Sojaschnitzel auf Couscous und Gemüse in einer Pfanne
Soja in Schnitzelform gibt es schon länger. Bildrechte: imago images / Shotshop

Ernährungsforschung Rapsschnitzel: Konkurrenz fürs Sonntagsschnitzel?

13. Oktober 2020, 14:09 Uhr

Eis und Joghurt aus Lupine, Geschnetzeltes und Steaks aus Soja, auch der aus Sojamilch hergestellte Tofu in frischer oder geräucherter Form – das kennt  man aus den Supermarktregalen. Nun könnte eine weitere Pflanze hinzukommen: Raps. Als Öl altbewährt, haben hallesche Ernährungswissenschaftler es nun als Ersatz für Soja getestet. Doch kann diese Monokulturpflanze eine Alternative sein? Hartmut Schade ist dieser Frage nachgegangen.

Wenn man Gabriele Stangl nach den größten Vorteil von Raps fragt, sagt sie: Man bleibt länger satt! Auf dem Teller landet allerdings nicht die Pflanze, sondern nur Protein, aus dem Raps gewonnenes Eiweiß.

Wir haben dieses Protein zusammen mit Nudeln, mit Spaghetti und Tomatensoße verabreicht und wir haben die Leute gefragt, wann sie wieder Hunger haben, wie lange dieses Sättigungsgefühl anhält? Das hielt in der Tat länger an, wenn diese Nudeln zusammen mit Rapsprotein verzehrt wurden, als wenn man die Nudeln zusammen mit Sojaprotein isst.

Gabriele Stangl

Man muss also weniger oder seltener essen. Da wir meist zu viel essen, ist das zweifellos ein Vorteil. Das Rapsprotein hat noch einen weiteren Pluspunkt. 

Eine Frau sitzt an einem Tisch
Prof. Gabriele Stangl Bildrechte: Marco Warmuth/TGZ Halle

Wie viel Insulin muss der Körper produzieren, um den Glukosespiegel wieder zu senken? Beim Rapsprotein war weniger Insulin dafür erforderlich, was üblicherweise als eher günstig erachtet wird. Für Prädiabetiker wäre das möglicherweise ein gesundheitlicher Vorteil.

Gabriele Stangl

Das Problem ist der Geschmack

Das Rapsprotein hat aber auch einen entscheidenden Nachteil: Es schmeckt leicht senfig und etwas bitter. Auch wenn der Volksmund meint, Medizin müsse bitter sein - noch verhindert der Geschmack einen massenhaften Einsatz.

Wir schmecken Bitterkompenenten sehr stark, selbst in kleinsten Konzentrationen. Jetzt ist es die Kunst, die Konzentration so weit zu reduzieren, dass man die Senf- oder Bitternote nicht mehr wahrnimmt.

Gabriele Stangl

Das Rapsprotein gewinnen die Hallenser aus Rapskuchen, einem Nebenprodukt bei der Ölherstellung. Das macht die Forschungen der Wissenschaftler noch verlockender: Ein einheimisches Abfallprodukt statt Soja als Ausgangsbasis für pflanzliche Schnitzel, vegetarischen Gyros oder Spaghetti bolognese. Etwa eine halbe Million Tonnen Rapskuchen werden in Deutschland an Hühner und Schweine verfüttert.

Raps - Pflanze und Rapskuchen

Blühendes Rapsfeld
Bildrechte: imago images / Eibner
Blühendes Rapsfeld
Bildrechte: imago images / Eibner
Arbeiter zeigt Rapsschrot
Bildrechte: imago images / photothek
Alle (2) Bilder anzeigen

Allerdings muss man rund ein Drittel mehr Energie, sprich Futter ins Tier stecken, als das Fleisch nachher enthält. Ohne Umweg über das Schwein aus dem Raps direkt ein Schnitzel zu machen, klingt also verlockend - noch dazu, wenn man dafür auf Soja verzichten könnte. Doch so einfach ist die Rechnung nicht, sagt Dr. Jan Rücknagel vom Lehrstuhl für Allgemeinen Pflanzenbau der Uni Halle. Denn der Raps gehört zu den Verlierern auf den deutschen Äckern.

Das liegt daran, dass der Raps unter den sich ändernden klimatischen Bedingungen nicht mehr ganz so gut mithalten kann. Raps ist eher eine maritime Pflanze, braucht etwas mehr Niederschlag und kommt mit so hohen Temperaturen nicht ganz so gut klar. Dazu kommt, das sich durch den hohen Rapsanteil in den Fruchtfolgen einige Schädlinge und Krankheiten etabliert haben, deren Bekämpfung immer schwieriger wird.

Dr. Jan Rücknagel

Die Sojapflanze mag es warm

Soja - Pflanze und Bohne

Sojapflanzen
Bildrechte: imago images / agefotostock
Sojapflanzen
Bildrechte: imago images / agefotostock
Sojapflanzen
Bildrechte: imago images / imagebroker
Alle (2) Bilder anzeigen

Das aus tropischen Regionen stammende Soja hingegen profitiert naturgemäß von den wärmeren Temperaturen. Es hat hierzulande keine Fraßfeinde und muss deswegen nicht mit Insektiziden geschützt werden. Außerdem gehört Soja zu den Leguminosen. Das sind Pflanzen wie Lupinen oder Erbsen, die den Boden mit Stickstoff aus der Luft anreichern und so verbessern. Der große Nachteil:

Soja wird spät im Jahr gesät, erst Ende April. Es hat eine relative kurze Vegetationszeit, es dauert eine ganze Weile, bis der Boden bedeckt ist. Da ist die Gefahr recht groß, dass Niederschlagsereignisse zu Wassererosion führen. Das ist durchaus kritisch. Auch was die Attraktivität im Bereich Insekten angeht, ist Soja als fremde Kulturpflanze doch eher mäßig.  

Dr. Jan Rücknagel

Raps und Soja im Vergleich

Raps bedeckt den Acker von Oktober bis Juli, seine tiefen Pfahlwurzeln verhindern das Abschwemmen des Bodens. Die Pflanzen brauchen viel Dünger zum Wachsen, Soja nicht. Das zeigt: Ein einfaches "gut-schlecht"-Schema funktioniert auf dem Acker nicht. Ebensowenig bei der Bewertung, welche Pflanze nun den besseren Schnitzelersatz liefert. Aber darum geht es Professorin Stangl bei ihren Forschungen auch nicht.

Man möchte in der Zukunft, angesichts der Tatsache, dass wir wahrscheinlich 2050 zehn Milliarden Menschen sein werden, die pflanzliche Ernährung auf eine breitere Basis stellen, damit man verschiedene hochwertige Eiweißquellen zur Verfügung hat. Das Ziel ist, dass sich das Repertoire an Lebensmitteln entsprechend vergrößert. Für ein Produkt ist vielleicht mehr Soja geeignet, für ein anderes mehr Raps und für ein drittes mehr Lupine. 

Stangl

Bis 2050 sind die Bitterstoffe sicher aus dem Rapsproteinen verschwunden. Ob dann wirklich Rapsgeschnetzeltes in Kühlregalen liegt, ist eine andere Frage. Denn bei ihren Arbeiten mit Lupineneiweißen hat Gabriele Stangl eines gelernt: Ein Lebensmittel auf pflanzlicher Basis muss genauso aussehen und schmecken wie das tierische Original, sonst wird es vom Kunden nicht akzeptiert - egal, wie gesund es ist.

Rahmschnitzel mit Spätzle
Die Konkurrenz zum "klassischen" Schnitzel muss schmecken, weiß die Forscherin. Sonst bleibt es im Regal und auf dem Teller alles beim Alten. Bildrechte: imago images/MiS

Die Studie des Halleschen Forschungsteams ist im Fachjournal "Nutrients" erschienen.

4 Kommentare

MDR-Team am 12.10.2020

Hallo Anhaltiner,
es wird in dem Artikel mit Raps eine weitere Alternative zum Fleisch vorgestellt. Von einem "Zeigefinger" kann keine Rede sein. LG, das MDR-Wissen-Team

Anhaltiner am 12.10.2020

@ MDR-Team
Es steht ihnen natürlich frei ,sich ausschließlich von Alternativen zum Fleisch zu ernähren . Guten Appetit !

Anhaltiner am 11.10.2020

Der tägliche Zeigefinger in allen Medien sich vegan zu ernähren und dem Fleischgenuss abzuschwören nervt ungemein.