt eine Zellwand. Deshalb vollziehen sie quasi eine Verwandlung, sagt der Forscher.

Außerhalb der Wirtszelle würden Bakterien bei der Teilung sterben

Bakterien, die in einer Zelle leben und auf die Vermehrung dieser Zelle angewiesen sind, die durchlaufen immer zwei Formen. Außerhalb der Zelle können sie sich nicht vermehren. Wenn sie sich da teilen, wären keine Nährstoffe da und sie würden absterben. Deshalb muss die Bakterien wissen: Bin ich außerhalb der Zelle oder in der Zelle?

Thomas Rudel, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Chlamydien bilden mit Glutamin eigene Zellwände

In der Zelle wachen die Bakterien also aus einer Art Schlafzustand auf. Und dann haben sie riesigen Hunger: auf die Aminosäure Glutamin. Das haben die Forschenden herausgefunden, indem sie Chlamydien in einer Zellkultur mit verschiedenen verdächtigen Stoffen zusammengebracht und geschaut haben, was passiert. "Wir in diesem relativ einfachen Experiment nachgeschaut: Können wir Zellwand-Bestandteile nachweisen? Das war der Fall, wenn wir Glutamin zugegeben haben. Das ist ein Bestandteil der Zellwand und wenn wir es zugegeben haben, konnten wir feststellen, die Bakterien beginnen Zellwände zu bilden. Und das war schon spektakulär", sagt Rudel.

Sexbakterien sind angreifbar: Glutamin ist Achillesferse der Chlamydien

Das Glutamin sei gewissermaßen die Achillesferse der Chlamydien, meint der Professor für Zelluläre Mikrobiologie. Denn die Glutamin-Aufnahme in die Zelle lässt sich steuern - beispielsweise durch Medikamente. Es gebe da sogar schon ein Krebs-Medikament, das funktionieren könnte. Und dann nehmen wir Glutamin ja auch mit der Nahrung auf. Muss man also einfach nur anders essen? "Prinzipiell wäre das eine Möglichkeit: Man könnte die Nahrung entsprechend ändern, dass weniger Glutamin da ist und so den Bakterien die Vermehrung erschweren", überlegt Thomas Rudel.

Problem: Menschen brauchen Glutamin auch

Aber der Forscher bezweifelt, dass wir auf Glutamin verzichten können. Dazu sei es zu wichtig für unseren Körper, etwa für die Muskulatur. Außerdem steckt Glutamin in so ziemlich allen Eiweißen. Und eine Ernährung ohne Proteine ist wohl kaum denkbar. Trotzdem gebe es solche Überlegungen durchaus bei der Therapie von Krebs, ergänzt Rudel. Die Forschung sei da aber noch nicht sehr weit und mögliche Nebenwirkungen noch gar nicht abzusehen. 

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