Symbolbild für sexuelle Gewalt: Teddybär, vor dessen Gesicht ein Finger zum Schweigen mahnt
Frauen die sexuelle Gewalt an Kindern ausüben? Ein Tabuthema Bildrechte: IMAGO / Hans Lucas

Tabu-Thema Studie zu sexuellem Missbrauch: Wie Frauen zu Täterinnen werden

16. November 2021, 10:35 Uhr

Pädophile Frauen: Ein gesellschaftliches Tabu-Thema, über das Wissen fehlt. In einem Online-Forschungsprojekt wurden betroffene Kinder und Jugendliche, sowie Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern befragt. Die Ergebnisse haben methodische Schwächen, sind aber dennoch wichtig für Aufklärung und Prävention.

  • Ein Online-Forschungsprojekt belegt: Es gibt Frauen, die sexuelles Interesse an Kindern unter 14 Jahren haben.

  • Kinder, die von Frauen missbraucht wurden, waren durchschnittlich beim ersten Mal sechs Jahre alt und die Taten dauerten bis zu sieben Jahre an.

  • Präventionsprogramme, die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen verhindern sollen, sollten sich auch an Frauen richten.

Die Stichwörter "Kindesmissbrauch" und "Männer als Täter" gehen gemeinhin Hand in Hand, Frauen als Tatpersonen sind in unserer Gesellschaft bislang ein eher undenkbares Konstrukt. Dass es hier gesellschaftliches Umdenken braucht, zeigt ein Forschungsprojekt des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das Forschungsteam wollte herausfinden, ob Frauen sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ausüben und wie sie dabei vorgehen.

Wie findet man pädophile Frauen für eine Befragung?

In Online-Befragungen fand das Forschungsteam innerhalb von sechs Monaten 52 Frauen mit sexuellem Interesse an Kindern, ohne dass für die Studie an sich geworben wurde oder mediale Aufmerksamkeit erzeugt worden war. Die Forschenden hatten ihre Befragung von Juli bis Dezember 2020 sowohl auf deutschsprachigen als auch englischsprachigen Pädophilen-Portalen eingestellt, deren Klientel an Kindern unter 14 Jahren interessiert ist.

Frauen, die sexuell an Kindern interessiert sind: Gibt es die?

Ja, es gibt sie, das zeigt das Forschungsprojekt eindeutig auf. Es meldeten sich Frauen im Alter zwischen 18 und 67 Jahren. 39 Prozent von ihnen gaben an, dass bei ihnen eine oder mehrere psychische Störungen diagnostiziert worden war: Bei 75 Prozent zum Beispiel Depressionen, bei 35 Prozent Angststörungen, bei 25 Prozent Posttraumatische Belastungsstörungen. Mehrheitlich gaben die Frauen an (67 Prozent), dass sie sich sexuell gleichstark zu Männern wie Frauen hingezogen fühlten. Befragt zu ihrem Pornokonsum sagten 98 Prozent der Teilnehmerinnen, das sie in ihrem Leben Pornografie generell konsumiert hatten, 35 Prozent von ihnen mehrmals in der Woche. Das Durchschnittsalter beim ersten Pornografiekonsum lag demnach bei 12,3 Jahren. 25 Prozent wählten dabei "Missbrauchsdarstellungen" von Kindern im Alter von zwölf Jahren oder jünger, sechs Prozent "Jugendliche Darsteller:innen" (ca. 13 Jahre), und 27 Prozent gaben beide Kategorien an. Somit sei davon auszugehen, dass 58 Prozent der Teilnehmerinnen zum Zeitpunkt der anonymen Befragung sogenannte Missbrauchsabbildungen konsumierten, heißt es in der Studienauswertung.

Kinder, die von Frauen missbraucht werden

In einer Onlinebefragung von März bis Juli 2020 schilderten 212 Personen ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt als Kind durch eine Frau. Das Alter der Täterinnen wurde dabei durchschnittlich auf 32 Jahre geschätzt, die Kinder selbst waren dabei im Schnitt sechs Jahre. Der Missbrauch durch die weibliche Person dauerte den Schilderungen zufolge im Durchschnitt sieben Jahre. Überwiegend handelte es sich dabei um die Mütter (62 Prozent). 56 Prozent der Befragten berichteten auch von weiterer sexualisierter Gewalt durch einen Mann. In 18 Prozent der Fälle zählte die Täterin zum Freundes- und Bekanntenkreis der Familie. Knapp die Hälfte der Befragten konnte zur Zeit des Geschehens nicht einordnen, ob die sexualisierten Handlungen der weiblichen Person "missbräuchlich" waren. Mehr als ein Drittel der Betroffenen bewertete die sexualisierte Gewalt zum Zeitpunkt des Geschehens als "normal".

Präventionsprogramme müssen sich auch an Frauen richten

Das Hamburger Forschungsteam räumt zwar ein, dass sich durch die Anonymität einer Online-Befragung zum Beispiel nicht ausschließen lässt, dass Menschen doppelt an der Befragung teilgenommen haben. Oder dass auch Männer unter den Antwortenden waren. Auch müsse Interesse an Missbrauchsabbildungen kein sexuelles Interesse im Sinne einer Pädophilie bedeuten, aber auf eine sexuelle Zwangsstörung hinweisen. Generell zeige die Studie: Es gibt Frauen, die sexuelles Interesse an Kindern haben, und die professionelle Hilfe brauchten. Und Präventionsprogramme gegen sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen oder den Konsum von Missbrauchsabbildungen müssen sich daher nicht allein an Männer, sondern auch an Frauen richten.

Den Forschungsbericht lesen Sie hier.

(lfw)

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