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Eine Skipiste in den österreichischen Alpen am 25. Dezember 2022. Auf so viel Grün zu Weihnachten muss man sich in Zukunft noch häufiger einstellen. Bildrechte: IMAGO / Michael Kristen

WintersportSkigebiet-Studie: Neujahrsskiurlaub wird immer unwahrscheinlicher

02. Januar 2023, 13:09 Uhr

Skifahren wird bis Ende des 21. Jahrhunderts prinzipiell möglich bleiben, sagt eine Schweizer Studie. Aber nur in größeren Höhen und nicht mehr im Urlaub über Weihnachten und den Jahreswechsel. Für Kunstschnee ist es dann zu warm und feucht.

Die Schneesicherheit wird immer geringer. Auch auf den Bergen. Nehmen wir als Beispiel Mitteldeutschlands höchste Erhebung, den Fichtelberg. Dort in mehr als 1.200 Metern Höhe war nur einer der letzten neun Winter so "wie früher", im Sinne von "fast den ganzen Winter hat ausreichend Schnee gelegen".

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Die Alpen, obwohl mit noch deutlich höheren Bergen ausgestattet, haben dieses Problem auch. Wer in diesen Tagen die Vierschanzentournee schaut, bekommt einen ziemlich guten Eindruck davon. Und Wissenschaftler sind sich sicher, dass das Problem im Laufe des 21. Jahrhunderts immer stärker werden wird. Deshalb wird geforscht, was das für die Schneesicherheit und damit für den Tourismus bedeuten könnte.
Bei einer neuen Studie ist es zwar nur ein größeres Skigebiet, das eine Schweizer Forschungsgruppe genauestens unter die Lupe genommen und auf zukünftige Schneesicherheit untersucht hat. Aber die Trends, die sich aus den Ergebnissen ableiten lassen, dürften für viele Wintersportregionen gelten.

In größeren Höhenlagen der Alpen wird demnach auch zum Ende des 21. Jahrhunderts noch Pistengaudi möglich sein, aber es wird immer stärker auf Kunstschnee gesetzt werden müssen, was wiederum zwei Probleme nach sich zieht. Erstens werden die Schneekanonen einen stark erhöhten Wasserbedarf haben, der vielleicht nicht überall und immer gedeckt werden kann. Und zweitens wird das künstliche Beschneien in manchen Phasen des Jahres aus rein physikalischen (und damit unabänderlichen) Gründen nicht mehr möglich sein, zum Beispiel in der Weihnachtszeit und zum Jahreswechsel.

Andermatt-Sedrun-Disentis

Die Forschungsgruppe um Dr. Erika Hiltbrunner von der Universität Basel hat sich das Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis angeschaut, wo es 180 Pistenkilometer und 33 Liftanlagen auf bis zu 3.000 Meter Höhe gibt. Dort wurden unlängst mehrere Millionen Schweizer Franken in einen Ausbau investiert. Kann sich das lohnen? Oder ist es kurzsichtig?

Das Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis umfasst 180 Pistenkilometer, vor allem nördlich (hier oberhalb) der drei Orte. Ein Großteil des Wassers für die technische Beschneiung kommt aus dem markierten Oberalpsee. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Der Wintertourismus ist in den Alpen und anderen Gebirgen ein extrem wichtiger Wirtschaftszweig. Und ein beträchtlicher Teil der Einnahmen wird durch Urlauber generiert, die über Weihnachten und/oder Silvester zum Ski- oder Snowboardfahren kommen. Diese zwei Hauptaspekte wurden deshalb untersucht, also wie wahrscheinlich es in Zukunft sein wird, dass es über den ganzen Winter mindestens 100 Schneetage gibt und wie hoch die Schneesicherheit über Weihnachten und Neujahr bis zum Ende des 21. Jahrhunderts sein wird.

Auch in den Alpen keine Garantie für weiße Weihnacht

Künstliche Beschneiung kann zwar zumindest in den höher gelegenen Teilen des Skigebiets (über 1.800 Meter) eine 100-tägige Skisaison gewährleisten, so das Ergebnis. Aber bei einem Szenario mit ungebremstem Klimawandel dürfte es für das Geschäft während der Weihnachtsferien in kommenden Jahrzehnten knapp werden. Zu einem gewissen Grad könne man die Situation womöglich mit neuen Schneekanonen auffangen, aber nur teilweise, heißt es in der Studie.

Hier setzt die Physik der technischen Beschneiung natürliche Grenzen.

Dr. Erika Hiltbrunner, Universität Basel

"Was viele nicht bedenken, ist, dass man auch für die technische Beschneiung gewisse Witterungsverhältnisse braucht", sagt Erika Hiltbrunner. "Es darf nicht zu warm sein und die Luft nicht zu feucht, sonst entsteht keine ausreichende Verdunstungskälte, damit das zerstäubte Wasser in der Luft gefriert und als Schnee herunterkommt." Und weil warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnimmt, werde es mit wärmeren Wintern auch immer schwieriger bis unmöglich, Kunstschnee zu erzeugen. "Hier setzt die Physik der technischen Beschneiung natürliche Grenzen."

80 Prozent mehr Wasser

Skiurlaube wird es laut Studie trotzdem auch Ende des 21. Jahrhunderts noch geben, selbst bei ungebremstem Klimawandel. Denn auf höher gelegenen Pisten garantiere die technische Beschneiung durchaus noch 100 Schneetage im Jahr. Allerdings zu einem deutlich höheren Preis als heute. Der Wasserbedarf im Skigebiet Andermatt-Sedrun-Disentis würde um etwa 80 Prozent steigen, von heute 300 Millionen auf dann 540 Millionen Liter.

Und diese Bedarfssteigerung sei noch relativ moderat, schreibt die Forschungsgruppe. In anderen Skigebieten gebe es Berechnungen, dass der Wasserverbrauch um ein Vielfaches höher wird, weil die beschneite Fläche stark vergrößert werden muss, um die Schneesicherheit zu gewährleisten.

Konflikte ums Wasser, höhere Preise

Skiurlaub mit der ganzen Familie könnte in Zukunft ein (zu) teures Vergnügen werden. Bildrechte: imago images/Alexander Rochau

Wie welches Skigebiet mit dem erhöhten Wasserbedarf umgeht, wird sicherlich sehr unterschiedlich sein. Die Studie geht nur auf Andermatt-Sedrun-Disentis ein. Dort kommt ein Großteil des Wassers für die technische Beschneiung aus einem See bei Andermatt, dem Oberalpsee. Irgendwann im Laufe des Jahrhunderts wird das Wasser dort nicht mehr reichen, weil es auch zur Stromerzeugung eingesetzt wird. Neue Wasserquellen müssten erschlossen werden. "Hier werden wahrscheinlich Konflikte zwischen dem Wasserbedarf für das Skigebiet und jenem für die Stromerzeugung entstehen", sagt Dr. Maria Vorkauf, Erstautorin der Studie.

Fest steht für die Forschungsgruppe, dass die verstärkte Beschneiung die Kosten und damit auch die Preise für Skiferien in die Höhe treiben wird. "Irgendwann können sich Personen mit durchschnittlichem Einkommen solche Ferien schlicht nicht mehr leisten", sagt Erika Hiltbrunner voraus.

Links / Studien

(rr)