Silvester Feuerwerk: Sieben gute Gründe für den Verzicht

Raketen und Böller lassen Tiere leiden, verursachen Feinstaub und verletzten zahlreiche Menschen. Das für Feuerwerk ausgegebene Geld könnte viele Probleme lindern. Sieben Gründe gegen die Silvester-Knallerei.

Reste des Silvesterfeuerwerks, Silvesterböller am Neujahrstag.
Bildrechte: imago/Rüdiger Wölk

Sind Ihnen die vielen Böller zu laut? Gehören Sie zu den 57 Prozent, die laut Umfrage ein Böllerverbot fordern, ein Ende der privaten Knallerei, wie es der Kulturrat nahelegt? Vielleicht sind Verbote nicht der richtige Weg und Argumente der bessere. Hier finden Sie sieben gute Gründe, warum es sich lohnt, auf die Knallerei zu verzichten.

1. Feinstaub

Raketen und Böller verursachen regelmäßig Feinstaubalarm in der Silvesternacht. Über 4.000 Tonnen gesundheitsschädlicher Rußpartikel werden dann in die Luft geblasen, schätzt das Umweltbundesamt. Die Menge entspricht etwa 15,5 Prozent dessen, was der Straßenverkehr im gesamten Jahr an Feinstaub produziert. In der Nacht zu Neujahr messen zahlreiche Messstationen in den Städten oft ihre Jahreshöchstwerte. Folgende Grafik zeigt die Neujahr 2018 gegen ein Uhr gemessene Pulverdampf-Wolke über Deutschland. Bis zu 1.000 Mikrgramm sind dann in der Luft. Normal sind Werte um 20 Mikrogramm.

Grafik mit einer Deutschlandkarte, die die Kponzentration von Feinstaubpartikeln um 1 Uhr an Neujahr zeigt. Rund um die Städte sind die Wetere oft tiefrot. (PM10-Stundenwerte für 1 Uhr am 1.1.2018)
Bildrechte: Umweltbundesamt.

2. Verängstigte Tiere

Wer mit Haustieren wie Katzen und Hunden zusammenlebt, weiß, wie sehr viele von ihnen unter den laut knallenden Böllern leiden. Auch die Vögel reagieren panisch, einige von ihnen verlassen fluchtartig die Stadt. Die Umweltschutzorganisation NABU warnt besonders vor der Knallerei in Grünflächen und Parks. Dort werden die Tiere aufgeschreckt und fliehen dann in mitunter eisige Höhen, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Nicht wenige Wildtiere sterben durch das Feuerwerk, wie dieser Biber in Königs-Wusterhausen, der vor vier Jahren wahrscheinlich durch die Druckwelle eines Böllers getötet wurde.

Wer sehen will, wie jeder einzelne Knall beispielsweise eine Kohlmeise erschreckt, dem sei dieses Video aus einer Silvesternacht im Nistkasten empfohlen.

3. Verletzte Menschen

Vergleichende Statistiken über die Zahl der durch Böller und Raketen verletzten oder sogar getöteten Menschen in Deutschland gibt es zwar nicht. An dramatischen Beispielen herrscht aber auch kein Mangel. Beim Jahreswechsel 2017/18 starben zwei Männer in Brandenburg beim falschen Umgang mit Feuerwerk. Auch anderswo erlitten Jugendliche teils schwere Verletzungen.

Vor allem, wenn Kinder beteiligt sind, kann es ganz tragisch werden, berichteten zum Beispiel die Mediziner der Uniklinik Leipzig. "Vor einem Jahr hatten wir zwei Kinder mit sehr schweren Silvesterverletzungen", erinnert sich Kinderchirurg Prof. Martin Lacher. "Von seinem großen Bruder bekam ein Junge einen Feuerwerkskörper überreicht; er 'sollte ihn mal halten'. Am Ende konnten wir den zerstörten Daumen zwar an sich retten, aber Sehnen und Nerven waren so geschädigt, dass der Patient den Daumen nicht mehr benutzen kann. Ein anderer Junge versuchte, einen angezündeten, illegal aus dem nahen Ausland eingeführten Böller auszutreten. Der explodierte aber unter seinem Schuh mit solcher Wucht, dass durch die Schuhsohle hindurch der Fuß schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Fersenbein war zerborsten. Mit allen chirurgischen Fachdisziplinen am UKL haben wir alles wieder rekonstruiert, aber für den Jungen bedeutete das, ein halbes Jahr Krankenhausaufenthalt und ein Jahr nicht laufen können."

Der Regelfall dürften vor allem Hörschäden durch explodierte Knaller sein. Sie können ein Knalltrauma auslösen, das mitunter einen bleibenden Verlust von Hörvermögen nach sich zieht.

Ein Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes fährt mit Blaulicht
Bildrechte: imago/Ralph Peters

4. Mit dem vielen Geld…

Nach Auskunft des Verbands der Pyrotechnischen Industrie haben die Deutschen in den vergangenen Jahren für Raketen, Knaller und Batteriefeuerwerke jeweils 137 Millionen Euro ausgegeben. Im Vergleich mit anderen Konsumgütermärkten wirkt diese Summe zwar eher klein. Für Schnittblumen und Zimmerpflanzen gaben die Deutschen 2017 rund 8,6 Milliarden Euro aus. Allerdings verteilt sich dieser Umsatz auf das gesamte Jahr. Böller dürfen hingegen nur wenige Tage zwischen Weihnachten und Neujahr frei verkauft werden.

Geht man rein hypothetisch davon aus, der Verkauf von Feuerwerk wäre unbeschränkt und die Deutschen würden das gesamte Jahr über Knaller mit der gleichen Begeisterung kaufen, wie kurz vor Silvester, dann beliefe sich der Umsatz bei über 16 Milliarden Euro.

5. … könnte man in Leipzig mindestens 20 Kilometer Straße sanieren

Allein mit den wirklich ausgegebenen 137 Millionen Euro ließe sich eine Menge anfangen, zum Beispiel marode Straßen sanieren. Beispiel Dieskaustraße in Leipzig: Die Magistrale im Süden der Stadt soll ab 2023 auf 2,4 Kilometern Länge komplett erneuert werden.

Weil dort Straßenbahn, Fußgänger, Auto- und Fahrradfahrer unterwegs sind, alle ausreichend Platz haben sollen und trotzdem noch Raum für Parkbuchten und neue Straßenbäume gebraucht wird, ist das Vorhaben ziemlich kompliziert. Nach aktuellem Planungsstand könnte es bis zu 16,4 Millionen Euro kosten. Pro Kilometer ergeben sich Kosten von 6,38 Millionen Euro. Mit dem Geld, das die Deutschen für Feuerwerk ausgeben, könnte Leipzig also über 20 Kilometer Straße aufwendig sanieren.

Die Dieskaustraße in Leipzig, im Vordergrund ist ein mit Kopfsteinen gepflasterter Streifen zu sehen, der nach vielen jahren ohne Sanierung ziemlich uneben geworden ist.
Schlaglochpiste Dieskaustraße in Leipzig. Bildrechte: MDR/Clemens Haug

6. … tausende neue Lehrer einstellen

Der aktuelle Bildungsfinanzierungsbericht führt unter anderem auf, was Lehrer in Deutschland verdienen. Dabei ist das durchschnittliche Bruttogehalt in Sachsen und Berlin mit rund 5.000 Euro pro Monat am geringsten, während ihre Kollegen in Bayern mit 5.800 Euro monatlich am meisten bekommen. Nimmt man die mittlere Summe zwischen den beiden Polen und rechnet sie auf ein Jahr hoch, bekommt man ein Jahresbruttogehalt von 64.800 Euro. Mit 132 Millionen Euro könnte man also 2.062 Lehrkräfte neu einstellen.

Schüler während einer Unterrichtsstunde.
Bildrechte: imago/photothek

7. … oder Entwicklungszusammenarbeit oder Naturschutz verbessern

Brunnen statt Böller: Deutschland gab im Jahr 2016 laut dem Statistischen Bundesamt 22,2 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit aus. Mit den 137 Millionen Euro könnte man den Etat um 0,6 Prozent erhöhen. Das klingt zwar nicht viel, kann die Lebensbedingungen anderswo auf der Welt sehr verbessern.

Bäume statt Böller: Für Natur- und Artenschutz gaben Bund, Länder und Kommunen 2015 insgesamt 1,4 Milliarden Euro aus. Würde man hier die 132 Millionen Euro investieren, der Etat für Naturschutzgebiete stiege um 9,2 Prozent.

Nationalpark Hainich Bäume.
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ch/MDR Wissen

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Fernsehen | 28. Dezember 2019 | 19:30 Uhr

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